Mädchengeflüster in Japan

  • Iman'Dra befand sich noch in ihren Räumlichkeiten an diesem frühen Morgen auf Tron'Jenar und war gerade dabei, sich selbst dazu zu überreden, sich für den Tag bereit zu machen. Sie war spät dran für ihre Verhältnisse, aber die vergangene Nacht war lang gewesen, da sie all die Handwerker, Zimmerleute und sämtliche anderen Helfer, die bei den groben Arbeiten an der Feste beteiligt gewesen waren, eingeladen und mit ihnen gefeiert hatte. Nur eine kleine Zusammenkunft. Ein großes Fest für den Wiederaufbau Tron'Jenars würde es erst geben, wenn die Prinzessinnen von ihrer Reise zurück kommen und die Familie damit wieder vollständig sein würde. Ein freudiger Tag, auf den sie bereits wartete. Es würde gut sein, sie alle wieder hier zu haben.

    Und so lag sie noch in den warmen Fellen des eigenen Lagers und sinnierte darüber nach, warum sie den durchaus ansehnlichen Baumeister eigentlich hatte ziehen lassen letzte Nacht. Bedauerlich. Sie musste schon zu betrunken gewesen sein, um ihm klar zu machen, dass er es sich durchaus in ihrem Bett hätte bequem machen dürfen. Sie hatte seine Blicke gesehen und wusste, er wäre nicht abgeneigt gewesen. Wo waren die Tage hin, in denen Krieger sich einfach versucht hatten zu nehmen, was sie wollten, wenn sie die Antwort hatten vertragen können? Ein richtiger Krieger, der nicht vor dem Titel der Herrin der Feste oder der Schwester des Epetai zurückschreckte, sondern seinem Instinkt und Trieb folgte und nachsah, ob die Frau mit dem großen Titel nackt noch genauso unnahbar war wie in Rüstung? Sie seufzte. Alles musste man selber machen. Selbst die Männer zu sich einladen. Es war eine Schande.


    Und als habe Kahless sie gehört und wolle sie necken für ihre Gedanken, stürmten plötzlich zwei junge Männer johlend die Tür zu ihrem Schlafzimmer. Viel zu junge Männer für das, wonach ihr gerade der Sinn gestanden hatte! Sie zuckte tatsächlich zusammen, da es eine Weile her war, dass kreischende Kinder durch diesen Teil der Feste getobt waren. Die letzten waren Dara'Jan und Khi'LeisaH gewesen, was inzwischen Jahre zurück lag. Inzwischen waren fast beide Kriegerinnen und somit erwachsene Frauen.

    Sie holte einmal tief Luft. "LES, VLN!", donnerte ihre vollmundige, dunkle Stimme dann von den Mauern wider und dieser klingonische Aufruf, der im Wesentlichen hieß, dass ihr Neffe Ruhe geben sollte, ließ die beiden Jungs ähnlich zur Salzsäule erstarren wie es vorhin auch ihre Schwägerin mit dem Befehl der Forces zu tun verstanden hatte. "Was soll dieser Lärm, hmm?!", fuhr sie gespielt griesgrämig fort und setzt sich im Bett auf, wobei das lange, dunkle Haar ihr über Schultern und Rücken hinab wallte und die Jungs auch durchaus den nackten Oberkörper der Kriegerin zu sehen bekamen, die gar nicht einsah, bekleidet zu schlafen nur für den Fall, dass solch kleine Männer morgens einfallen könnten. Und die obendrein auch wenig Probleme in Nacktheit sah und nicht vorhatte, diese durch Felle zu verbergen wie eine schüchterne Jungfer. Ob Mann, Frau oder Kind, wer unangekündigt in ihre Räume kam, hatte mit dem zu leben, was er oder sie vorfand. Außerdem würden die beiden in ihrem Leben noch genügend nackte Frauen sehen. Es war nie zu früh, um sich daran zu gewöhnen. Streng sah sie die Jungs an, wobei dieser eine, erhobene Mundwinkel, um den es dezent zuckte, ihre burschikose Art Lügen strafte. Sie musterte ihren jungen Neffen und seinen Freund, den kleinen Tokusawa-Jungen, der nun schon eine ganze Weile mit ihnen in der Feste wohnte. Auf Besuch, wie Iman'Dra annahm. Wenn nicht, auch gut. Adina war auch irgendwann von einer Besucherin fließend zur Bewohnerin der Feste geworden.

    "Nun?" Sie streckte eine Hand gen Arju'Tai aus und sah ihn auffordernd an. "Gibst du deiner Tante keinen Kuss, wenn du schon ohne zu klopfen hier reinstürmst am frühen Morgen? Und sagst ihr dann, was du hier zu suchen hast, loQ nIHwI?" Ihr kleiner Räuber, wie sie ihn gerade genannt hatte. Ein prachtvoller Junge. Auch sie wäre durchaus stolz auf einen solchen Sohn gewesen, wenngleich sie natürlich ihre Tochter liebte. Aber Kahless hatte anders entschieden. Kein Sohn für sie. Es grämte sie nicht. Dafür hatte sie den kleinen Arju'Tai, um den sie sich kümmern konnte. Und selbstverständlich wusste sie, was heute für ein Tag war und warum der kleine Rabauke wohl hier war. Aber er konnte ruhig selber damit herausrücken, da sie ihm ohnehin ansah, wie sehr er darauf brannte, ihr zu erzählen, warum er mit seinem Freund hergekommen war.

    Iman'Dra Tai Tron'Jenar
    Herrin der Feste


    "There is much to be learned from beasts."


    "All we are, all we are, we are. We are all, all we need."


    "The princess, she is a river filled with tears of sadness and heartbreak."

  • Als ImanDra anfing so laut zu brüllen, standen beide tatsächlich für einen Moment ganz still, ehe Arju'Tai anfing sich zu bewegen und gespielt auf Zehenspitzen weiter lief. Die beiden Jungs kicherten leise und blieben irgendwann wieder stehen. „Dara hat gesagt, dass hier was für mich ist..und ich soll das holen bevor wir schwimmen gehen!“ antwortete er artig, aber mit einem Grinsen. Als seine Tante sich aber dann aufsetzte und nichts anhatte, verzog er zeitgleich mit Hikaru das Gesicht, der sich die Hand vor die Augen schlug. Arju'Tai tat kurz dasselbe und schüttelte den Kopf.


    „Wäähh“ gab er gackernd von sich. Er mochte seine Tante lieber angezogen, aber er war ja auch noch klein und Jungs in dem alter waren nun mal albern, was das betraf. Doch irgendwann wurde ihm das auch zu langweilig und er flitzte rasch zu ihr rüber, um ihr einen Schmatzer auf die Wange zu drücken. „Dara hat angerufen! Und Dadina ruft später an!“ gab er mit stolz geschwellter Brust von sich. „Cool, oder?“ Er legte den Kopf leicht zur Seite und strahlte ImanDra fröhlich an.

    Menschen die oft verletzt wurden sind gefährlich, weil sie wissen wie man überlebt. Spiele nie mit mir, denn ich weiß wie gespielt wird! Und wenn Du denkst, Du hast gewonnen.....

    stehe ich irgendwann hinter dir und flüstere Dir leise ins Ohr....


    GAME OVER!

  • "Wäähh? Was soll das heißen... 'Wäähh'?!", empörte sich Iman'Dra gespielt. "Um das hier zu sehen, wurden schon Kämpfe ausgetragen, ihr kleinen Banausen! Ein Krieger sagt nicht 'wäähh' und versteckt sich vor dem Anblick einer Kriegerin! Aber, naja... irgendwann seid ihr, so Kahless es will, alt genug, um das besser zu verstehen." Diese klingonische Lebenslektion hatte jedoch sein müssen - immerhin hatte der Kleine reichlich Potential, um ein ordentlicher Krieger zu werden! Schmunzelnd nahm sie dann den Kuss in Empfang, während sie sich gleichzeitig anhörte, was der junge Prinz ihr zu berichten hatte. "Ah. Dara'Jan hat dich angerufen, lu?" Gutes Mädchen. Auch in der Ferne vergaß sie nie die Familie. "Gib mir das", sagte sie nebenbei und deutete auf einen langen Überwurf aus grün gefärbtem Leder, der achtlos über einen Stuhl geworfen und infolgedessen daran herab gefallen war und nun wenig dekorativ um das Bein des Stuhles herum drapiert lag. Als Arju'Tai ihrem Wunsch nachgekommen war, zog sie es zumindest schon einmal grob über, sodass die beiden jungen Herren wieder beide Augen benutzen konnten.

    "Soso... deine Kusine ruft dich also an und ihre Liebste später auch noch... warum war sie nicht dabei? Hat Dara sie oder sie Dara aus dem Schlafzimmer geworfen?", lachte sie ein wenig rau, wobei sie freilich gleichzeitig hoffte, dass nichts dergleichen wirklich passiert war und sie auch nicht davon ausging, dass es so war. Im Gegenteil war die Beziehung ihrer Tochter mit Adina und deren... Intensität ein konstanter Faktor für allgemeine, stille, liebevolle Belustigung. A-Hörnchen und B-Hörnchen.

    Iman'Dra verwarf den Gedanken und die Frage allerdings quasi zeitgleich, da es den kleinen Jungen vor ihr sicherlich keinen Deut interessieren dürfte, wer warum aus wessen Schlafzimmer geworfen worden war oder auch nicht. Stattdessen zog sie ihn, nun halbwegs bekleidet, mit einem schnellen Griff auf das Bett hinauf. "Und sie sagt, ich hab was für dich hier? Warum sollte ich? Etwa, weil der junge Prinz Geburtstag hat?" Sie lächelte nun ein ehrliches Lächeln, zog ihn in ihren Arm hinein und gibt ihm einen Kuss auf die Stirn. "Alles Gute, Kind... möge Kahless dich beschützen in deinen Kindertagen, dir begegnen in deiner Weihe und dir Kraft und Stärke schenken, wenn du einst ein Krieger bist", wünschte sie ihm, wissend, dass sie ein wenig vorgriff. Noch war er klein. Aber er würde nicht ewig ein Junge sein und im nächsten Jahr konnte er bereits die erste Jagd durchlaufen und das Fett der Beute nutzen, um die Kerze selber herzustellen und die Flamme zu entzünden, die von diesem Tag bis zum Tag seiner Kriegerweihe brennen würde. "Und jetzt komm! Schauen wir, was ich für dich finde!" Sie gab ihm einen kleinen Klaps, um ihn dazu zu animieren, von ihrem Bett zu springen, schlug selber das Fell zurück und stand auf, wobei der Überwurf sie immerhin bis zu den Knien bedeckte. Für den Moment reichte das.


    Iman'Dra scheuchte die beiden Buben ins Nebenzimmer, ihren kleinen, persönlichen Wohnraum, in dem sie sich kaum aufhielt, aber diverse Sachen dort aufbewahrte, die ihr am Herzen lagen. Wie immer, wenn sie hier hereinkam, wanderte ihr Blick einen Moment lang zu der Vitrine, in der, in schweren Samtstoff eingeschlagen, seit Jahren die schwarze Klinge Kilgorin schlummerte. Henrys letztes Schwert, in das er all seine verbliebene Macht eingeschlossen hatte, bevor er ihr schlussendlich abgeschworen hatte und das nur sein eigenes Blut führen konnte. Dara'Jan würde es bald bekommen... es waren nur noch Monate bis zu ihrer Kriegerweihe. Welch ein surrealer Gedanke, dass dieses Schwert, das seit sechszehn Jahren in einer Vitrine ruhte, tatsächlich geschwungen werden würde.

    Doch sie hatte heute nicht die Zeit, sich näher damit zu beschäftigen, da die beiden jungen Herren ihre Aufmerksamkeit forderten. "Na, dann schauen wir mal, ob ich wiederfinde, was Dara mir hier gelassen hat...", meinte sie gespielt nachdenklich. Freilich wusste sie ganz genau, wo die Geschenke ihres Neffen standen. Aber es schadete nichts, den jungen Prinzen ein wenig zappeln zu lassen.

    Sie schmunzelte über die vor Spannung verzerrten Gesichter der Kinder, als sie schließlich vor einem der Schränke in die Hocke ging, die untere Tür öffnete und umsichtig wohl das Aufwändigste und Schönste herausholte, was ihre Tochter bisher je geschnitzt hatte. Sie wusste, dass sie bereits im letzten Jahr mit diesem Projekt begonnen hatte, um es zu Arju'Tais Geburtstag fertig zu haben und glücklicherweise hatte es während des Angriffs keinen Schaden genommen. Sachte stellte sie es vor den Jungs auf dem kleinen Tisch ab, sodass sie es betrachten konnten. "Dara'Jan sagte, du kennst die Geschichte von diesem Schiff und den Figuren... aber sie hat dir auch einen kleinen Brief dazu geschrieben", meinte sie noch sachte und legte diesen zu dem Geschenk.

    Arju'Tai und Hikaru bekamen ein Holzschiff zu sehen, das vielleicht einen halben Meter Länge und etwa zwanzig Zentimeter Breite aufwies, allerdings recht hoch war, da auf dem Schiff selber noch einmal ein hübsches Haus geschnitzt worden war mit allem Drum und Dran. Fensterläden, zwei Stockwerke, sogar ein Kamin und Dachbalken für Möwen und Eulen, die darauf saßen. Denn es war nicht nur das Schiff und das Haus darauf, das Dara säuberlich gearbeitet und angemalt hatte. Nein, dazu gab es allerhand Figuren, mit denen es sich sicherlich schön spielen ließ: Giraffen, Nashörner, Schweine, Ziegen, Zebras, Hasen, Stinktiere und diverse Vögel. Immer zwei von jeder Sorte. Dazu die Figur eines Mannes mit langem Bart und ausgebreiteten Armen - Noah auf seiner Arche und seine Tiere dazu.

    Und während die beiden Kleinen dies noch bewundern durften, wandte sich Iman'Dra bereits ab, um auch ihr Geschenk für den jungen Prinzen hervor zu holen. Nachdenklich wiegte sie es einen Moment in der Hand, noch außerhalb der Sichtweite des kleinen Empfängers. Eine schöne Arbeit, sie war zufrieden damit. Und nach allem, was geschehen war mit Arju'Tai, empfand sie es als ein gutes und würdiges Geschenk. Sie hatte über eine Klinge nachgedacht. Verdient gehabt hätte er es sich wohl. Aber selbst ihr, die sehr dafür einstand, denen Klingen zu geben, die sie das Recht verdient hatten, sie zu tragen, erschien das Kind noch ein wenig zu jung dafür. Im nächsten Jahr mochte das schon anders aussehen, aber für jetzt würde das reichen, was sie sich erdacht hatte, um ihm ein Gefühl des Erwachsenseins und der Ehrung zu geben. Die Kriegerin stand auf, ging erneut zu dem Tisch zurück und stellte nun darauf, was sie in der Hand hielt. "Und das, mein junger Prinz, ist mein Geschenk zu deinem Ehrentag."

    Arju'Tai konnte einen durchaus ordentlichen Humpen erkennen, den seine Tante da vor ihn hingestellt hatte. Aus gutem Stahl gearbeitet und mit allerhand Symbolen verziert, wirkte er keineswegs weniger prunkvoll als die Trinkkrüge der erwachsenen Mitglieder der Familie. Im Gegenteil war dieser ganz besonders schön, denn neben den Symbolen prangte prominent ein aus Harz gearbeitetes Bild eines weißen Wolfes auf blauem Hintergrund auf dem Gefäß. Iman'Dra lächelte den Jungen sanft an. Ein Ausdruck, den man an ihr eigentlich nur sah, wenn sie mit Kindern zu tun hatte. "Damit du nicht mehr bei den anderen Kriegern Blutwein stibitzen gegen musst. Du hast gesehen, dass dir das nicht gut bekommen ist, lu? Das hört jetzt auf... denn jetzt hast du deinen eigenen Blutweinkrug und heute Abend, wenn du wieder da bist, werden wir mit der Familie auf deinen Geburtstag anstoßen und du wirst ihn einweihen, tIqwIj... lu?"

    Iman'Dra Tai Tron'Jenar
    Herrin der Feste


    "There is much to be learned from beasts."


    "All we are, all we are, we are. We are all, all we need."


    "The princess, she is a river filled with tears of sadness and heartbreak."

  • Dara'Jan schaute eifrig aus dem Fenster des Raumschiffes ihrer Kusine Ssihanna. Nach nun mehr fast vier Monaten, die sie in Japan unterwegs gewesen waren, kehrte die Gruppe nach Hause zurück. Oder vielmehr... sie und Adina. Denn die Gruppe hatte sich ein wenig aufgelöst. Asuka war in Japan verblieben und würde dort ihren Saigoku, ihren Pilgerweg, zu Ende gehen. Khi'LeisaH hatte sie quasi gleich zu Beginn der Reise schon verlassen und war zu ihrem Freund Ashitaka nach Kanada verschwunden, wo sie eine Rundreise gemacht hatten, soweit Dara informiert war. Himiko hatte sich auch bereits vor einigen Tagen in Japan von ihnen verabschiedet und war, auf Einladung ihres Bruders - eben jenes Ashitakas - nach New York geflogen, um ihn und Khi'LeisaH dort aus irgendwelchen musikalischen Gründen zu treffen. Sie alle würden im Laufe der nächsten Tage ebenso auf Tron'Jenar eintreffen, aber für den Moment waren nur noch sie und Adina übrig geblieben. Na gut, Sadako auch. Aber das zählte nur so halb, denn sie musste ohnehin hier sein und hatte an der Rundreise weniger als Cliquen-Mitglied als vielmehr als Ssihannas Leibwache teilgenommen. Nicht, dass Dara ihr darum böse wäre. Natürlich nicht. Es war ihre Aufgabe und sie erfüllte sie gut. Und dann war da natürlich noch Isleen, die gleichfalls wieder mit ihnen zurück reiste und bei der Dara sich nicht ganz sicher war, warum sie überhaupt dabei gewesen war. Sie war ein recht undurchsichtiger Charakter und Dara wehte wenig Wärme an, wenn sie versuchte, näher mit ihr ins Gespräch zu kommen. Allerdings schien sich Adina gut mit ihr zu verstehen und ein Händchen dafür zu haben, sie aus der Reserve zu locken und das reichte Dara im Grunde genommen auch. Isleen tat sich offenbar sehr schwer damit, sich Anderen gegenüber zu öffnen und wenn sie in Adina jemanden gefunden hatte, der sie sich vertrauter fühlte, da sie aus derselben Spezies stammten, dann sollte es Dara recht sein.

    Ebenso störte sie sich nicht daran, dass die Anderen ihre eigenen Wege gegangen waren. Das war unvermeidlich und Dara hatte mit Adinas Gegenwart und dem Versprechen in der Luft, dass sie bald wieder zu Hause ankommen würde, alles, was sie benötigte, um sich. Doch nun, wo sich der latente Schleier der Sehnsucht nach Tron'Jenar, der sie immer wieder durch Japan begleitet hatte, löste und sie entspannt auf alles zurückschauen konnte, was sie gesehen und erlebt hatten, war sie doch froh, dass sie diese Reise unternommen hatte. Aus vielen, vielen Gründen. Und was sie alles gesehen hatten!


    Alles hatte mit der Geburt der Drillinge in Kansai begonnen und es war noch Winter gewesen, als sie in Japan angekommen waren. Dara erinnerte sich lebhaft zurück an das Schnee-Festival, die Eisskulpturen und das Schlittenfahren in Sapporo, die Kunstausstellung dort und an das verschlafene Winterstädtchen Otaru, das sie mit Adina zusammen bereist und in dem sie all jene Lichter im Schnee, Glasfiguren und Spieluhren gesehen hatten. Sie war nicht mit Schneefall aufgewachsen, da das Klima auf Auriga II gleichmäßig war und keine Jahreszeiten in diesem Maße aufwies, weswegen all das ein ganz besonderes Erlebnis gewesen war.

    Und, oh, wie hatten Adinas Augen gestrahlt ob all dem. Ob sie eines der Neugeborenen hatte halten oder Schlitten hatte fahren dürfen. Ob sie einen schönen Kimono getragen oder die Lichter im Schnee angeschaut hatte. Ob sie frischen Macha-Kuchen oder warmen Sake zu sich genommen hatte - es war ganz gleich gewesen. Adina hatte die Eindrücke dieses Landes in sich aufgesogen wie eine Blume das Sonnenlicht. Besonders aber die Zeugung ihres gemeinsamen Kindes recht bald nach der Geburt der Drillinge war wohl von allem das größte und schönste Ereignis für sie gewesen und Dara wusste, dass allein das sie beide für immer ein wenig an Japan binden würde. Immerhin hatte Adina die ersten zwei Drittel der Schwangerschaft, die bei Fhoi Myhore-Frauen nur sechs Monate dauerte, in diesem Land verbracht und fast jeden Moment davon genossen. Und was für eine stolze werdende Mutter sie war! Dara musste lächeln, als sie daran dachte.

    Sie wusste, dass Adina traurig war, Japan zu verlassen und nach Tron'Jenar zurück zu kehren, was Daras eigene Freude über das Heimkommen ein klein wenig dämpfte. Sie konnte es nicht gut ertragen, wenn ihre Dina traurig war. Ein wenig absurd, bedachte man, dass diese von der Welt der Traurigkeit abstammte und man davon ausgehen könnte, dass Dara daran gewöhnt sei. Aber das hier war etwas anderes. Adina hatte mehr als einmal kundgetan, dass sie ihr Herz an Japan verloren hatte, dass ein Teil von ihr zurückbleiben würde und es tat Dara leid, sie aus ihrer Freude reißen zu müssen. Und doch verspürte sie den tiefen Drang danach, nach Hause zu kommen. Zumindest für eine Weile. Sie wünschte sich, dass ihre Tochter auf Tron'Jenar zur Welt kommen würde. Und dann, wenn sie ein wenig älter war, würde Dara mit ihnen beiden zusammen gerne noch einmal nach Japan zurückkehren. Aber für den Moment konnte sie nur hoffen, dass Adinas Melancholie verfliegen würde, wenn sie erst auf Tron'Jenar angekommen waren.


    Und sie selbst? Hatte auch sie einen Teil ihres Herzens an Japan verloren? Das war eine schwere Frage. Dara wusste, dass es nie einen anderen Ort im Universum geben würde, der Tron'Jenar gleichkäme. Nie ein zweites Zuhause in diesem Sinne. Da'Dana'Han war der einzig andere Ort, an dem sie zumindest nie unter Heimweh gelitten hatte. Terra als Ganzes und Japan im Speziellen konnten also auch Da'Dana'Han in diesem Sinne nicht das Wasser reichen und die Kultur des Landes, seine eigene Optik in Architektur, Kleidung, Anstandsregeln, seine Kost und alles, was es so einzigartig machte, bezauberten Dara nicht in dem Maße, wie es bei so vielen um sie herum der Fall war. Es hatte ihr gefallen und sie hatte viele, wunderschöne Dinge gesehen. Besonders das Zeltlager, das kleine Dorf und der See am Fuji sowie der Flug über den Gipfel des majestätischen Berges mit den Gleitschirmen und Adinas spezieller Windkunst waren herrliche Erlebnisse gewesen. Aber es lag doch einiges zwischen einer gelungenen Reise und dem Gefühl, sein Herz an einen Ort zu verlieren.

    Allerdings hatte sie einen Teil ihrer Wurzeln gefunden. Sie hatte schon vor der Reise gewusst, dass ihr Vater lange Zeit in Japan gelebt hatte und dort als der Weiße Schmied bekannt gewesen war. Aufgrund seiner langen, weißen Haare, wie Dara annahm. Und so hatte sie in kleinen Ausflügen Orte besucht, die Spuren ihres Vaters getragen hatten. Die Oura-Kirche in Nagasaki, in die Sadako sie gebracht hatte und in der ihr ein Priester von seinen Begegnungen mit einem reuigen, alten Henry erzählt und ihr das Altarkreuz gezeigt hatte, dass dessen Händen und Kunstfertigkeit entsprungen war. Der Aokigahara, der Wald voller Geister, in dem er früher gewandelt war und den sie mit den Anderen zusammen besucht hatte. Und schließlich die Schmiede selbst, in der er gelebt und gearbeitet hatte und die heute eine Art Denkmal war. Freundlicherweise hatte man sie und Adina dennoch einen Tag und eine Nacht darin verbringen und sie alles anschauen lassen. Sogar Geschenke hatten die liebe Ssihanna und süße Adina dort für sie besorgt und sie war nun die stolze Besitzerin zweier Ambosse und diverser Hämmer, mit denen Henry einst gearbeitet hatte. Daras Entschluss, sich von Sadakos Vater in der Schmiedekunst unterweisen zu lassen, hatte sich mit diesem Besuch und den Geschenken nur noch mehr verfestigt und sie hatte beschlossen, gleich nach ihrer Kriegerweihe damit zu beginnen, sollte Meister Ikematsu zustimmen.


    Und so... ja. Auch Dara hatte einen Teil von sich in Japan entdeckt. Als Tochter und baldige Mutter. Als Partnerin einer Frau, die gerade selber viele Veränderungen durchlief und der sie auf neue Art zur Seite zu stehen gelernt hatte. Die Kindertage neigten sich rapide dem Ende zu und Dara hatte in den letzten vier Monaten einen Eindruck bekommen, was Erwachsensein bedeuten würde. Ehe, Kind, Kriegerweihe und Berufsausbildung waren allesamt in greifbare Nähe gekommen und auch Eltern waren nur Menschen, die versuchten, ihr Bestes zu geben. Keine Götter. Wenn der lange Weg ihres Vaters sie eines lehren konnte, dann sicher das. Und auch sie würde nur ihr Bestes tun können mit ihrer eigenen Tochter. Von Tag zu Tag. Es beruhigte sie, das zu wissen. Denn noch immer kam sie sich schrecklich jung und unvorbereitet vor für die Verantwortung für ein kleines Leben. Aber sie und Adina würden ihr Bestes geben und sie hatte eine fantastische Familie, die sie beide nicht allein lassen würde.

    Und während sie diesen Gedanken noch hatte, drang die Meldung des Computers zu ihr durch, dass sie Auriga II in 15 Minuten erreichen würden. Aufgeregt sprang sie auf und machte sich auf die Suche nach Adina, um zu sehen, ob sie bereit war. Bald würde sie zu Hause sein und alle wiedersehen... und sie konnte es kaum noch erwarten!