"Zweiter Logbucheintrag von Sub-Gunnery Seargent Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets", leitete die Fhoi Myhore ihren nächsten Eintrag ein. Bequem lehnte sie sich auf dem Schaukelstuhl zurück, der ihre neuste und durchaus reichlich genutzte Errungenschaft war. Angelehnt an dicke Kissen und gekleidet in ein Hauskleid aus fließend silbrigem, weichem Stoff fühlte sie sich wohl und entspannt. Sie lenkte ihren Blick gen Fenster, um die Sterne zu betrachten, während sie sprach. "Es ist eine lange Zeit vergangen, seitdem ich dieses Logbuch zuletzt genutzt habe. Viele Dinge sind seitdem geschehen und doch hatte ich nie wirklich Zeit, mich dem Logbuch mit der Ruhe und Muße zu widmen, die es verdient. Und, ich muss gestehen, wenn ich sie hatte, habe ich mich lieber anderen Aktivitäten zugewandt. Doch heute Abend wird es Zeit, zumindest die wichtigsten Ereignisse noch einmal festzuhalten. Denn das gesprochene Wort ist heilig. Das gesprochene Wort bleibt ewig. Sela Arrush." Einen langen Moment schwieg sie, um sich zu sammeln. "Es sind vier Ereignisse, die ich besonders kundtun möchte in diesem wahrscheinlich recht langen Eintrag. Zwei davon sind fundamental für mich als Person. Die beiden anderen betreffen mehr meine Welt und ihre Koexistenz mit den Sternenfahrern der Föderation. Beginnen wir."
Sua'Lamith griff nach einem Becher, den sie neben sich stehen hatte und hob ihn an die Lippen, trank einen Schluck und drehte das Gefäß danach langsam in den Händen. "Die wichtigste und größte Neuigkeit, die ich diesem Logbuch hinzuzufügen habe, ist zweifelsohne, dass ich eine Saat empfangen und aus dieser Saat eine Frucht geboren habe. Eine Tochter, die den Namen Eyvah'Eylish Ash'Tamah trägt. Geboren in der Föderation der Sternenfahrer am 27.12.2409 ist sie eine Bürgerin derselben und zugleich ein Kind L'Lal'Lorias. Sie ist eine der Früchte, auf die meine Welt gehofft hat, als sie die Sternenfahrer in den großen Hallen der Trauer willkommen hieß und ich bin stolz, meiner Welt nicht nur im militärischen Dienste und in der kulturellen Erforschung der Sternenfahrer von Nutzen zu sein, sondern jene größte und wichtigste aller Aufgaben gleichsam erfüllt zu haben. Eyvahs Dasein macht vollkommen, wozu ich meine Heimatwelt verlassen habe. Ihre Geburt und die Geburten andere Kinder wie sie, zeigt, dass die Prophezeiung, die L'Lal'Loria mit den Sternenfahrern verbindet, der Wahrheit entspricht und sich mit jedem weiteren Tag mehr und mehr erfüllt. Ein Teil davon sein zu dürfen, ist eine hohe Ehre für mich."
Sua'Lamith verstummte für den Augenblick und sah in die Wiege, die neben ihr stand und in der ihre Tochter friedlich schlummerte. Sie war bereits jetzt größer als andere Kinder ihres Alters, aber das überraschte Sua'Lamith kaum. Es war bekannt, dass die Zeit auf L'Lal'Loria schneller verging als hier, was in Analogie dazu geführt hatte, dass auch der genetische Code der von dort stammenden Wesen eine schnellere Entwicklung aufwies. "Ihre Abstammung, was den Mann betrifft, der mir seine Saat gegeben hat, warf hier vor Ort allerdings Probleme auf, die ich nicht voraus gesehen habe", fuhr sie fort. "Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Tal Shiar, dem romulanischen Gegner der Föderation, wurde mir von vorgesetzter Stelle mit Besorgnis begegnet. Besorgnis um mich und um die Sicherheit meiner Tochter, sollte dieser Umstand bekannt werden. Es ist ein ausgesprochen merkwürdiger und unangenehmer Gedanke, dass der Akt der Zeugung während der Feldbestellung und der Mann, der die Saat sät, einen solch hohen Einfluss haben soll und mir ist bis heute nicht ganz klar, warum dies so ist. Ich könnte es wohl verstehen, hätte ich Kontakt zu jenem Mann oder würde gar eine freundliche Beziehung mit ihm aufrecht erhalten und wäre demnach in der Lage, ihm Informationen über die Föderation und ihren militärischen Apparat zu liefern. Nichts davon ist allerdings der Fall. Er ist mir gänzlich unbekannt und verweilt, meines Wissens nach, an einem Ort, den ich nicht mehr aufzusuchen gedenke - ein Hochsicherheitslager für Kriegsgefangene. Man hat versucht, mir zu verdeutlichen, dass es eine... moralische Problematik darstellt, dass sich in meiner Tochter das Blut dieses Mannes mit dem meinen vermischt. Moralisch, da es sich bei ihm um einen Feind der Föderation handelt... und es wurde versucht, es mit den Fhoi Myhore und den Mag Tuireadh zu vergleichen. Doch dieser Vergleich hinkt, wie man hier vor Ort sagt, was bedeutet, dass zwei Dinge zwar auf den ersten Blick vergleichbar erscheinen, aber bei näherer Betrachtung doch zu viele Differenzen voneinander aufweisen, um sie tatsächlich vergleichen zu können. Eine Paarung mit den Mag Tuireadh ist nicht allein deshalb verwerflich - um nicht zu sagen, unmöglich - weil sie unsere Feinde sind, sondern weil sie ihre eigene DNA zu sehr kompromittiert haben. Durch die animalische DNA, die in ihnen reift, wäre es eine tatsächliche genetische Verunreinigung des Genpools der übrigen Trauerfamilien. Das ist bei meiner Tochter allerdings keineswegs der Fall. Der Romulaner, der Eyvah gezeugt hat, ist vollkommen kompatibel mit meinem genetischen Code und bereichert demnach sogar das Genom unserer Spezies."
Erneut hielt sie inne. Diesmal allerdings, weil das kleine Mädchen, über das sie die gesamte Zeit über gesprochen hatte, leise Töne erklingen ließ und langsam die blauen Augen öffnete. Sie streckte die Händchen aus, verzog das Gesicht und gab leise, weinerliche Laute von sich bis Sua'Lamith sie aufnahm und an ihrer Brust barg, um sie zu füttern. Dabei sprach sie weiter, da sie wusste, dass der Ton ihrer Stimme so oder so beruhigend auf die Kleine wirkte, ganz gleich, was der Inhalt ihrer Worte war. "Doch es wäre vermessen und fehlerhaft zu behaupten, dass ich hauptsächlich mit Aversionen gegen mich zu kämpfen hätte. Tatsächlich sind die Sternenfahrer ausgesprochen gastfreundliche Wesen, die sich bemühen, mich als Fremde in ihre Welten, Ansichten und Traditionen zu integrieren. Ich gebe zu, dass besonders das Konzept von Humor und Ironie noch immer das am schwierigsten zu greifende Element ihrer Kultur darstellt und dass ihr nie endender Schatz an Sprichwörtern, Spitznamen und Reimen mich nach wie vor vor enorme Herausforderungen auf kommunikativer Ebene stellt, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich inzwischen als Teil der Defence Forces. Nicht zuletzt durch gute Kollegialität und vor allem durch eine Freundschaft, die sich für mich in den letzten Monaten entwickelt hat." Langsam und ruhig schaukelte Sua'Lamith in ihrem Stuhl vor und zurück. Das Baby in ihren Armen trank friedlich. "In Lieutenant Amira Wescott, der Leitenden Ingenieurin des Shepard Space Centers, fand ich durch unseren gemeinsamen... Enthusiasmus bezüglich Technik und ihrer Weiterentwicklung eine Freundin, wie ich sie nicht zu finden dachte an diesem Ort. Technikaffin sind hier natürlich noch viele andere Mitarbeitende, aber in keinem von ihnen habe ich bisher so viel Potential und Ehrgeiz entdeckt wie in Amira Wescott. Zwar ist auch ihr Wissen noch immer auf die Standardtechnik der Sternenfahrer begrenzt, da sie in diesem geschult wurde, aber sie ist bisher die einzige Sternenfahrerin, die ich für eine geeignete Kandidatin halten würde, um auf Da'Dana'Han ihre Studien fortzusetzen. Dies ergibt sich für mich aus drei Dingen, die sich in ihr vereinen: Enormes Talent im Bereich Technik, ein eidetisches Gedächtnis, wie es die Fhoi Myhore von Natur aus besitzen, sodass es ihr leichter fallen würde, die l'lal'lorianischen Gesetze bezüglich des Schreibverbotes umzusetzen und ein grundlegendes, starkes Interesse bezüglich unserer Lebensweise und unserer Traditionen. Ein besonderer Beweis des Letzteren ergibt sich für mich vor allem daraus, dass sie zugestimmt hat, Eyvahs Zeugin der Wasser zu sein. Es wäre mir entsprechend ein Bedürfnis, eines Tages mit ihr nach Da'Dana'Han zu reisen, um ihr meine Heimatwelt zu zeigen und sie dort für Studium und Austauschdienst zu empfehlen, was durch meinen Rang vor Ort das entsprechende Gewicht haben würde. Zu meinen Andeutungen dahingehend hat sie sich bereits positiv geäußert und ich hoffe sehr, dass ich diesen Plan eines Tages mit ihr gemeinsam in die Tat umsetzen kann. Ich bin sicher, sie würde enorm davon profitieren und zu einer der besten, wenn nicht gar der besten Ingenieurin der Sternenfahrer werden."
Die Fhoi Myhore erhob sich nun behutsam von ihrem Stuhl und legte das schlafende Kind zurück in die Wiege, wickelte es gründlich in sein Felldeckchen ein und trat ans Fenster heran. Das helle Haar ergoss sich wie ein goldener Schleier über Schulter und Rücken, als sie mit der gänzlich natürlichen Anmut ihrer Spezies voran ging. Sie richtete den Blick aus leuchtend blauen Augen auf den Planeten unter sich aus. Auriga II.
"Dies waren die beiden persönlichen Dinge, die ich zu berichten hatte. Fahren wir fort mit zwei Umständen, die mich besonders im kulturellen Bereich beschäftigt haben", nahm sie den Faden wieder auf, während ihr Blick weiterhin auf den Planeten gerichtet blieb. "Dies sind zwei Angriffe... zum einen der Angriff der Mag Tuireadh auf die Fhoi Myhore-Kolonie auf Mykal II, der bereits eine Weile zurückliegt und zum anderen ein Angriff auf das klingonische Haus Tron'Jenar auf Auriga II, der Anfang des Jahres geschah und für den das Klingonische Empire verantwortlich war. Zunächst möchte ich von Mykal II sprechen." Sie hob den Blick hoch zu den Sternen. "Wichtig ist zu wissen, dass ich selbst nicht vor Ort war, als der Angriff geschah. Ich hörte erst davon, als es vorbei war und war nicht überrascht zu erfahren, dass sie die gesamte Kolonie dem Erdboden gleich gemacht haben. Über 20 Zeiten des Regens meines Lebens habe ich dem Krieg mit den Mag Tuireadh gewidmet und eine lange Zeit in ihrer Gefangenschaft verbracht Ich kenne ihre Wege. Es erfüllt mich darum allerdings nicht weniger mit Trauer, was dort geschehen ist, denn es war der nächste Anlaufpunkt für mich und all die Fhoi Myhore, die mit mir hier auf dem Shepard Space Center stationiert sind, der an ein Abbild von Heimat erinnerte. Nun sind wir hier ohne diesen Anlaufpunkt, denn trotz der intakten Transwarp-Technologie beträgt die Reisezeit nach L'Lal'Loria immer noch etwas mehr als 20 Tage. Gerade in Bezug auf Eyvah hätte ich es begrüßt zu wissen, dass eine Kolonie der Fhoi Myhore in direkter Nähe zu uns gewesen wäre, denn auch wenn ich wünsche, dass sie als Bürgerin der Föderation aufwächst, so ist es doch nicht minder notwendig und wünschenswert, dass sie auch lernt, eine gute Fhoi Myhore zu sein. Die Kolonie hätte dabei eine große Unterstützung gewährleisten können. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass sie wieder aufgebaut und neu besiedelt wird, diesmal mit massiverem Schutz von Seiten L'Lal'Lorias versehen. Mir sind die Pläne der Königlichen dahingehend unbekannt und ich bin nicht vermessen genug, sie in Erfahrung bringen zu wollen. Sie werden tun, was sie für richtig halten und es wird das Beste sein, was getan werden kann. Denn das Wort der Königlichen ist wahr. Sela Arrush." Die Formel aller Formeln auf ihrer Welt. Sela Arrush. Ähnlich dem Amen in einer Kirche belegte es eine Aussage mit Nachdruck und Glauben, der Gewissheit dessen, dass sie in ihren Grundfesten wahr und festgeschrieben war. So wie es ihr Vertrauen in die Fomorii und in ihre Weisheit war, sie, ihre Spezies und ihre Welt auf dem rechten Weg zu lenken. "Vor allem aber bin ich durch den Angriff auf Mykal II zum ersten Mal mit der Frage der richtigen Art der Trauer in meinen gegenwärtigen Lebensumständen konfrontiert worden. Natürlich galt es, als Fhoi Myhore um die zu trauern, die die Mag Tuireadh getötet hatten. Bei den Opferzahlen, die es gab, wäre auf Da'Dana'Han eine Woche lang gesungen worden. Sie hätten prachtvolle Schreine für die Toten errichtet..." Sua'Lamith schloss die Augen. Ein fast träumerischer Ausdruck legte sich auf ihr elfengleiches Gesicht. "... und die herrlichen Stimmen der Trauersängerinnen hätten die Lüfte und hohen Räume der Trauerhallen erfüllt und die Tränen des trauernden Volkes wären zu Wassern von Trauer und Leben verschmolzen in der Schönheit und Erhabenheit des Angedenkens..." Sua'Lamith schluckte und nahm sich ein wenig zusammen. Immerhin ging es hier darum, ein Logbuch auf den neusten Stand zu bringen. Sehnsucht und Nostalgie hatten darin nichts verloren. Sie räusperte sich leise. "Dies war... hier natürlich nicht möglich. Mit Hilfe von Lieutenant Wescott, die das Schreiben übernahm, das mir verboten ist und zu dem man für gewöhnlich zum Mondvolk gehen würde, gelang es mir allerdings, einen Schrein für die Opfer von Mykal II zu errichten und Fleet-Admiral DeLassal war freundlich genug, mir zu gestatten, diesen für eine Weile aufzustellen. Zwar gab es hier keine Trauerlieder, die gesungen wurden, aber es gefällt mir zu glauben, dass es sie auf L'Lal'Loria gab. Was mich zum letzten Punkt des heutigen Eintrags bringt... dem Angriff auf Tron'Jenar."
Nun leuchteten Sua'Lamiths Augen auf. Glücklicherweise war sie allein, denn vermutlich würde fast jeder Föderative, der diese Reaktion beobachtet hätte, sie für seltsam oder gar bösartig halten dafür, dass sie offenbar Freude empfand über ein so schreckliches Ereignis. "Es ist das erste Mal, dass ich kollektive Trauer und ihre Zelebration innerhalb der Kultur der Sternenfahrer erlebe und obwohl viele Dinge sehr anders gehandhabt werden, als es auf Da'Dana'Han der Fall wäre - was aufgrund der Verschiedenheit unserer Kulturen nur allzu verständlich ist - habe ich doch eine Sache nun vermehrt vernommen: Es wird ein Konzert geben zu Ehren der Toten. Diese Ankündigung hat mich enorm überrascht. Es ist das erste Mal, dass ich bei den Sternenfahrern von Konzerten dieser Art gehört habe. Denn obwohl die Musik sie in allen möglichen Lebenslagen begleitet, so schien es doch nie so, dass ein Konzert ihrer Art der Trauerrituale entsprechen würde. Soweit mir bekannt ist, ist diese Veranstaltung frei zugänglich und da es sich um Lieder zum Totengedenken handelt, widerspricht es den Regeln meiner eigenen Welt nicht, wenn ich diesem beiwohne. Ganz im Gegenteil ist es sogar das kulturell Nächste an dem, was meiner eigenen Kultur entspricht, was ich bisher in Eigenregie von den Sternenfahrern erlebt habe. Ich kann also sagen, dass ich mit gespannter Erwartung auf den Tag dieses Konzertes warte und darauf hoffe, ein Stück Heimat zu finden... auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass die Art der Musik und die Gestaltung des Konzerts höchstwahrscheinlich sehr anders sein werden als es unsere Trauergesänge sind. Aber solche Kompromisse und das Gefallen finden an kleinen Dingen gehört unbedingt mit zu der Geisteshaltung, die man benötigt, will man in der Fremde ein Leben aufbauen. Und das will und werde ich nach wie vor tun. Ich werde nach dem Konzert erneut berichten, was ich erlebt habe. Logbuch Ende."