Die Farben im Schatten

  • Isleen sah Adina nach, als diese, mit der kleinen Khaliesi auf dem Arm, ihren Turm verließ, in dem sie sich durch Adinas Einwirken beim Epetai eine Wohnstatt hatte einrichten dürfen. Diese Behausung war in vielerlei Hinsicht perfekt für sie. Als ehemaliger Wachturm lag sie am Wasser, was das Herz einer jeden Fhoi Myhore ein wenig höher schlagen lassen würde. Aber besser noch war es, dass der Turm hoch genug war, um ihr die Möglichkeit zu bieten, ihre Umgebung jederzeit im Auge haben zu können. Bis weit in den Wald hinein konnte sie Adinas Weg verfolgen, den sie in Richtung der einstigen Zuflucht beschritt, in der heute Isleens ehemalige Herrin, die Hohe Dame Lavernis Ad'Malay, mit ihrem Gefolge sowie Adina und Dara'Jan mit Khaliesi lebten.

    Sie hatte es tatsächlich getan. Hatte es tatsächlich durchgezogen und Prinzessin Dara'Jan von Tron'Jenar geheiratet. Damit war Adina die erste Bewohnerin L'Lal'Lorias - und ganz bestimmt die erste Fomorii! - die den lebenslangen Bund der Sternenfahrer eingegangen war, um sich mit Körper und Geist für immer dieser einen Person zu verschreiben. Isleen klingelte es noch immer in den Ohren, wenn sie nur an das Fest dachte. An die laute Musik, das Gröhlen der Krieger, das Lachen der Mädchen, die Krüge voller Wein, die hart auf festes Holz geschlagen worden waren. Bei der Erinnerung daran verzog sie widerwillig das Gesicht. Was fand sie nur an ihnen? Sie selbst würde es nie begreifen können, wie sich eine elegante Schönheit wie Adina, die aus einer alten, edlen Mondvolk-Familie stammte und als Fomorii hohes Ansehen auf L'Lal'Loria genoss, so sehr für ein Haus der barbarischen Klingonen begeistern konnte. Nicht, dass Isleen die Vorteile Tron'Jenars nicht sehen konnte. Durchaus tat sie das. Es lebte sich hier deutlich freier als je auf Da'Dana'Han. Aber Adinas Hingabe konnte sie nicht teilen - schon gar nicht die zu Dara'Jan.

    Isleens Abneigung gegen die Tron'Jenar-Prinzessin war für niemanden ersichtlich. Wann immer sie sich begegneten war Isleen vorzugsweise still. So es doch zu einem Gespräch kam blieb sie stets höflich, wenngleich recht nichtssagend. Sie achtete auf Daras Wohlergehen, wie sie auch auf das ihrer Herrin und das der kleinen Khaliesi achtete. Ganz so, wie Adina es wünschte und sie wäre im Leben nicht dumm genug, sich etwas anderes anmerken zu lassen. Geschweige denn, es laut zu sagen. Sie hatte zu lange unter der Knute der Hohen gestanden, um nicht zu wissen, wie man den Mund hielt. Fehltritte auf L'Lal'Loria bedeuteten den Tod und auch Adina wäre am Ende des Tages nicht gnädiger, würde sie sie wirklich in der Tiefe kränken. Isleen wusste aus erster Hand, dass Adina nicht weniger grausam war als alle anderen Fomorii. Tatsächlich gehörte sie sogar mit zur grausamsten Art, auch wenn sie es vortrefflich zu verbergen wusste vor... nun ja... Leuten wie Dara'Jan. Oder deren Familie. Oder ihren Freundinnen. Sie alle kannten Adina nicht. Glaubten nur, sie zu kennen. Dara'Jan war den ewigen Bund mit einer Frau eingegangen, die sie nur zur Hälfte kannte. Sie allerdings - Isleen - hatte Adina in ihren gnädigsten und ihren grausamsten Stunden gesehen und wusste sehr genau, welche Herzen in der Brust ihrer Herrin und Freundin schlugen. Und dennoch liebte sie sie - so wie es eine Fhoi Myhore eben vermochte.


    All diese Gedanken glitten ihr durch den Sinn, während sie noch am Fenster stand und Adinas Weg durch den Wald mit den Augen verfolgte. Den größten Schatz trug sie dabei in den Armen. Khaliesi würde sie dereinst alle überragen. Es war ihr ebenso klar wie Adina, da diese ihr Wissen mit ihr geteilt hatte. Und erst als ein Geräusch hinter ihr auftönte, drehte sie sich halb um und sah zu ihrer kleinen Tochter. Rhaeynis war die perfekte Ash'Koach. Das kleine Mädchen war von so heller Haut, so weißem Haar und so klaren Augen, dass es beinahe schon unwirklich schien. Isleen hatte keine Ahnung, welcher der Fomorii es gewesen war, der letztendlich seine Saat in sie gepflanzt hatte, um dieses Kind zu zeugen, aber sie war überzeugt davon, dass er vor seiner Wandlung ebenso ein Angehöriger des Sternenvolkes gewesen sein musste wie sie selbst es war, um ein solch bezeichnendes Mädchen zu empfangen.

    Das Kind krabbelte über den weichen Teppich des Turmzimmers hinweg und erhaschte mit den eifrigen Händchen das Leder des Sessels, in das sie ganz ungeniert die Fingerchen hineingrub. Unter leisem Ächzen, viel Ziehen und Mühen, aber auch mit absolut eisernem Willen, stemmte sie sich schließlich auf die wackligen Beinchen. Isleen hielt einen Moment lang den Atem an und beobachtete sie. Sie sah, wie instabil das Ganze noch war und sollte sie den Halt verlieren, würde es sofort wieder abwärts gehen, aber Rhaeynis war nach Föderationszeit kaum vier Monate alt und auch wenn l'lal'lorianische Kinder sich schneller entwickelten als föderative, so war es dennoch früh, dass sie begann, sich an Gegenständen hochzuziehen. Triumphierend blitzte es in Isleens Augen auf, als sie langsam näher heran ging. Gerade als ihre Tochter Kraft und Koordination ausging und sie wieder einknicken wollte, hielt sie sie fest und hob sie hoch in ihre Arme. "Meine kleine, silberne Löwin...", flüsterte sie ergriffen und hob sie noch ein wenig höher, über ihren Kopf hinweg. Voller unbändigem Stolz betrachtete sie sie. "Du wirst sie einmal alle das Fürchten lehren, meine Rhae...", flüsterte sie und das Funkeln in ihren Augen bekam einen regelrecht manischen Zug. "Du wirst an Khaliesis Seite stehen, wenn die Zeit kommt... und du zeigst jetzt schon, warum es so sein wird, meine starke, wunderbare Tochter..." Und während sie diese Worte noch raunte, ließ sie Rhae wieder ein wenig hinab und schmiegte sie in ihre Arme, küsste die weiche Haut und das flaumige, weiße Haar. "Der Tag wird kommen... alles, was wir uns wünschen, ist auf der anderen Seite der Furcht", flüsterte sie und wiederholte damit Worte, die sie schon früher einmal gehört hatte - und doch erst in der Zukunft wieder hören würde.

    Langsam setzte sie sich auf dem Sessel nieder, an dem Rhae eben noch gestanden hatte, beugte sich vor und griff nach einer Frucht, die die Sternenfahrer Banane nannten und die sowohl sie als auch Rhaeynis ausgesprochen gerne mochten. Sorgsam schälte sie diese, brach ein Stück des weichen Fruchtfleischs ab und reichte es Rhae, die bereits gierig die kleinen Händchen danach ausstreckte. Längst schon war sie nicht mehr nur mit Milch zufrieden und Isleen sollte es recht sein. Sie konnte nicht früh genug wachsen und stark werden. "Tante Adina wird stolz auf dich sein", flüsterte sie ihr zu, als erzähle sie ihr ein wichtiges Geheimnis und biss von ihrem eigenen Stück Banane ab. "Und das wollen wir doch, nicht wahr? Oh, sie wird dich sehr lieb haben... und Khaliesi auch. Wir werden ihnen immer dienen, du und ich. Wir haben sehr viel Glück, weißt du das, meine kleine Löwin?" Sie wiegte das kleine Mädchen, das eifrig das Obst in ihrer Hand zerknatschte und sich den Brei leise gurrend in das Mündchen schob. "Du wirst nie erleben, was ich erlebt habe. Du wirst nie erdulden, dass sie dich zu Boden treten und wenn ich Dara'Jan dafür noch hundert Jahre lang den Staub von den Schuhen wische und ihr Lachen, ihr lautes Wesen und ihre Grobschlächtigkeit ertrage. Sie ist unwichtig, hörst du? Einzig Adina und Khaliesi zählen in diesem Spiel. Dara'Jan wird schnell genug ihren Platz kennen lernen, wenn es soweit ist. Sie ist keine Fomorii, mag sie noch so sehr DNA des Lebens in sich tragen. Aber du, meine silberne Schönheit, wirst in Sicherheit sein. Das verspreche ich dir. Sela Arrush."

    Zufrieden über ihre eigene Gewissheit über ihre Rolle in diesem Spiel und darüber, dass sie das Können hatte, um sie hervorragend zu spielen, sah sie erneut aus dem Fenster. Von ihrer Position aus konnte sie nicht viel mehr sehen als den sich langsam verdunkelnden Himmel und sie lehnte sich entspannt zurück, den letzten Bissen der süßen Frucht in ihrem Mund zergehen lassend. "Uns erwartet ein goldenes Zeitalter...", flüsterte sie noch verträumt und dann kam Leben in sie. Sie nahm ein Tuch, wischte Rhae die Bananenreste vom Gesicht und stand dann behände auf. "Und jetzt spielen wir miteinander, bevor du zu müde wirst, kleine Löwin... Sela Arrush?" Beschwingt trug sie sie hinab in den großen Spielbereich, in dem die beiden kleinen Mädchen bereits den halben Tag in seligem Zeitvertreib verbracht hatten. Doch jetzt musste Rhae auf ihre Kameradin verzichten - also musste Isleen wohl einspringen. Und sie tat es mit Freuden. Es wurde Zeit, gemeinsam Türmchen zu bauen und sie dann einträchtig wieder kaputt zu machen!

    Prinzessin Isleen Halya'NetH Vhagar Tai Tron'Jenar

    Mutter von Rhaenys, Lucerys und Visenya

    Herrin der Feste Tron'Jenar



    Bleib' nicht auf ebnem Feld!

    Steig nicht so hoch hinaus!

    Am schönsten sieht die Welt

    von halber Höhe aus.