OUTBREAK >> Offiziere vor Gericht

    • Offizieller Beitrag

    Hintergrund:


    Die 3rd Squad Biohazard wurde zur Bekämpfung eines äußerst aggressiven Virenstamms auf den Planeten Predni V gerufen. Ebenfalls vor Ort befand sich auf den Befehl von Präsidentin Mac Mata ein Team von Journalisten. Nachdem in der befallenen Kolonie nur zwei nichtinfizierte Überlebende geborgen werden konnten, wurde eine Probe genommen und die befallene Ort anschließend dekonterminiert. Zwei Wochen später kam es zu einem Ausbruch des offenbar selben, jedoch später mutierten Virenstammes auf Corsho, einer Kolonie innerhalb der Föderation, was offenbar auf eine Einzelaktion eines Journalisten zurückzuführen war. Die Squad hatte direkt nach ihrem Eintreffen die Arbeit des CDC übernommen, welches als erste amtliche Behörde vor Ort war. Die Eindämmung des Virenstammes wurde dem MRIID durch oberste Stelle übertragen, da es sich bei dem ursprünglichen Virenstamm um den gleichen Stamm einer geheimen biologischen Waffe handelte. Dies sollte durch die M.A.C.O. sowie die obersten Regierungskreise geheim gehalten werden. Nach der Einrichtung einer Quarantänezone sowie der vollständigen Abriegelung der gesamten Kolonie begann die Squad, die Gesunden von den Infizierten zu trennen sowie die Leichen zu entsorgen. Im zuge dessen kam es zu ersten Fluchtversuchen der Bevölkerung, die mit voller Härte unterbunden wurden. Bereits in diesem Stadium der Operation beging Commodore Fey die erste Befehlsverweigerung. Als ein Mitgleid der Squad selbst erkrankte, erteilte die Präsidentin der UFP den Befehl zur vollständigen Vernichtung der Kolonie, nachdem Experten eine Ausbreitung des Virus bis zur Erde innerhalb 96 Stunden sowie eine Sterblichkeit von 100% voherberechnet haben.


    Um dieses alles zu verhindern, fasste Commodore Anouk Fey zusammen mit der gesamten Squad den folgenschweren Entschluß, die USS Biohazard One unter Zuhilfenahme gefälschter Befehle zu stehlen und nach dem Wirtstier des ursprünglichen Virenstammes zu suchen. Mit Hilfe ihrer Fähigkeiten schaffte es Commodore Fey, die geheimen Akten der biologischen Waffe sowie ihrer Entstehung zu öffnen und so machte sich die Flüchtigen auf den Weg. Es gelang ihnen zudem wirklich, das Wirtstier zu finden und auf das Schiff zu bringen, um einen Antivirus herstellen zu können. Unterdessen hatte jedoch FdM DeLassal den Oberbefehl über die Operation Outbreak übernommen und den vermeintlichen Verrätern die USS Delta Force One auf die Fersen gesetzt, schließlich wurde die USS Biohazard One gestellt. Im Verlauf der Verhandlungen zur Aufgabe des Schiffes befahl Commodore Fey Feuerbefehl, welcher auch ausgeführt wurde. Dabei wurden beide Warpgondeln der USS Delta-Force One zerstört, sowie die Hülle auf mehreren Decks stark beschädigt. 137 Offiziere der M.A.C.O. verloren dabei ihr Leben, 106 weitere Offiziere wurden zum Teil schwer verletzt.


    Nach diesem bedauerlichen Angriff auf die USS Delta Force One verschafften sich Commodore Fey und ihre Handlanger durch eine weitere Flucht etwas Zeit. Während dieser Flucht gelang es, einen Antivirus zu isolieren und syntetisch herzustellen. Die Flüchtigen kehrten danach nach Corsho zurück und das Antiserum wurde an die Infizierten verteilt und es bestätigte seine Wirkung. Trotz dieses Erfolges wurden Commodore Fey sowie die Mitglieder der Sqaud ihrer Ränge und Posten enthoben und unter Arrest gestellt. Ein Schiff der Sternenflotte brachte die Gefangenen direkt zum Shepard Space Center, wo sie nun im Militärgefängnis auf ihren Prozeß warten.



    [center]*************[/center]
    Die Ereignisse auf Corsho waren gerade einmal ein Woche her, als Eric endlich dazu kam, den Missionsbericht von Diamond abzusegnen und dem J.A.G. zu übergeben... Die UFP-Defence Force würde und musste Anklage erheben. Anklage erheben gegen einen Commodore der Sternenflotte sowie der gesamten Squad, die zu diesem Einsatz eingesetzt worden war. Es gefiel ihm nicht unbedingt und er erkannte wohl die Leistungen und Erfolge an, welche erreicht worden war... aber die Sachlage konnte keinen anderen Weg zulassen, als die Anklage vor dem Millitärgericht. Diese Anklage sah folgendes vor:


    Die Vereinte Föderation der Planeten gegen Commodore Anouk Selene Fey:
    >> Befehlsverweigerung in drei Fällen!
    >> Missbrauch geheimer Daten infolge Spionage!
    >> Ausgabe und Missbrauch falscher Befehle mit Tateinheit der Kommandoanmaßung!
    >> Diebstahl von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Biohazard One!
    >> Zerstörung von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Delta Force One zu 48%!
    >> Körperverletzung in 106 Fällen!
    >> Totschlag in 137 Fällen! Mordanklage wird nicht ausgeschlossen!


    Die Vereinte Föderation der Planeten gegen FSgt Ssihanna Karamor, SLT Wyatt Miller, Prv Pierre Emerick Matula, Prv Samantha Riley:
    >> Befehlsverweigerung!
    >> Missbrauch falscher Befehle!
    >> Diebstahl von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Biohazard One!
    >> Zerstörung von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Delta Force One zu 48%!
    >> Körperverletzung in 106 Fällen!


    Eric schloß schließlich die Akte und atmete tief durch... So gut er Anouk auch hatte verstehen können... wie hatte sie sich nur auf dieses Abenteuer einlassen können? Würde sie jemals etwas aus ihren Fehlern lernen? Schließlich stand er auf und übergab einem Lieutenant die Akte und ließ sie zum J.A.G. bringen. Nun war es nicht mehr aufzuhalten...

    Chief Minister of Defence

    1st General of the Army

    Member of the UFP-Special Operation Command SOCOM
    Member of the M.A.C.O. High-Comamnd


    "My country 'tis of thee, sweet land of liberty, of thee I sing.
    Land where my fathers died, land of the Pilgrim's pride,
    From every mountainside, let freedom ring!"
    Martin Luther King 1963


    Signatur%20Eric.png

  • Anouk saß in der Zelle, in die man sie auf Shepard gesteckt hatte und starrte vor sich hin. Seit Stunden tat sie nichts anderes und war äußerlich vollkommen ruhig, während in ihrem Inneren ihre Gedanken rasten, sie sich überschlugen und ihr wieder und wieder die Bilder vor ihrem geistigen Auge abspielten, die sie so dringend zu vergessen suchte.
    Sanju, wie sie totenbleich, mit blauen Lippen und blutunterlaufenen Augen auf dem Biobett lag, nur noch ein seidener Faden sie am Leben hielt, während das Virus unbarmherzig versucht hatte, diesen zu kappen. Die U.S.S. Delta Force One, die durch eine mächtige Explosion erschüttert im All trieb, auf einen Feuerbefehl hin, den sie gegeben hatte...
    In ihren Träumen, denen im Schlaf und auch den Tagträumen, welchen sie hier in ihrer Zelle ausgeliefert war, verwandelte sich dieses Schiff immer und immer wieder in die U.S.S. Nighthawk, die vor über zwanzig Jahren durch die Hand von Tal Shiar-Schiffen brutal aus dem Dasein gerissen worden war - und mit ihr die gesamte Crew. Unter ihnen Anouks damalige beste Freundin Joliet.
    Doch diesmal war sie das Tal Shiar-Schiff gewesen. Diesmal hatte sie schießen lassen. Sicher, sie hatte nur gewollt, dass die Delta Force One kampf- und manövrierunfähig geschossen werden würde, damit sie sie nicht mehr würde verfolgen können auf ihrer selbsternannten Mission das Wirtstier zu finden, um die kranken Menschen der Kolonie vor einem grauenhaften Tod zu bewahren - ob durch das Virus oder durch die Bombe, die man ihnen hatte schicken wollen.
    Aber es hatte nicht funktioniert. Ihr verträumter Gedanke, nur das Schiff zu beschädigen und der Besatzung kein Haar zu krümmen, war mit einer Realität kollidiert, die jedem Offizier hätte klar sein können. Sie hätte es wissen müssen, zumindest in Betracht ziehen müssen, doch sie hatte es nicht wissen wollen. Sie hatte eine Entscheidung getroffen und das Leben ihrer Tochter über das der Besatzung der Delta Force One gestellt. Und nun hatte sie 137 Leben auf dem Gewissen.
    Anouk vergrub ihr Gesicht in den Händen, während der Stich dieses grausamen Fakts sich erneut durch sie hindurch bohrte. Sie, deren höchstes Credo es immer gewesen war, Leben zu erhalten. Sie, die in ihrem Leben bereits so viel Krieg und so viele Sterbende gesehen hatte und deren höchster Wert es immer gewesen war, das Leid und den Tod so sehr einzudämmen wie irgend möglich. Sie, die Ärztin geworden war und sich ihr ganzes Leben lang den Idealismus erhalten hatte, den dieser Beruf mit sich brachte, wenn es um den Schwur ging, dass das Leben vor allem anderen stand. Sie, die so selten sie konnte überhaupt eine Waffe zur Hand genommen hatte, weil jeglicher Krieg und Kampf ihr zuwider gewesen war - sie saß nun hier, weil all diese Leute eines Befehls wegen, den sie erteilt hatte, ihr Leben verloren hatten.
    Immerhin wusste sie, dass Sanju sich auf dem Weg der Besserung befand. Das Antiserum, das sie hatten entwickeln können, nachdem sie das Wirtstier tatsächlich ausfindig gemacht hatten, hatte seine Wirkung sofort entfaltet. Doch es würde ein paar Tage dauern bis die Erkrankten wieder wirklich gesund sein würden. Zu groß waren die Schäden gewesen, die dieser miese Einzeller angerichtet hatte. Anouk hatte die Hoffnung, dass Sanju sie vielleicht bald besuchen durfte, ebenso wie der Rest ihrer Familie, die bisher noch nicht zu ihr gelassen worden waren.
    Mit Angst dachte sie an das erste Zusammentreffen mit ihrem Mann, ihrer Tochter Ida und den Zwillingen Elena und Jamie. Sie wusste nicht, wie sie ihnen in die Augen sehen sollte mit der Anklage, die über ihr schwebte. Mit all den Toten und Verletzten auf der Liste, die für immer an ihre Tür genagelt werden musste. Immer hatten ihr alle gesagt, dass sie überreagierte, wenn sie sich die Schuld an Joliets Tod gegeben hatte, obwohl sie wusste, dass sie damals diejenige gewesen war, die sie und Eric auf die Nighthawk getrieben hatte und in die Katastrophe, die letztendlich zu ihrem Tod geführt hatte. Doch hier und heute würde niemand etwas beschönigen können. Die geretteten Kranken wogen die toten Marines, Offiziere und Crewmen nicht auf. Wer der Meinung war, dass man ein Leben mit einem anderen ersetzen und auf diese Weise die Waage im Gleichgewicht gehalten werden konnte, machte sich etwas vor.
    Und doch spürte sie auch einen Funken Wut in sich. Wut auf die Art und Weise, wie die Präsidentin, ihr Beraterstab und Eric als ihr Schoßhündchen diese Sache gehandhabt hatten. Wut darüber, dass man sie nicht konsultiert hatte, obwohl Virologie ihr Fachgebiet war, nur um die perfekte biologische Waffe zu schützen. Wut darüber, dass man fast 2000 Leben hatte opfern wollen, um sich selbst zu schützen, anstatt zumindest den Versuch zu wagen, den Virus durch das Auffinden des Wirtstieres unter Kontrolle zu bringen. All die Anklagepunkte, die man gegen sie erheben würde, würden der Wahrheit entsprechen, aber nur, weil man sie mit dem verzweifelten Versuch die Lage doch noch zu retten und der Weigerung sie dabei zu unterstützen, in die Kriminalität gezwungen hatte. Man hätte die Situation von oben anders lösen können. Anders lösen müssen, wenn man sich den großen Idealen, auf denen die Föderation ruhte, wirklich verpflichtet fühlen würde.
    Müde fuhr sie sich über die Augen. Doch sie konnte nicht schlafen, schon den zweiten Tag nicht. Der Horror dieser ganzen Angelegenheit ließ sie einfach nicht zur Ruhe kommen. Ihre Gedanken wanderten zu denen, die zu ihr gehalten hatten während dieser Mission. Zu den Marines, die ebenso nicht hatten daneben stehen können, während die Rettung der Biowaffe wichtiger gewesen war als die Rettung der Sterbenden. Während Unschuldige hatten hochgebombt werden sollen. Während ihr Squadmitglied und ihre Freundin einen grausamen, sinnlosen Tod starb. Und die dafür nun ebenfalls in Zellen saßen. Wayne Miller, der ein großartiger Arzt war und aus dem so viel hätte werden können. Die beiden Privates Matula und Riley, die ihre junge Karriere für diese Sache aufs Spiel gesetzt hatten. Und Ssihanna, Sanjus beste Freundin, die gerade ihren Vater hatte begraben müssen, da die Borg ihn ihr und ihrer Mutter entrissen hatten. Die mit ihrer Trauer nun völlig allein einsaß, weil sie Sanju nicht hatte sterben lassen können und Tränen traten ihr in die Augen. Sie ließ zu, dass sie ihr die Wangen hinunter liefen. Es spielte keine Rolle mehr. Sie musste für niemanden mehr stark sein. Und während die stummen Tränen allmählich mehr wurden, sie schließlich aufschluchzte und das Gesicht erneut weinend in den Händen vergrub, dachte sie an ihre Schwester Fiona, die vor Jahren gestorben war und die wohl die einzige Person gewesen war, die sie jemals richtig gekannt hatte. Sie fehlte ihr. Heute mehr denn je.

    Commodore Prof. Dr. Anouk Selene Fey
    1st Controller UFP Paracelsus Medical Center


    "You and I are not the polite people that live in poems."

  • Nach der Festnahme saß Pierre in der Zelle und dachte sich nur so: "Warum musste ich denn nur sowas machen? Ich hätte am besten nicht bei der Sache mitmachen sollen..." Nachdenklich saß er dort und wartete nur auf das Gerichtsverfahren. Einige Minuten später lief er hin und her und war mit den Gedanken bereits schon bei der Verhandlung und hatte dazu auch seine Gedanken. "Ob mein Freund Jilko auch da ist? Und wie er mein Verhalten wertet? Wie dem auch sei, ich nehme alles im Kauf, immerhin tat ich es für Fey." Seine Gedanken waren zu diesem Zeitpunkt nur noch bei Fey, die Gerichtsverhandlung war ihm in diesem Moment egal. Er lief seine Runden in der Zelle weiterhin hin und her.

  • Erschöpft lag Sanju auf dem Biobett der Krankenstation auf Shepard und schloss die Augen, während sie versuchte zu Atem zu kommen. Vor etwas mehr als einer Woche war sie noch eine junge Forclerin gewesen, um deren Fitnessgrad sie sogar manch anderer Marine und sicher viele Sternenflottenoffiziere beneidet hätten. Jetzt schaffte sie es nur mit Mühe von einem Bett ins andere ohne um Atem ringen zu müssen.
    Gerade erst hatte sie den Transport von der Quarantänezone auf Corsho hinter sich gebracht, wo sie die letzte Woche hatte zubringen müssen, ebenso wie alle anderen Infizierten, die zwar durch das Antiserum auf dem Weg der Besserung gewesen waren, jedoch noch nicht stabil genug, um transportiert zu werden. Abgesehen davon hatte man sie alle unentwegt getestet, um festzustellen, ob noch eine Ansteckungsgefahr von ihnen ausging oder nicht. Erst als man absolut sicher gewesen war, dass der Virus eingedämmt war, hatte man ihnen die Erlaubnis erteilt, sich nach Hause verlegen zu lassen.
    Dieser Transport war jedoch weitaus anstrengender gewesen, als Sanju vermutet hatte. Sie hatte sich geweigert, sich von einem Bett auf das andere heben zu lassen und war die paar Schritte in das medizinische Shuttle gelaufen, vor das man sie mit einem mobilen Biobett gebracht hatte. Das hatte sie allerdings bereits soweit an den Rand der Erschöpfung gebracht, dass alleine das Aufstehen, Setzen und erneute Hinlegen einige Stunden später nach ihrer Ankunft auf Shepard, wo sie noch einmal das Bett hatte wechseln müssen, gereicht hatte, um sie nun quasi sofort wieder einschlafen zu lassen, obwohl sie bereits auf dem Flug die meiste Zeit über geschlafen hatte.


    Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie neben sich eine Gestalt spürte. Zunächst gab sie nicht viel darum, es würde eine Krankenschwester sein, die ihren Zustand überwachte oder ein Arzt, der sie scannen wollte. In der letzten Woche hatte sie sich daran gewöhnt, sich von so etwas nicht im Schlaf stören zu lassen. Sie war sowieso meistens viel zu müde, um sich dafür zu interessieren, was sie mit ihr taten. Erst als sie spürte, dass sich jemand zu ihr auf die Bettkante setzte und sanft ihre Hand ergriff, öffnete sie die Augen einen Spalt. Und sah ihrer Schwester Sinaida ins Gesicht.
    Sanju gab einen erstickten Laut von sich, eine Mischung aus Freude und Erleichterung, die gedämpft wurde durch den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete, als die Tränen in ihr aufstiegen und Sinaidas ernstes, ebenmäßiges Gesicht vor ihren Augen verschwamm. Sie quälte sich so schnell sie konnte in eine halb sitzende Haltung, was sofort dafür sorgte, dass ihr schwummerig wurde und fiel ihrer Schwester in die Arme, die sie fest an sich drückte. "Ida...", brachte sie zittrig hervor. "Wie schön dich zu sehen... bitte, du musst mir alles sagen, was passiert ist. Auf Corsho haben sie mir nur gesagt, dass die... die Squad verhaftet wurde... und... und Mum..." Sie brach in Tränen aus, es war ihr einfach zu elend, als dass sie sich noch hätte beherrschen können. "Scht... beruhig dich, June, sonst werfen sie mich gleich wieder raus, weil du dich so aufregst. Ich musste schon ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, um dich überhaupt sehen zu dürfen... scht...", flüsterte Ida leise und der ruhige Ton in ihrer Stimme, der ihr schon immer zu eigen gewesen war - wohl ein Erbe ihrer teilweise vulkanischen Abstammung - ließ Sanju tatsächlich ein wenig entspannen. Ida konnte unter ihren Händen spüren, wie ihre Schwester schwerer wurde, als die Anspannung nachließ. Es war offensichtlich, dass ihr das Sitzen aus eigener Kraft Mühe bereitete. "Komm, leg dich zurück. Ich stellte das Bett hoch, dann können wir reden." Dankbar lehnte sich Sanju an, als Ida selbiges getan hatte. Diese wandte sich um und nahm eine abgedeckte Schüssel zur Hand. Als sie sie öffnete, dampfte es verheißungsvoll. "Ich hab dir Suppe gekocht und mitgebracht", erklärte Ida, als sie Sanjus verständnislosen Blick sah, und baute einen kleinen Tisch vor ihr auf dem Bett auf, damit sie essen konnte. "Danke...", murmelte Sanju langsam und musterte die Suppe. Sie wusste nicht so recht, ob ihr überhaupt der Appetit danach stand. "Aber das hättest du nicht machen müssen, Ida. Denkst du, sie geben mir hier nichts zu essen?" "Doch, bestimmt", erwiderte Ida und setzte sich wieder an die Bettkante. "Aber weißt du nicht mehr, was Mum uns immer gesagt hat, wenn wir als Kinder krank waren? Wenn wir sie gefragt haben, wann die Medikamente wirken und wir wieder gesund sind?" Sanju hob den Blick von der Schüssel und sah ihre Schwester an. Und sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als sie sie an diese Kindheitstradition erinnerte, die sie bereits beinahe vergessen hatte. "Dass Medikamente immer nur in Kombination mit Suppe richtig wirken...", flüsterte sie leise. "Und wir haben ihr geglaubt, weil sie die Ärztin war und es wissen musste. Selbst wenn wir nur eine kleine Sache hatten, hat sie uns Suppe gemacht, wenn sie von der Arbeit kam..." "Und ich konnte doch nicht zulassen, dass deine Medikamente nicht richtig wirken, wo du so krank warst. Mum würde wollen, dass ich dir Suppe koche...", antwortete Ida ebenso leise und zum ersten Mal hörte Sanju ein leichtes Zittern in ihrer Stimme.
    Eine kleine Weile schwiegen sie beide, während Sanju sich dazu zwang, ein paar Löffel der Suppe zu sich zu nehmen. Sie war heiß und köstlich, ein bajoranisches Rezept, sie kannte es gut. Ida war bisher die Einzige in der Familie, die das Kochtalent ihrer Mutter geerbt hatte. "Wie geht es dir, June?", durchbrach ihre Stimme schließlich erneut die Stille. "Sie sagen, ich brauche ein neues Herz", erwiderte Sanju tonlos. "Dass der Virus meines zu sehr beschädigt hat. Sie haben bisher nicht operiert, weil ich noch zu geschwächt war, aber sie sagen, dass sie es bald tun müssen. Sonst versagt es. Aber so kritisch ist es im Moment wohl noch nicht. Ein wenig Zeit bleibt noch. Und jetzt sag mir bitte, was mit Mum und meiner Squad passiert ist." Sinaida war eine Spur bleicher geworden bei Sanjus Eröffnung über ihren Gesundheitszustand und zögerte sichtlich, ihrem Wunsch zu entsprechen. "June, ich weiß nicht, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, wenn es dir so schlecht geht. Ich..." "Ida! Sag mir, was los ist! Niemand will den Mund aufmachen, aber ich MUSS es wissen, verstehst du das nicht? Wo auch immer sie jetzt sind, niemand kann mir weismachen, dass sie nicht zu einem Großteil meinetwegen dort sind!" "Schon gut, schon gut, reg dich nicht so auf. Du bekommst ganz blaue Lippen." Tatsächlich war Sanju bereits wieder ein wenig atemlos aufgrund ihres kleinen Ausbruchs. "Okay, ich bin ganz ruhig", versicherte sie leicht keuchend. "Aber erzähl. Bitte."
    Und das tat Sinaida schließlich auch. Sie erzählte Sanju alles, was sie wusste. Dass ihre Squad und ihre Mutter wohl ein Schiff gestohlen hatten, um das Wirtstier für das Antiserum zu finden, dass sie auf ihrer Flucht die Delta Force One beschossen hatten, was zu Verletzten und Toten geführt hatte und dass sie somit aufgrund mannigfaltiger Vorwürfe zur Zeit in Untersuchungshaft saßen und auf ihre Verhandlung warteten. Und dass zumindest ihre Mutter keinen Besuch erhalten durfte. Wie es bei den Squadmitgliedern war, wusste Sinaida nicht. "Sie haben diese 2000 Kranken gerettet", meinte Ida am Ende tonlos. "Und Gott oder die Propheten oder wer auch immer mag wissen, welche Strafen sie trotzdem erhalten."
    Sanju schwieg. Mit großen Augen starrte sie auf die halb gegessene Schüssel Suppe ohne sie wirklich zu sehen. Sie war beängstigend bleich und wirkte um Jahre gealtert. Sinaida stand auf. "June, das hier ist nicht deine Schuld. Sie haben alle ihre eigenen Entscheidungen getroffen. Du weißt, dass Mum sich nie in irgendetwas hat reinreden lassen. Niemand wird dir einen Vorwurf machen. Niemand." Sanju antwortete ihr nicht darauf. "Ich bin sehr müde", sagte sie stattdessen leise. "Ich glaube, ich muss ein bisschen schlafen. Kommst du morgen wieder?" Erst jetzt hob sie den Blick zu ihrer Schwester, die langsam nickte. "Natürlich. Dad kommt dich auch besuchen, spätestens morgen. Und vielleicht Elli und Jamie, wenn dich so viel Besuch nicht zu sehr anstrengt." Sie nahm den kleinen Tisch vom Bett und ließ es heruntersinken bis Sanju bequem liegen konnte. "Sag ihnen, dass ich sie lieb habe", murmelte Sanju und schloss die Augen. Nach einem Moment hörte sie Ida weggehen. Und obwohl ihre Augen geschlossen blieben, konnte sie doch für eine sehr lange Zeit nicht einschlafen.

    First-Sergeant Sanju-Aneya "Juniper" Fey
    Recon-Officer of the 1st M.A.C.O. Regiment Delta Force


    "We march to victory or we march to defeat. But we go forward. Only forward."

    • Offizieller Beitrag

    J.A.G. Protokoll 01012407/AFvsUFP
    Vertreter der Verteidigung; Commander Sturgis Turner
    Befragung 1 >> Verlesung der Anklageschrift



    # Schon beim Betreten der Zelle konnte man die Stimmung meiner neuen Klientin spüren... und sehen. Sie litt unter der Situation, das Bedauern über die Ereignisse standen ihr ins Gesicht geschrieben, als sie müde aufsah. >Guten Tag Miss Fey... mein Name ist Commander Sturges Turner von der Sternenflotte und Militäranwalt des J.A.G. Mir wurde ihre Verteidigung übertragen und im Rahmen dieser Berufung bin ich zunächst verpflichtet, Ihnen die Anklageschrift vorzulegen und ihre erste Aussage aufzunehmen... Sind sie mit all dem einverstanden?>


    Müde, verletzt und zutiefst voller Schmerz sah mich mein Gegenüber an... das war sie also, die große Prof. Dr. Anouk Fey, ein Aushängeschild der Föderation, eingesperrt wie ein weidwundes Tier... es hatte in dieser Zelle so gar nichts von Glanz, Ehre und Anerkennung. Sie nickte nur und ich deutete auf den Tisch und setzte mich. Als sie ebenfalls Platz genommen hatte, sah ich sie kurz an und wir konnten beginnen.


    > Miss Fey, ich muss Ihnen hiermit mitteilen, das die Vereinte Föderation der Planeten, insbesondere vertreten durch die Defence-Forces, vertreten durch die Teilstreitkräfte der M.A.C.O. unter dem Oberbefehl von Field Marshal DeLassal Anklage in folgenden Punkten gegen sie erhebt:


    >> 1. Befehlsverweigerung in drei Fällen!
    >> 2. Missbrauch geheimer Daten infolge Spionage!
    >> 3. Ausgabe und Missbrauch falscher Befehle mit Tateinheit der Kommandoanmaßung!
    >> 4. Diebstahl von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Biohazard One!
    >> 5. Zerstörung von Föderationseigentum, in diesem Fall der USS Delta Force One zu 48%!
    >> 6. Körperverletzung in 106 Fällen!
    >> 7. Totschlag in 137 Fällen! Mordanklage wird nicht ausgeschlossen!


    Laut den letzten Ermittlungen sind dieses Anklagen als rechtskräftig zu bewerten und werden daher in voller Härte des Militärgerichts verfolgt werden. Daher ist es ratsam, keine Einzelnen oder folglichen Angaben zu diesen Punkten ohne mein Beisein als Ihr Anwalt zu treffen. Alles, was Sie ohne mein Wissen und ohne meine Zustimmung angeben, kann und wird gegen Sie verwendet werden... Kommen wir kurz zur Sachlage... die Ermittlungen über den genauen Verlauf der Anklagepunkte 6 und 7 der Anklageschrift laufen noch... zu Ihrem Nachteil wurden bei dem Angriff auf die USS Delta Force One einige Computersysteme zerstört, darunter die Aufzeichnungen über den Angriff sowie den genauen Verlauf der Explosion, welche zu diesem schrecklichen Vorfall führten... Field Marshal DeLassal hat persönlich die Aufklärung der genauen Umstände angeordnet, die Experten des J.A.G. arbeiten bereits daran... Leider muss ich Ihnen sagen, das Sie solange, bis die Auswertungen abgeschlossen sind, unter vollem Arrest stehen... dies bedeutet, das Sie solange keinerlei Besuch erhalten dürfen, außer es dient zur Aufklärung der Umstände... Bedenken Sie dabei, das Ihr Verhalten in dieser Zeit sowie die letztlichen Ergebnisse Sorge dafür tragen werden, ob man sie in Punkt 7 der Anklageschrift wegen Mordes oder lediglich Totschlag in 107 Fällen anklagt... Haben Sie das verstanden? <


    Wiederum nickte sie nur kurz, sie schien alles was ich gesagt hatte zwar aufzunehmen, aber es schien sie nicht zu berühren in der Art, als das sie sich Sorgen um ihre weitere Zukunft machte... Ich atmete tief durch... ich hasste solche... Ansprachen.


    > Gut... Ich möchte noch aus eigener Sichtung des Falles betonen, das Sie oder besser Wir gute Chancen haben, die Sache gut zu bestehen... Jetzt würde ich sie einfach bitten, mir Ihre Geschichte der Dinge zu erzählen... Bitte. <


    Ich startete die Sprachaufnahme meines Padds und wartete ab. #

    Chief Minister of Defence

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    Martin Luther King 1963


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  • Anouk verhielt sich die meiste Zeit reglos, während sie dem ihr zugeteilten Anwalt, Commander Turner, lauschte. Sie spürte eine Erstarrung, die sie bereits kannte, die sie ihr ganzes Leben lang begleitet hatte, wenn ihr etwas Schreckliches widerfahren war. Seit ihrer Kindheit als bajoranische Gefangene unter den Cardassianern kannte sie das Gefühl, dass sich eine Art betäubendes Öl auf ihre Seele zu legen schien, wenn Situationen ihr Angst gemacht oder sie überfordert hatten. Die Leute um sie herum hatten sie aufgrund dieser Eigenschaft oft für gefühlskalt gehalten, doch das war nur das Ergebnis, das man von außen sehen konnte. Unterhalb dieser betäubten Oberfläche wütete ein Sturm.
    Und so nahm sie auch jetzt eher die Fakten in dem auf, was der Commander ihr erklärte. Eine eventuelle Mordanklage. Die Beweise waren schwer zu sichern. Voller Arrest. Sie würde ihre Familie also noch länger, vielleicht sehr lange nicht sehen. Ein Teil von ihr war erleichtert darüber, diese Konfrontation hinauszögern zu können. Auch dies entsprach ihrer Art. Sie war nie gut in Konfliktsituationen gewesen, wenn sie über Dienstkonflikte hinausgegangen waren. Für gewöhnlich hatte sie versucht, ihnen aus dem Weg zu gehen. Doch in einem Gefängnis konnte sie nicht davon laufen, egal vor wem. Allerdings war dies nur die eine Seite der Medaille, denn ihre Familie fehlte ihr. Wie die meisten anderen Individuen auch, sehnte sie sich danach, jemanden in ihrer Ecke zu haben, der die Last mit ihr teilte. Der sie festhielt, während ihre Welt um sie herum zusammenbrach. Der nicht zuließ, dass sie in den vielen einsamen Stunden in dieser Zelle verrückt wurde, in denen ihr nichts als ihre wirren Gedankengänge blieben, mit denen sie sich beschäftigen konnte.


    Erst als Turner sie darum bat, ihm die ganze Geschichte aus ihrer Sicht zu erzählen, ließ ihre Starre ein wenig nach und sie sah ihn an. Aufmerksamer diesmal. Sie saß einem großen, schlanken Mann gegenüber, dessen Haar bereits ergraut war und dessen blaue Augen sie ernst und nicht minder aufmerksam anblickten. Er war ihr sympathisch, es ging eine beflissene Behutsamkeit von ihm aus, die ihr das Gefühl gab, wirklich ehrlich zu ihm sein zu können. Doch sie hatte gelernt, über den ersten Eindruck hinaus vorsichtig zu sein. Man würde sehen.
    Nun richtete sie sich in ihrer Haltung erstmals richtig auf und strich sich die Strähnen, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatten, zurück. Sie sah nicht sonderlich gut aus, das war ihr bewusst. Man musste ihr die durchwachten Nächte und die geweinten Tränen ansehen. "Verzeihen Sie mir, Commander Turner, ich fürchte, ich bin nicht ganz ich selbst zur Zeit", kommentierte sie dies und versuchte sich an einem halben Lächeln mit geschlossenen Lippen, um ihm sein eventuelles Unbehagen aufgrund ihrer Emotionslosigkeit ein wenig zu nehmen. Doch es verschwand beinahe im selben Moment wieder und sie sammelte sich, um die Geschichte zu erzählen. Zwar warnten alte, anerzogene Reflexe sie davor, diesem Mann zu schnell zu vertrauen und sagten ihr, dass er nur ein Pflichtverteidiger war, der seine Karriere damit puschen wollte, in diesem sicher sehr populären Fall eine ausschlaggebende Rolle zu spielen, doch sie achtete nicht darauf. Sie wollte sich ihrer Verantwortung nicht entziehen und wenn sie die Chance haben konnte, jemandem wirklich in Ruhe ihre Sichtweise der Dinge darzulegen, dann wollte sie dies tun. Selbst wenn es ihr nichts anderes bringen würde, als die Erleichterung, ihre Gedanken endlich laut aussprechen zu können und sie nicht weiterhin nur in ihrem Kopf hin- und herschieben zu müssen.


    "Vor etwa zwei Wochen - ich habe die genaue Sternzeit nicht im Sinn, Sie finden sie in den Akten des CDC - wurde uns der Ausbruch einer Infektion auf Corsho gemeldet. Aufgrund ihrer rapiden Ausbreitung und der beschriebenen Symptome war davon auszugehen, dass es sich dabei um eine virale Infektion handeln musste. Wir begaben uns in das betroffene Gebiet, um den Virus näher zu untersuchen, ein Heilmittel zu entwickeln. Es war die übliche Vorgehensweise, alles verlief standardmäßig, weswegen es darüber nicht viel zu berichten gibt. Wenn Sie Details unserer Arbeit interessieren bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Militär sich einschaltete, finden Sie auch das in unseren Akten protokolliert. Ich nehme an, dass Sie richterlichen Zugang zu diesen Unterlagen erhalten werden, wenn Sie als mein Anwalt fungieren."
    Hier unterbrach sich Anouk nun zum ersten Mal kurz. "Es dauerte keine zwei Tage bis das MRIID unter der Leitung von General Tokusawa ankam", fuhr sie schließlich fort. "Und von Anfang an erschien es mir merkwürdig. Sicher, der Virus war extrem aggressiv, hochansteckend und hatte eine hundertprozentige Mortalitätsrate und es war dem MRIID ein Bericht darüber bekannt, weil das die Standardvorgehensweise ist. Aber ich hatte den Bericht selbst geschrieben, darum wusste ich mit Sicherheit, dass darin kein Gesuch um Unterstützung enthalten war. Und dennoch stand die General mit ihrer Squad auf Corsho und zwar nicht zur Unterstützung, sondern zur Übernahme des Falls. Entsprechende Befehle von Field Marshall DeLassal an mich als Leiterin des CDC hatte sie bei sich. Also kehrte ich auf Shepard zurück, um Eric - den Field Marshall, meine ich - mit der Frage zu konfrontieren, was die ganze Sache sollte. Ich war so schnell von der Sache abgezogen worden, dass ich keine vernünftigen Testergebnisse hatte, zumindest keine ausreichenden, um wirklich an einem Antiserum arbeiten zu können. Virologie ist mein Fachgebiet, wie Sie sicher wissen, Mr. Turner und ich hätte auf Corsho wertvolle Arbeit leisten können. Der Field Marshall sagte mir jedoch, ich werde bei einem Ausbruch des Tropxe-Virus gebraucht und dies sei der Grund, weswegen er mich von Corsho abgezogen habe. Ich habe ihm kein Wort geglaubt. Dieser Virus wurde kurz nach dem Ende des Undinen-Krieges bereits erforscht, es gab keinen Grund, warum man mich dort dringender brauchen würde als auf Corsho. Es war ganz offensichtlich eine Ausrede."
    Wieder schwieg Anouk einen Moment, während sie an jene Szene zurückdachte. "Wir stritten uns, doch er wollte nicht nachgeben. Er spielte die Vorgesetzten-Karte aus und bestand auf seine Befehle, doch mir war klar, dass mehr dahinter stand. Spätestens nach dem Gespräch mit ihm. Und ich ahnte schon zu diesem Zeitpunkt, dass es mit Militärgeheimnissen zu tun haben musste, die mir wohl nicht gefallen würden. Darum hatte er mich abgezogen und nur darum. Doch dort starben Menschen, Commander, ich konnte nicht einfach so tun als ginge mich das Ganze nichts an. Also befolgte ich seine Befehle nicht, sondern kehrte heimlich zurück nach Corsho, hielt mich im Hintergrund innerhalb der Quarantänezone. Zu meinem Glück war es das reine Chaos dort, eine richtige Struktur schien noch niemand zu haben, also fiel ich nicht weiter auf. Aber dann..."
    Bisher hatte sie sehr ruhig gesprochen, doch jetzt zitterte ihre Stimme zum ersten Mal und sie hielt inne, legte sich eine Hand an die Lippen und schloss kurz die Augen. Die Erinnerung an den Schock war noch immer schmerzhaft. "Dann infizierte sich Ihre Tochter Sanju mit dem Virus...", hörte sie die leise Stimme des Commanders, der ihr somit über diese Schwelle half. Anouk nickte langsam. "Sie... sie gehörte zur Squad um Major-General Tokusawa. Ich wusste das, wusste, dass sie auf Corsho dabei war, aber habe mir ihretwegen keine wirklichen Sorgen gemacht. Es gab Kraftfelder, Schutzanzüge, Anweisungen für jeden Schritt und Sanju ist ein guter Soldat, das weiß ich. So wenig es mir gefällt, aber es ist so. Ich... habe mich nicht mit dem Gedanken belastet, dass sie sich infizieren könnte. Ebenso wenig wie ich mich mit dem Gedanken belaste, dass ich mich selbst infizieren könnte. Man lernt, solche Ängste von sich fern zu halten, sonst könnte man nicht arbeiten. Aber ja... ich bekam mit, wie sie zu Lieutenant Miller, dem Arzt der Squad gebracht wurde. Mit einem Riss im Schutzanzug, den sie sich beim Stapeln der Toten zugezogen hatte und einer positiven Diagnose. Und wie ich schon sagte - dieser Virus hatte eine hundertprozentige Mortalitätsrate. Es war ihr Todesurteil, wenn kein Wunder geschah. Und ich glaube nicht an Wunder. Nur an mich selbst und bestenfalls an die Leute um mich herum." "Und darum nahmen Sie die Sache selbst in die Hand...", schlussfolgerte Commander Turner und Anouk neigte sich leicht zu ihm vor. "Haben Sie Kinder, Commander? Glauben Sie mir, wenn Sie welche haben und wie ich gesehen hätten, was dieser Virus mit denen tat, die er einmal in seinen Klauen hatte, dann hätten Sie es auch nicht ertragen. Er schlachtet die Infizierten geradezu aus, wütet in ihnen wie eine kleine Granate, frisst sich durch die Organe und lässt den Organismus einen grausamen Tod sterben. Er zerstört ihn so gründlich, dass wir nicht einmal ausreichend Schmerzmittel geben können, um den Tod schmerzlos zu gestalten ohne die Kranken bereits mit diesen zu töten und sie einzuschläfern wie Tiere. Ich könnte Ihnen jetzt viele Fachbegriffe nennen, um diesen Virus zu beschreiben, doch ich denke, Sie verstehen meinen Punkt. Und das konnte ich nicht zulassen. Ich wollte es von Anfang an nicht zulassen, auch nicht für all die Infizierten, die ich nicht kannte. Meine Motivation zu tun, was ich tat, galt nicht ausschließlich der Rettung meiner Tochter. Aber ich gebe zu, dass durch ihre Erkrankung die letzten Zweifel wichen. Es gab jetzt keinen anderen Weg mehr für mich. Ich konnte sie nicht so sterben lassen, ohne zumindest alles versucht zu haben, um ihr dieses Schicksal zu ersparen."
    Anouk musste in paar Mal tief durchatmen nach dieser Ansage und versuchte, sich an die genaue Reihenfolge der weiteren Ereignisse zu erinnern. "Dann tauchte plötzlich Field Marshall DeLassal in diesem Zelt auf", fiel ihr ein. "Er drückte Lieutenant Miller eine Infusion in die Hand. Kommentarlos. Und wie Sie wissen, Commander Turner, ist Field Marshall DeLassal viele Dinge, aber mit Sicherheit kein Mediziner. Als Miller selbst nicht nachfragte, tat ich es. Ich wollte wissen, was in dieser Infusion war. Und wie sich herausstellte: Es war ein Antiserum für den Virus, den wir bekämpften. Das Militär hatte es die ganze Zeit über in einem ihrer Schränke gehabt." Man merkte ihr an, dass sie ihren Zorn nur sehr mühsam unterdrücken konnte. "Dumm war nur, dass es nicht mehr anschlug, da der Virus inzwischen mutiert war. Verstehen Sie, was das bedeutet, Commander?"
    Nun stand sie auf und ging in der Zelle auf und ab, sie musste ihren Zorn in Bewegung ertränken. "Sie hatten es die ganze Zeit über! Sie hätten den Ausbruch eindämmen können, sofort, schon zu Beginn! Und haben es nicht getan, weil sie ihre perfekte biologische Waffe schützen mussten! Deswegen stand das Militär vor der Tür sobald sie meinen Bericht gelesen hatten! Deswegen wurde ich abgezogen und mit Ausreden abgespeist! Sie haben die Leute sterben lassen und bis zur letzten Sekunde gewartet, um mit dem Antiserum rauszurücken, so lange bis es zu spät und der Virus mutiert war! Und glauben Sie ja nicht, dass sie nun plötzlich aus reiner Nächstenliebe heraus das Antiserum zur Verfügung gestellt hätten - oh nein. Es war ein Test. Der Befehl von der Präsidentin lautete, zu testen, ob sich der Virus damit würde eindämmen lassen. Sollte das nicht der Fall sein, sollte die Kolonie komplett durch Bomben ausgelöscht werden, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Drei Tage hatten die Infizierten noch, der Field Marshall hat es mir selbst bestätigt."
    Nun wirkte sie plötzlich wieder sehr müde, regelrecht grau im Gesicht und traurig sah sie ihren Anwalt an, bevor sie sich langsam wieder auf ihren Stuhl sinken ließ. "Wissen Sie, Mr. Turner... ich habe einmal an die Föderation geglaubt. An ihre Ideale. Ich wurde von Cardassianern großgezogen und kenne ihre Art der Staatsführung und der Rechtssprechung nur zu gut. Alles, was ihnen unbequem war und nicht in ihr Konzept passte, wurde vernichtet. Als ich mit siebzehn Jahren in die Föderation floh, war sie für mich das Paradies. Ein Traumland, in dem alles möglich war. Dessen hohe Ideale den meinen entsprach und das durch sie die Zeiten überdauern würde. Aber jetzt..." Tränen stiegen ihr langsam in die Augen. "...jetzt ist die Föderation nur noch eine weitere Großmacht im Wettstreit um die Oberherrschaft im Alpha-Quadranten. Wissen Sie, was Field Marshall DeLassal zu mir sagte, als ich ihn wegen der biologischen Waffe konfrontierte: 'Wir müssen uns gegen die Wahnsinnigen da draußen wehren können, die biologische Waffen einsetzen. Die Ärzte haben alles getan. Jetzt müssen wir handeln wie Soldaten.' Das hat er gesagt. Zweitausend Infizierte sollten durch Bomben vernichtet werden. Und da wusste ich: Alles, woran ich einmal geglaubt habe, ist tot, Mr. Turner. Meine Föderation gibt es nicht mehr. Krieg hat sie verändert und verformt und alle Unschuld aus ihr herausgesaugt. Das ist es, was Krieg immer tut. Staaten sind nicht anders als Individuen."
    Sie brauchte einen kurzen Moment, um den Schmerz, der in ihr aufstieg, wieder einzudämmen. Erst als sie sicher war, dass sie ruhig würde weitersprechen können, fuhr sie fort. "Ich überredete die Squad, mit mir zu kommen", sagte sie, wissend, dass es nicht völlig der Wahrheit entsprach. Sie waren ihr freiwillig gefolgt, aus eigenem Antrieb. Zumindest Ssihanna und Lieutenant Miller. Bei den beiden Privates war sie sich nicht völlig sicher. Doch das würde sie niemals laut aussprechen. Wenn sie ihnen helfen konnte, aus dieser Sache mit einem blauen Auge herauszukommen, dann würde sie es tun. "Ich erbeutete die Biohazard One und legte dem Colonel dort gefälschte Befehle vor, um das Kommando zugesprochen zu bekommen. Ich leugne nichts davon. Die Vorwürfe sind wahr, Commander Turner. Aber sie sind es nicht, weil ich kriminell handeln wollte. Sie sind es, weil man mir keine Unterstützung gewährte in dem Versuch, diese Leute vor dem Tod zu bewahren, sondern sie im Geiste schon begraben hatte unter Tonnen von Asche. Ich zog los, um das Wirtstier zu suchen. Wenn wir es finden würden, könnten wir von vorne anfangen. Die Chance war da, dass es das Antiserum für beide Virenstämme in sich trug, den alten und den mutierten oder dass man es zumindest aus seinem Blut würde bilden können, auch wenn man ein wenig synthetisch hätte werden müssen. Klar war nur, dass wir ohne es keine Chance hatten. Deswegen nahm ich Zugriff auf die alten Akten und ließ Kurs setzen auf das Emkara-System, wo der Virus vor Jahren wohl zum ersten Mal ausgebrochen war. Und tatsächlich fanden wir das Tier. Ich glaube an keinen Gott, Commander und auch nicht an die Propheten, auch wenn ich Bajoranerin bin. Aber dieser Fund war wie ein Wink von einer höheren Macht. Wir beamten zurück auf die Biohazard One und ich wollte gemeinsam mit Miller versuchen, das Antiserum zu kreieren. Doch dazu kam ich nicht mehr..." "... weil die Delta Force One sich Ihnen in den Weg stellte.", half ihr Anwalt ihr einmal mehr weiter und Anouk nickte.
    Sie schwieg lange und war sie zuvor müde, traurig und wütend gewesen, so wirkte sie nun schlicht gequält. "Ich wollte nie, dass jemand stirbt. Ich wollte nie, dass jemand verletzt wird. Im Gegenteil, ich war doch auf dem Weg, um 2000 Leute zu retten, nicht um zu töten! Ich musste eine Entscheidung treffen, Commander, eine schnelle Entscheidung. Ich habe versucht, den Major davon zu überzeugen, uns nach Corsho zurück zu geleiten, sobald wir das Antiserum haben, habe ihm mehrfach gesagt, dass wir das Wirtstier gefunden haben, doch er wollte nicht auf mich hören. Er wollte uns festsetzen, wie es seinen Befehlen entsprach, aber dann wäre es nie zur Entwicklung des Antiserums gekommen, an der wir nun so nahe dran waren, denn die Würfel waren für die Präsidentin und den Field Marshall ja längst gefallen! Ich... ich sah keinen anderen Ausweg, Commander. Ich schwöre Ihnen, ich wollte nur, dass die Delta Force One kampf- und manövrierunfähig geschossen wird, damit sie uns nicht mehr würde verfolgen können. Ich... habe keine Ahnung von Waffentechnik und Taktik. Und als die Schüsse das halbe Schiff auseinander rissen, da..." Sie hielt inne und holte tief Luft. Sie zitterte inzwischen am ganzen Körper, die Last der Toten schien sie in ihrem Stuhl niederzudrücken. "Es ist meine Schuld, Mr. Turner. Ich hätte nie befehlen dürfen zu schießen, war so naiv zu denken, dass der Crew nichts passieren würde. Ich übernehme die volle Verantwortung für die Toten und die Verletzten. Doch eines müssen Sie mir glauben: Es war kein Mord. Kein Vorsatz. Nur... Dummheit und Naivität und Verzweiflung", sagte sie leise.
    Eine Weile schwiegen sie nun beide. "Gibt es noch mehr zu berichten?", fragte der Commander irgendwann leise und Anouk schüttelte den Kopf. "Nein. Wir kehrten zurück nach Corsho, nachdem Lieutenant Miller das Antiserum entwickelt hatte und verabreichten es den Kranken. Dann wurden wir festgenommen." Sie sah nun wieder auf. "Darf ich Sie um ein paar Dinge bitten, Mr. Turner?", fragte sie leise und als er nickte, sprach sie weiter. "Bitte versuchen Sie dafür zu sorgen, dass die Squad nicht ebenso hart bestraft wird wie ich. Sie sind mir gefolgt. Ich war diejenige, die das Schiff gestohlen hat. Ich war diejenige, die den Befehl zum Schießen gegeben hat. Man kann Ihnen nur eine Befehlsverweigerung zum Vorwurf machen, weil sie mir folgten. An allem anderen sind sie unschuldig. Und dann... würden Sie bitte... meine Tochter für mich besuchen und mir sagen, wie es ihr geht? Ich möchte nur wissen, ob sie gesund wird. Und... wenn es nicht zu unwichtig ist... könnten Sie mir vielleicht einige Bücher besorgen? Es ist gleichgültig, welche es sind. Es müssen auch keine PADDs sein, ich weiß, dass man mir keine Technik in die Hand geben will. Gebundene Bücher wären auch gut. Ich würde nur gern... ab und an auf andere Gedanken kommen." Erschöpft sah sie ihn nun an und wartete auf seine Antwort.

    Commodore Prof. Dr. Anouk Selene Fey
    1st Controller UFP Paracelsus Medical Center


    "You and I are not the polite people that live in poems."

  • In dem Augenblick, als Ssihanna und alle anderen verhaftet wurden, hatte sie kein Wort mehr gesprochen und sich ohne widerstand in die Zelle abführen lassen. Dort hatte sie sich in die hinterste Ecke verkrochen und keinen weiter beachtet. Selbst der Anwalt, der sie in den Zellen besuchte, hatte es nicht geschafft ihr ein Wort zu entlocken. Sie wollte nicht reden und sie würde es auch vorerst nicht tun denn sie hatte ihren Vater verloren und beinahe ihre beste Freundin. Das war ihr alles zuviel und sie wollte hier nur noch weg. Aber den Gefallen würde ihr hier vermutlich so schnell niemand tun. Ihnen stand eine Verhandlung bevor und keiner wusste wie diese ausging.

    "Ich komme mit leeren Händen im Geiste der Samurai
    Voll Achtung vor der Schwäche und frei von Angst vor der Stärke.
    Sollte ich gezwungen sein, mich selbst, meine Grundsätze oder meine
    Ehre zu verteidigen – sollte es um Recht oder unrecht gehen -,
    dann ist dies meine Waffe."


    Signatur%20Ssihanna.png

  • Wyatt fand immer noch das sie richtig gehandelt hatten, erhatte sich mittlerweile hingesetzt und über einige Sachen nachgedacht. Er spürte das unbehagen der anderen, teilweise auch Wut und Enttäuschung. Er sah kurz zu Ssihanna, die sehr still war, seit sie verhaftet wurden und spürte bei ihr das gleiche an Emotionen. Er könnte versuchen ihre Gedanken zu erfassen, aber das würde er nicht tun, das tat er nie. Das machte er nur wenn es der Fall unbedingt erforderte und es sich um eine Notsituation handelte. Auch wenn es sehr verlockend war, weil er ihr helfen wollte, sie trösten wollte. Da sie mittlerweile eine sehr gute Freundin für ihn geworden war. Er stand auf und setze sich einfach neben sie, vielleicht half ihr das allein ja auch schon. Er nickte ihr kurz zu und deutete ihr an, das er jederzeiut für sie da sein würde.

  • Pierre-Emerick saß eiterhin in seiner Zelle und versuchte sich irgendwie zu beschäftigen. Gelangweilt und genervt hockte er auf seinen Bett in der Zelle. Nun er fragte sich "Wer wird den jetzt mein Erstsatz werden bis ich wieder arbeiten kann?"


    Einige Zeit später nahm er sein Buck das er dabei hatte. Es heißt "The History of Canada". Er ließt nun dieses Buch um sich wenigstens ein bisschen zu beschäftigen. Aber den noch mit den Gedanken bei seinem Nachfolger, der sicherlich irgendwo da oben rum rennt und Spaß hat.

    • Offizieller Beitrag

    J.A.G. Protokoll 01012407/AFvsUFP
    Vertreter der Verteidigung; Commander Sturgis Turner
    Befragung 6 >> Besuch Anouk Fey


    Es kommt nicht oft in meinem Beruf vor, das sich Dinge rasant ändern oder andere Sichtweisen die Oberhand bekommen, wenn alles bereits so fest zu stehen scheint. Aber manchmal, und dies werte ich als die positiven Erlebnisse meiner Arbeit, ist es doch so. Noch vor einer Woche sah es so aus, als würde mein neuer Fall in einem wahren Desastert für meine Klientin enden... Mordanklage, absolute Isolation, kaum Aussicht auf ein gutes Ende. Und nun, gerade mal drei Wochen nach meinem ersten Besuch bei Commodore Fey nun das... und das von höchster Stelle. Endlich konnte ich eine fundierte Verteidiguing aufbauen, die zumindest einen erfolg verbuchen konnte anstatt vollständige Vernichtung. Und so machte ich mich nun auf, meine Klientin von den neusten Entwicklungen zu berichten.


    Das Gefängnis war noch immer ein beklemmender Ort, man konnte die Verzweiflung sowie die Gewissheit verlorener Möglichkeiten und falscher Entscheidungen, das Ende ganzer Existenzen geradezu mit jedem Schritt förmlich spüren... das fiel mir jedes mal auf, auch heute, als ich langsam zum Besucherraum geführt wurde, in dem Commodore Fey bereits auf mich wartete. Entgegen meiner Erwartung und Befürchtung sah sie heute erheblich besser aus, als ich sie in Erinnerung hatte. Ich stellte mich kurz erneut vor und setzte mich ihr gegenüber.


    "Miss Fey, ich habe einige Informationen das bevorstehende Verfahren betreffend und muss ihnen diese dinge auch mitteilen, was ich heute besonders gerne tue..." Ich lächelte leicht und sah sie direkt an. "Es ist so, das zunächst Fdm DeLassal das Besuchsverbot mit einem Eilantrag an den entsprechenden Richter zur Aufhebung gebracht hat... dies bedeuet, Sie werden aus dem Einzelvollzug in den allgemeinen Vollzug überstellt, jedoch bleiben Sie in einer Einzelzelle. Somit sind Sie befugt, jeglichen Besuch zu empfangen, natürlich unter Registrierung und Überwachung. Desweiteren könnnen Sie nun die anderen Mitangeklagten sehen und mit ihnen sprechen, sofern Sie dies wünschen. Und da wäre noch etwas..."


    Ich sah sie weiterhin an und sah, wie sich ihre Züge etwas entspannten... ihr mussten ganze Gebirge vom Herzen fallen... "Wie gesagt, das wäre noch etwas..." fuhr ich weiterhin fort.

    "Fdm DeLassal hat seine volle Unterstützung zur Aufklärung dieser Katastrophe zugesagt und mir bereits die ersten Ergebnisse der Untersuchungen übergeben lassen... sie sind noch nicht vollständig abgeschlossen und ich bin kein Techniker, ich verstehe das meiste des Berichtes nicht, aber es scheint durchaus die explosion begünstigte Faktoren zu geben, die nicht auf den direkten Feuerbefehl zurückzuführen sind. Damit können wir eine effektive Verteidigung aufbauen... Ich weiß ja nicht, was geschenen ist, aber mit einem solchem Wandel der Nebenklage hätte ich nicht gerechnet..."


    Ich schwieg und konnte meine Aufregung kaum noch verbergen und sah Commodore weiterhin an und wartete nun darauf, was sie nun sagen würde.

    Chief Minister of Defence

    1st General of the Army

    Member of the UFP-Special Operation Command SOCOM
    Member of the M.A.C.O. High-Comamnd


    "My country 'tis of thee, sweet land of liberty, of thee I sing.
    Land where my fathers died, land of the Pilgrim's pride,
    From every mountainside, let freedom ring!"
    Martin Luther King 1963


    Signatur%20Eric.png

  • Es war etwa eine Stunde her, dass man ihr gesagt hatte, dass sie Besuch erhalten würde. Ihr Herz hatte einen Satz gemacht, Adrenalin durch ihre Adern gepumpt. Konnte es sein, dass Eric sein Wort wahr gemacht hatte und sie endlich ihre Familie würde sehen dürfen nach all der Zeit?
    So kam es, dass sie die Nachricht, dass es ihr Anwalt Mr. Turner war, der sie bald beehren würde, mit eher gemischten Gefühlen aufgenommen hatte. Sie mochte den Mann, sie würde lügen würde sie das Gegenteil behaupten. Doch er war es nicht, den sie zu sehen gehofft hatte. Allerdings war sie widerstandslos in den Aufenthaltsraum gefolgt, in dem sie mit ihm sprechen durfte. Eine wunderbare Abwechslung von der Zelle, in der sie kaum Ablenkung und kaum geistige Nahrung erhielt. Für eine intelligente und für gewöhnlich immer beschäftigte Frau wie sie, war dies mit das Schwerste an der gegenwärtigen Situation. Die Langeweile und Unterforderung höhlten sie aus und dämpften jede Gefühlsregung auf ein Minimum herunter. Es mochte darum sein, dass sie Mr. Turner sehr viel erfreuter entgegen sah als beim letzten Mal. Er war eine Abwechslung. Ein Mensch, mit dem sie eine Weile reden konnte und der ihr Neuigkeiten brachte. Ein Mensch, der ihr das Gefühl gab, dass es noch eine Außenwelt gab, die sie nicht ganz vergessen hatte.
    Und so grüßte sie Mr. Turner und musterte ihn kurz. Er wirkte aufgeregt und nervös, allerdings auf eine Art, die sie an ihre Kinder erinnerte, wenn sie eine selbstgebastelte Überraschung hinter ihrem Rücken versteckt hielten, um sie damit zu überraschen. Eine fiebernde Unruhe, die aus dem Wunsch nach Anerkennung und Freude resultierte. Und so wunderte es sie nicht, dass er ihr ankündigte gute Neuigkeiten für sie zu haben.


    "Es ist so, dass zunächst Fdm DeLassal das Besuchsverbot mit einem Eilantrag an den entsprechenden Richter zur Aufhebung gebracht hat... dies bedeuet, Sie werden aus dem Einzelvollzug in den allgemeinen Vollzug überstellt, jedoch bleiben Sie in einer Einzelzelle. Somit sind Sie befugt, jeglichen Besuch zu empfangen, natürlich unter Registrierung und Überwachung. Desweiteren können Sie nun die anderen Mitangeklagten sehen und mit ihnen sprechen, sofern Sie dies wünschen. Und da wäre noch etwas..."


    Anouk schaltete seine Überleitung zum nächsten Thema für einen Moment aus und schloss die Augen. Die Erleichterung, die seine Worte mit sich brachten, erfüllte sie ganz und gar. Sie würde ihre Familie sehen können. Sie würde die Anderen sehen können. Ssihanna sehen können, um die sie sich ganz besonders sorgte. Eric hatte es wahr gemacht und sein Wort gehalten. Und sie wusste nicht, ob sie ihm je zuvor schon einmal so dankbar gewesen war. Wie wunderbar der Gedanke war, der quälenden Isolation zu entkommen, verdeutlichte ihr einmal mehr, wie sehr man Kleinigkeiten genießen musste, die man sonst für selbstverständlich hinnahm.
    Doch schließlich konzentrierte sie sich wieder auf Turners nächste Worte und unwillkürlich runzelte sie die Stirn. Andere Ursachen für die Explosion... ein technischer Fehler im Schiff? "Aber dennoch war der Schuss der Auslöser für die Explosion, oder nicht? Hätte dieser technische Fehler so oder so zur Detonation geführt, auch ohne den Feuerbefehl?" Anouk neigte sich vor. "Denn nur dann kann es Schuld von mir nehmen. Wenn der Schuss der Auslöser gewesen war, spielt der technische Defekt keine Rolle. Zumindest nicht für mich. Dann waren meine Befehle noch immer der Auslöser für all die Toten, Mr. Turner." Ihr Blick verfinsterte sich. Nie mehr würde sie von sich behaupten können, nie ein Leben ausgelöscht zu haben. "Und ja, mir ist klar, dass das juristische Vorteile bringen kann. Die Frage gilt lediglich meinem Gewissen."
    Auf seine Verwunderung bezüglich Erics Sinneswandel, schwieg sie sich aus. Er würde es nicht verstehen und sie wollte es ihm nicht erklären. Es war wohl auch nicht erklärbar. Eric und sie hatten sich schon oft genug verletzt und dennoch genauso häufig wieder zusammen gerauft. Sie blieben nie Feinde für immer.
    "Ich möchte Ssihanna sehen, wenn das möglich ist", bemerkte sie. "Sie hat gerade ihren Vater verloren und folgte mir trotzdem nach, um ihre beste Freundin zu retten. Dafür sitzt sie nun im Gefängnis... ich möchte sie sehen. Bitte."

    Commodore Prof. Dr. Anouk Selene Fey
    1st Controller UFP Paracelsus Medical Center


    "You and I are not the polite people that live in poems."

  • Als sich die Zellentür hinter ihr schloss, atmete Anouk auf. Trotz ihrer Situation empfand sie für den Moment nichts als Erleichterung. Erleichterung darüber, endlich einen Moment für sich allein zu haben. Sie drehte sich in ihrem neuen Zuhause auf Zeit einmal um sich selbst. Es war nicht groß, aber immerhin geschlossen. Die Zellen, die lediglich durch ein Kraftfeld verschlossen wurden, mochten in Ordnung sein für einen Kurzaufenthalt im Arrest, wenn man ein wenig überreagiert hatte und nach ein paar Stunden wieder gehen durfte, doch für einen längeren Zeitraum, einen Zeitraum der über Monate oder gar Jahre andauerte, konnte sich Anouk kaum etwas Schlimmeres vorstellen als auf Dauer hinter nichts als einem Kraftfeld zu sitzen. Der Voyeurismus dahinter würde an Folter grenzen. Doch so war die Föderation immerhin nicht.
    Sie setzte sich an den kleinen Tisch, der für sie bereitstand. Standardeinrichtung, da war sie sich sicher. Niemand hätte ihr ein Extra zukommen lassen, um ihr die Zeit zu versüßen, aber das war auch nicht nötig. Ein Tisch, ihre Aufzeichnungen und etwas zu schreiben - und sei es nur eine handschriftliche Möglichkeit, weil man ihr kein technisches Gerät geben wollte oder es schlicht den Standard einer Gefängnisinsassin übersteigen würde. Mehr würde sie nicht brauchen. Denn Anouk hatte nicht vor, dieses Jahr ungenutzt verstreichen zu lassen. Es gab so viel zu tun und da das Urteil ihr nicht erlaubte, sich tatsächlich im realen Leben nützlich zu machen, würde sie es hier tun müssen. Einige persönliche Gegenstände hatte sie hierher mitbringen dürfen und neben Bildern ihrer Familie hatte sie besonders ihre Forschungsaufzeichnungen über das Undinenvirus bei sich. Es gab reichlich zu protokollieren und in eine sinnvolle Ordnung zu bringen, viele Dinge mussten noch einmal genau in Augenschein genommen werden und sie war bisher nie dazu gekommen, die alten Ergebnisse systematisch noch einmal durchzugehen und zu einem stringenten Bericht zusammen zu fassen. Es war eine Arbeit, die so komplex und langwierig war, dass man sie, bedingt durch alle neuen Aufgaben, die im Alltag anstanden, ständig hinausschob. Hier bot sich ihr nun die perfekte Gelegenheit dazu, dieses Versäumnis nachzuholen. Abgesehen davon, dass sie die Hoffnung hegte, dass Lily sie wenigstens einmal würde besuchen können, um ihr neue Ergebnisse zu bringen, die es einzuarbeiten galt. Vielleicht würde ein lückenloser Gesamtüberblick endlich zu einer zündenden Idee führen, denn Anouk hatte keine Sekunde lang vor, ihre überaus wichtige Arbeit an einem Gegenmittel vollkommen auf Eis zu legen. Zugegeben, die Bedingungen waren erschwert, doch das bedeutete nicht, dass sie das Jahr nicht auf irgendeine Art würde nutzen können.
    Doch trotz ihrer Motivation, drifteten ihre Gedanken von der Arbeit ab, während sie einen Blick aus dem Fenster warf. Sie stand auf und trat an dieses heran, um einen Blick hinauszuwerfen. Es war bereits früher Abend und die Sonne stand tief am Himmel. Bald würde sie untergehen und die Welt würde zur Ruhe kommen. Dunkelheit und Stille kündigten sich an. Es war jene Zeit des Tages, die Frieden, aber auch unglaubliche Einsamkeit in sich tragen konnte. Jene Stunde zwischen Tag und Nacht, die nach sonnengetränkten Blumen duftete und von nahender Ruhe und warmen Umarmungen kündete, wenn man Glück hatte. Doch ebenso von drückender Stille, schwindendem Licht und fehlender Beschäftigung, um die eigenen Gedanken und Dämonen in sich nicht laut werden zu lassen. Von ewig langen Nächten, in denen man sich lebendig begraben fühlte.
    Anouk hatte das beinahe vergessen. Zu selten war sie außerhalb von Raumstationen, um sich an die Stimmung gewöhnen zu können und wenn sie auf der Oberfläche eines Planeten gewesen war, dann entweder mit ihrer Familie oder aufgrund einer dienstlichen Verpflichtung. In beiden Fällen hatte sie keine Zeit für Dämonen gehabt. Hier jedoch wanderten ihre Gedanken unweigerlich zurück zu dem Prozess, der in den Nachmittagsstunden zu Ende gegangen war.
    Sie war so schockiert gewesen wie alle Anderen, als Samantha Riley sich als Mörderin offenbart hatte. Niemals hatte sie damit gerechnet, nie war es auch nur ein hypothetisches Szenario in ihrem Geist gewesen, dass die junge Frau mit voller Absicht einen Fehlschuss gesetzt haben könnte, um die eigenen Leute zu töten. Ad hoc hatte dies Anouk von der Hauptlast der Schuld befreit und sie hätte erleichtert sein müssen darüber. Doch hier und jetzt, während sie die Farben des Abendhimmels aus dem Fenster ihrer Gefängniszelle anschaute, verspürte sie keine Erleichterung. Nur Traurigkeit. Traurigkeit darüber, dass diese junge Frau durch irgendetwas so wütend gewesen war, dass sie keinen anderen Weg gesehen hatte. Traurigkeit darüber, dass so Viele hatten sterben müssen. Traurigkeit darüber, dass sie es gewesen war, die Riley die Gelegenheit dazu gegeben hatte. Anouk war nicht dumm, sie wusste, dass es früher oder später wohl so oder so zu einem entsprechenden Ausbruch bei der Private gekommen wäre. Doch sie würde immer diejenige sein, unter deren Kommando es geschehen war. Die, die nie wieder ein Schiff kommandieren würde. Der man nicht vertrauen konnte. Die Befehlsverweigerin. Die Spionin. Die Cardassianerin.
    Als ihre Gedanken an diesem Punkt angelangt waren, schluckte sie hart und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und durch das Haar. Nein, sie wurde zu dramatisch. Es war ein Trick gewesen. Ein Trick, auf den sie hereingefallen war, obwohl ihr vorher klar gewesen war, dass Corone McCullagh versuchen würde, sie zu provozieren. Der Staatsanwalt hatte seine Hausaufgaben gemacht und vor Gericht seine Arbeit getan. Er hatte versucht, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, um die Geschworenen von seiner Sichtweise zu überzeugen. Natürlich hatte er das. Worauf hätte er auch sonst seine Strategie aufbauen sollen, wenn man bedachte, dass sie eine makellose Akte vorzuweisen hatte? Und es war ihm gelungen, weil der Richter die Entscheidung getroffen hatte, McCullaghs Weg der dubiosen Anschuldigungen und psychologisch äußerst fragwürdigen Querverbindungen zu folgen und ihre Kindheit in Kriegsgefangenschaft des Obsidianischen Ordens gegen sie zu verwenden, dem Gedankengang folgend, dass diese eine direkte Motivationsgrundlage für ihre Handlungen auf Corsho dargestellt hatte, obwohl doch bereits jedem in diesem Saal klar gewesen sein musste, was das wahre Motiv gewesen war.
    Sanju. Anouk atmete tief durch, als sie an sie dachte und wandte sich vom Fenster ab. Sie griff nach ihrer Tasche, zog ein Bild ihrer beiden ältesten Töchter, Sanju und Sinaida, hervor und setzte sich auf das Bett, um es zu betrachten. Dabei fuhr sie mit dem Daumen sachte über Sanjus lächelndes Gesicht. Auf diesem Bild konnte sie es noch sehen, das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war. So viel Lebenslust in ihren Augen, so viel drängende Energie. Sie hatte sein wollen wie Eric. Sein wollen wie Donnie. Ihre großen Vorbilder, die strahlenden Helden ihrer Kindheit. Die hochdekorierten Soldaten in ihren prächtigen Uniformen, die sie so vergöttert hatte und die sie ihrerseits innig geliebt hatten. Doch Anouk hatte immer daran gezweifelt, ob der Weg in den Marine Corps der richtige Weg für Sanju gewesen war. Donnie und Eric hatten es auf ihre Abneigung gegen die Kriegseinsätze der Spezialkräfte geschoben und zum Teil hatten sie damit auch durchaus recht gehabt. Als Kriegskind und direktes Opfer seiner mannigfaltigen Grausamkeiten hielt sie jegliche Glorifizierung von Kriegshandlungen für Heuchelei. Krieg hatte nichts heroisches an sich. Er sorgte nur dafür, dass die, die sich ihm stellen mussten, irgendwann ausbrannten und abstumpften, wenn sie überleben wollten. Ob es durch einen einzigen, ganz bestimmten Vorfall oder Verlust oder schlicht mit der Zeit geschah, war dabei gleichgültig. Sie hatte das für ihre Tochter nicht gewollt. Doch es war mehr gewesen als das. Es war das unwillkürliche Gefühl einer Mutter gewesen, dass dieser Weg nicht der wahren Natur ihrer Tochter entsprach. Zwar war es ihr eigener, unbedingter Wille gewesen, jedoch gestützt auf die falschen Grundsätze - auf den Durst sich zu beweisen und den Hunger nach Anerkennung. Auf das Verlangen, endlich eine Erwachsene zu sein. Endlich dazuzugehören zu denen, die sie schon so lange anhimmelte. Und sie war begabt, daran zweifelte Anouk keine Sekunde. Donnie hatte ihr immer wieder stolz berichtet, wie gut sich Sanju in der Grundausbildung und in den frühen Einsätzen geschlagen hatte und Anouk hatte gelächelt und versucht sich mit ihm zu freuen. Sich mit ihr zu freuen. Doch es war immer ein bitterer Beigeschmack dabei geblieben für sie, die Gewissheit, dass irgendwann etwas geschehen würde, was dem Ganzen ein schlimmes Ende setzen würde. Es war zu perfekt gewesen. Und obwohl Anouk wusste - und auch schon damals gewusst hatte - dass ihre eigene Vergangenheit dafür sorgte, dass sie zuweilen Schatten an Wänden huschen sah, die nicht da waren, hatte sie das Gefühl einfach nicht abschütteln können.
    Doch dann war es geschehen. Dann war Corsho gekommen, die Seuche, Sanjus Infizierung. Anouk musste an die Worte denken, die ihre Tochter im Gerichtssaal gewählt hatte, um zu beschreiben, wie es sich angefühlt hatte im Sterben zu liegen. "Ich glaube nicht, dass man es richtig beschreiben kann...", hörte sie sie sagen. "Man liegt im Delirium und fiebert und alles, was man von der Welt noch mitbekommt, ist Schmerz. Es ist als... wäre ein Kriegsschlachtfeld im Körper. Ich weiß nur noch, dass ich vor Schmerzen immer wieder aufgewacht bin und manchmal dachte, ich weine, aber es war Blut, das mir aus den Augen und aus der Nase lief und ich konnte nicht mal die Hand heben, um es wegzuwischen. Irgendwann... weiß man selbst im Delirim, dass man bald stirbt." Anouk hatte alles an ihr wahrgenommen in diesem Moment. Ihren starren Blick, der niemanden fokussiert, sondern in eine unbestimmte Ferne geblickt hatte. Das Zittern in ihrer Stimme bei manchen Worten. Die zu Fäusten geballten Hände. Ihre ganze Haltung hatte Widerstand ausgedrückt, schon als sie den Gerichtssaal betreten hatte. Sie hatte nicht dort sein, nicht darüber sprechen wollen. Sie hatte vergessen wollen. Und genau das war es, was Anouk Angst machte. Denn es gab eine weitere Grausamkeit, die Krieg einem Wesen antun konnte - er konnte es traumatisieren. Sie wusste, dass es so war und sie wusste, wie es sich anfühlte, auch wenn sie den Kindern gegenüber nie davon gesprochen hatte und es auch sonst kaum tat. Doch in Sanjus Augen hatte sie die Andeutung einer Leere gesehen, vor der es ihr graute.
    Am zweiten Verhandlunstag - also heute - war Sanju erneut dort gewesen. Diesmal nicht als Zeugin, sondern als Angehörige. Sie hatte bei Donnie gesessen und war dem Prozess mit ernster Miene gefolgt. Anouk hatte gesehen, wie sie hatte aufspringen wollen, als man ihre Mutter als cardassianische Spionin beschimpft hatte und wie Donnie nur mühsam in der Lage gewesen war, dies zu verhindern. Sie hatte die Wut in ihren Augen gesehen. Und dass sie keine Uniform getragen hatte. Es schien eine Kleinigkeit zu sein, da sie an diesem Tag nicht mehr würde aussagen müssen und von daher in Zivil hatte erscheinen können, doch Anouk war klar gewesen, dass Sanju vor diesem Vorfall immer in Uniform zu einer solchen Gelegenheit gekommen wäre. Sie hatte sich als Soldatin gefühlt, war stolz darauf gewesen, hatte sich mit ihrer Uniform identifiziert. Doch jetzt schien sie sie kaum schnell genug vom Leib kriegen zu können.
    Nach dem Urteil hatte Anouk nur kurz mit ihrer Familie sprechen können, es hatte kaum für mehr als ein paar tröstende Sätze und einige Umarmungen gereicht und so stand ein wirklich ausführliches Gespräch mit Sanju immer noch aus, obwohl bereits fast ein halbes Jahr seit Corsho vergangen war. Sie hoffte, es würde bald dazu kommen, denn es stand eine Veränderung für Sanju bevor, da war sie sich sicher. Wenn sie konnte, würde sie ihr helfen. Doch sie war sich in diesem Moment, als die Sonne draußen für diesen Tag endgültig versunken war und das Licht in den Zellen angeschaltet wurde, nicht sicher, ob sie es konnte.

    Commodore Prof. Dr. Anouk Selene Fey
    1st Controller UFP Paracelsus Medical Center


    "You and I are not the polite people that live in poems."

  • "Sanju, Liebes, du ißt ja gar nichts", ertönte die sanfte Stimme Marjorie Santoros, die sich über den Tisch neigte und die Hand ihrer Enkelin mit ihrer großen, warmen Hand umschloss. "Geht es dir nicht gut?" Sanju, die bisher eher unbeteiligt in ihrer Suppe gerührt hatte, zuckte zusammen bei der plötzlichen Berührung und sah auf. Ihr Körper spannte sich an, nur um sich langsam wieder zu entspannen, als sie in das freundlich lächelnde Gesicht der älteren Frau blickte.
    Marjorie war Donnies Mutter, ein wahrer Seelenmensch und auch wenn sie nicht Sanjus leibliche Großmutter war, so hatten sie und ihre Geschwister sich doch alle im gleichen Maße wohlfühlen können auf ihrer Ranch in Montana, als sie noch Kinder gewesen waren. Es war nie ein Unterschied gemacht worden zwischen den Zwillingen Elena und Jamie, die Donnies und Anouks gemeinsame Kinder waren und den beiden älteren Mädchen, die Anouk bereits mit in die Ehe gebracht hatte.
    Vor vier Monaten, nachdem die Gerichtsverhandlung ob der sehr skandalösen und tragischen Geschichte auf Corsho vorbei gegangen war und man Anouk für die Straftaten, die sie wissentlich und willentlich begangen hatte, zu einem weiteren Jahr Haftstrafe verurteilt hatte, hatte Sanju um eine Freistellung bei den Forces gebeten, die ihr zunächst für ein halbes Jahr gewährt worden war. Unstet und unruhig wie selten in ihrem Leben, hatte sie Shepard daraufhin den Rücken gekehrt und war nach Terra gereist ohne recht zu wissen, was sie dort eigentlich suchte. Nur fort gewollt hatte sie von all den Leuten, die wussten, was geschehen war, die sie anstarrten und hinter ihrem Rücken über ihre Krankheit und über ihre 'cardassianische' Mutter tuschelten und so hatte sie sich, da es ihr an einem Plan gefehlt hatte, fürs Erste bei Marjorie einquartiert und dort bisher vier ihrer sechs freien Monate verbracht. Ohne dass es sie einen Schritt weiter gebracht hätte.
    "Sanju? Geht es dir gut?", hakte Marjorie noch einmal nach und schürzte die Lippen, als die junge Frau mit einem einfachen Nicken und einem vagen zustimmenden Ton antwortete. "Ah, Bullshit!", fluchte sie und Sanju hob die Brauen. "Seit vier Monaten sitzt du hier und sagst kaum ein Wort, ißt nicht vernünftig, gehst stundenlang spazieren ohne Begleitung..." "Ohne Begleitung?", fiel Sanju ihr ins Wort und ihre Brauen wanderten noch ein wenig höher. "Ehrlich, Grandma, das klingt als wolltest du mir eine Anstandsdame verpassen, um zu sehen, ob ich auch ja keinen Unsinn anstelle. Oder als hättest du Angst, dass mich jemand entführt in der weiten, einsamen Landschaft von Montana..." "Mach dich nicht über mich lustig und versuch nicht, das Thema zu wechseln!", schimpfte Marjorie. Ihre dunkle Stimme dröhnte durch die Küche und mit einer energischen Handbewegung strich sie sich die von grauen Strähnen durchzogenen Rastalocken zurück. "Allein bist du, nur in deinem Schneckenhaus und brütest vor dich hin, schon seit du angekommen bist!" "Das ist nicht wahr!", fuhr nun auch Sanju auf. "Ich gehe zur Kirche... das weißt du." Sie senkte den Blick, sich durchaus im Klaren darüber, dass dies zur Zeit tatsächlich die einzige Tätigkeit war, bei der sie irgendeine Art von sozialen Kontakten pflegte. "Ja... das tust du", stimmte Marjorie zu. "Und es freut mich, dass es dir Freude macht dorthin zu gehen, aber... Baby, das kann doch nicht alles sein. Seit der Gerichtsverhandlung verkriechst du dich hier. Versteh mich bitte nicht falsch, ich danke Gott für jeden Tag, den du bei mir verbringst, aber als du hier ankamst sagtest du mir, es sei nur für eine Weile, höchstens zwei Wochen, bis du dir im Klaren darüber bist, wo du hinwillst. Du sagtest, du bräuchtest eine Pause von deinem Job und von allem, was passiert ist und das verstehe ich. Das haben wir alle verstanden. Nur... dich hier zu verstecken, wird dich in keiner deiner Entscheidungen weiterbringen, die du treffen musst."
    Sanju lauschte ihr mit gesenktem Blick, brennenden Wangen und stoischem Schweigen, welches weiterhin anhielt, auch nachdem Marjorie ihren Redefluss beendet hatte. Nach einem Moment des Schweigens seufzte diese tief auf. "Na gut. Okay. Hast du wenigstens mit deiner Familie gesprochen? Mit deinem Vater? Deinen Geschwistern? Oder hast du vor, deine Mutter einmal zu besuchen?" Bei diesem Satz schien ein Ruck durch Sanju zu fahren und sie hob den Blick, starrte ihre Großmutter für einen Augenblick an und erhob sich dann in einer plötzlichen, schnellen Bewegung. Ohne ein Wort zu sagen, verließ sie die Küche und das Haus und schlug die Holztür geräuschvoll hinter sich zu. Eisiger Wind wehte ihr entgegen, es war bereits dunkel und schon in den Herbstmonaten schmeckte man in Montana den Winter in der Luft. Sanju atmete tief durch, strich sich mit einer fahrigen Bewegung das Haar aus dem Gesicht und nach hinten und begann schließlich zu laufen. Erst in langsamem Jogger-Tempo, doch irgendwann steigerte sie ihre Geschwindigkeit und rannte durch die Dunkelheit. Einzig das Mondlicht gab ihrer Umgebung Konturen und ließ sie ihren dampfenden Atem vor den tauben Lippen sehen. Sie wusste nicht, wohin sie wollte, nur weg von Marjorie, ihrem guten Zureden, ihrer plakativen Besorgnis und ihren versteckten Spitzen. Weg von ihr, weil sie sich den Wahrheiten, die sie auf sie einprasseln ließ, nicht stellen wollte. Nicht stellen konnte. Sie wollte nicht daran erinnert werden, dass ihr Leben ins Leere lief, während sie die Hände im Schoß gefaltet hielt und nichts dagegen unternahm. Wollte nicht wissen, was man um sie herum für Erwartungen an sie stellte - ein Besuch, ein Anruf, irgendeine Art von Lebenszeichen. Entscheidungen jeglicher Art, die sie nicht zu treffen bereit war. Und vor allem wollte sie nicht an ihre Mutter erinnert werden, die ihretwegen in diesem Gefängnis saß. Deren Ruf und Karriere ihretwegen zerstört waren und die sich in einem föderativen Gerichtssaal nach über zwanzig Jahren treuem und gewissenhaftem Dienst in der Sternenflotte als cardassianische Spionin beschimpfen lassen musste. Sie hatte sie seit diesem Tag, der nun beinahe vier Monate zurücklag, nicht mehr gesehen und auch davor seit Corsho nicht mehr, da sie zu krank gewesen war, um ihre Mutter in der U-Haft zu besuchen. Nie zuvor hatte es eine Zeit in ihrem Leben gegeben, in denen sie sich so lange nicht gesehen, nicht miteinander gesprochen hatten und Sanju wusste, dass ihre Mutter auf sie wartete. Und doch brachte sie es einfach nicht über sich, ihr unter die Augen zu treten.
    Nicht weil sie ihre Vorwürfe fürchtete, oh nein, sie wusste, es würde keine geben. Anouk würde sich freuen, sie zu sehen. Doch allein die Vorstellung dabei zusehen zu müssen, wie ihre Mutter in einem Gefängnisoverall und in Handschellen zu ihr geführt wurde, ließ ihr übel werden. Von Anfang an hatte Sanju sich über ihre Wünsche hinweggesetzt. Anouk hatte nie gewollt, dass ihre Tochter dem Marine Corps beitrat, hatte immer befürchtet, dass es einmal ein schlimmes Ende nehmen würde. "Wenn du diesen Weg einschlägst, wirst du irgendwann einmal den Preis der Soldaten zahlen müssen", hatte sie ihr gesagt. "Der Krieg hat nichts heldenhaftes oder poetisches an sich. Und Soldaten sterben oder kommen als menschliche Wracks zurück. Zur Schlachtbank geführt von Leuten, die danach nichts mehr davon wissen wollen, dass es Befehle dieser Art gegeben hat. Der Preis der Soldaten ist die Leere in den Augen - so oder so." Sanju erinnerte sich an diese Worte, hörte sie in der kalten Nacht in Montana so klar und deutlich, als stünde Anouk neben ihr und flüstere sie ihr erneut zu.
    Damals, als sie sie zum ersten Mal gehört hatte, hatten sie sie wütend gemacht. Sie hatte nichts hören wollen von den Weisheiten ihrer Mutter, von ihren Erfahrungen mit Kriegen seit ihrer frühesten Kindheit. Bei ihr würde alles ganz anders sein, da war sie sich sicher gewesen. Abgesehen davon: Donnie, Eric, Angel und so viele Andere, die Sanju seit ihrer Kindheit gekannt hatte, waren erfolgreiche und hochdekorierte Soldaten und bei keinem von ihnen hatte sie leere Augen entdeckt. Sie war sich sicher gewesen, dass ihre Mutter übertrieb, ihr nur ihre Karriere in den Forces nicht gönnen wollte wegen ihrer eigenen Aversion gegen diese. Und der Beginn ihrer Laufbahn in der Squad schien ihr in dieser Annahme recht zu geben, denn es hätte nicht viel besser laufen können. Stark und geschickt war sie schnell in den Rängen aufgestiegen, hatte Freunde und gute Kameraden gehabt, war beliebt gewesen und sich so sicher, dass dies der Weg für sie war, ganz gleich was ihre Mutter dazu zu sagen hatte.
    Doch dann war Corsho geschehen und der Tod in greifbare Nähe gekommen. Ob durch das Virus und seine Spätfolgen oder die Bomben, die man auf die Kolonie hatte werfen wollen - kein Ausweg hatte sich aufgetan, um sie und die anderen Infizierten zu retten außer dem, den Anouk sich ertrotzt hatte. Sie war es am Ende gewesen, die den Preis für Sanju bezahlt hatte und sie fürchtete sich. Fürchtete sich davor, in den Augen ihrer Mutter die Leere vorzufinden, vor der diese sie immer gewarnt hatte.
    An einem der Zäune, die die Weiden abgrenzten, hielt sie nach etwa einem halben Kilometer schließlich keuchend an. Ihr Herz, das nicht mehr das ihre war, schlug schnell und ihr war schwummerig vom Sauerstoffmangel nach dem Lauf, was sie zu einem bitteren, schnaubenden Lachen verleitete. "Kondition: Mangelhaft...", urteilte sie schwer atmend und fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht. Sie schwitzte trotz der Kälte. "... Juniper", fügte sie nach einer langen Pause schließlich flüsternd hinzu und so ungebeten wie unwillkommen stiegen ihr Tränen in die Augen. Gehörte dieser Name, ihr Forces-Rufname, noch zu ihr? Er klang so fremd in ihren Ohren, so falsch und doch so zwingend mit ihr verbunden. Sie war einmal Juniper gewesen und sie war es gern gewesen. Doch jetzt war sie gelähmt von Angst nach allem, was sie erlebt hatte.
    Sie hob den Blick gen des offenen Sternenhimmels über ihr, während die Tränen ihr über die Wangen strömten und auf diesen kalt wurden. "Was soll ich tun...?", flüsterte sie. "Bitte, Herr... ich weiß nicht, was ich tun soll... bitte gib mir ein Zeichen..." Ihre Hand wanderte langsam zu der Kreuzkette, die Donnie ihr einmal geschenkt hatte nach jenem Einsatz im klingonischen Internierungslager. Sie erinnerte sich daran, an diesem Tag zum ersten Mal Zweifel an ihrem Weg in die Forces gehabt zu haben. Es war lange her, sie war noch ein Private gewesen. Doch sie hatte die Stimme des Zweifels in sich zum Schweigen gebracht. Wenn auch ganz offensichtlich nicht endgültig.
    Noch immer blickte sie gen Himmel. Ihr Gottvertrauen schien das Einzige zu sein, was ihr noch geblieben war. "Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll", betete sie leise weiter. Ihre Stimme zitterte. "Aber hier kann ich nicht mehr bleiben und nach Hause kann ich auch nicht gehen. Noch nicht. Nicht so, nicht ohne irgendeine Antwort. Bitte, hilf mir. Bitte sag mir, wohin ich gehen soll. Bitte..."

    First-Sergeant Sanju-Aneya "Juniper" Fey
    Recon-Officer of the 1st M.A.C.O. Regiment Delta Force


    "We march to victory or we march to defeat. But we go forward. Only forward."

  • Es war tiefe Nacht geworden, als plötzlich ein Licht auf Sanju zukam. Sie befand sich noch immer draußen, noch immer an jenem Weidenzaun, an dem sie sich schließlich zu Boden hatte gleiten lassen. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wie so oft in den letzten Wochen und Monaten war ihr jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen. Kurz davor in der klirrenden Kälte einzudösen, holte das Licht sie zurück ins Hier und Jetzt und sie starrte darauf, einen Moment nicht sicher, ob sie träumte. Einen Moment in dem Gefühl versunken, etwas Ähnliches schon einmal erlebt zu haben...
    Doch als das Licht näher kam, erkannte die junge Frau, dass jemand es trug und es nicht nur frei in der Dunkelheit schwebte. Sie wurde wacher und als Marjorie durch Nebel und klamme Luft hindurch an sie heran trat, begegneten sich im Licht der Taschenlampe ihre Blicke. Die Ältere schnaubte, während sie in das blasse Gesicht ihrer Enkelin schaute. Seit Stunden musste das Mädchen hier draußen sitzen und es war deutlich sichtbar, dass sie geweint hatte. Am liebsten würde sie sie sofort mit sich ins Haus nehmen, doch etwas sagte ihr, dass der kurze Weg wohl bereits ausreichen mochte, um Sanju ihre Mauern wieder nach oben fahren zu lassen. Sie war ihrer Mutter so ähnlich.
    "Rutsch rüber", sagte sie von daher nur und wo ihre Wortwahl rau klingen wollte, da war ihre Stimme sanft. Dann ließ sie sich neben sie sinken und legte ihnen beiden eine breite, warme Wolldecke um, nur um Sanju im Anschluss in den Arm zu nehmen und an sich zu ziehen. Sie war kalt wie der Tod. "Gott im Himmel, Kind... hast du dieses Jahr noch nicht genug Zeit auf Krankenstationen verbracht? Musst du es drauf anlegen?", seufzte sie und drückte Sanju einen Kuss aufs Haar. Mit der freien Hand öffnete sie eine Thermoskanne mit heißem Kaffee und goss eine Tasse ein, die sie ihr reichte. "Hier, trink... das wird dich aufwärmen."
    Sanju ergriff die Tasse mit klammen Fingern und nahm einen vorsichtigen Schluck. Der heiße, würzig-süße Geschmack des gezuckerten, starken Getränks breitete sich in ihrem Mund aus und sie schloss die Augen, einen wunderbaren Moment lang von einem Wohlgefühl umfangen, dass sie genoss. Sie glaubte nicht, dass Kaffee ihr schon einmal so gut geschmeckt hatte wie gerade jetzt. Unwillkürlich schmiegte sie sich noch ein wenig enger an Marjorie an, deren Wärme sie ebenso nötig hatte wie die Nähe, die sie ihr gab. "Es tut mir leid", flüsterte sie leise und meinte damit nur bedingt ihre Fahrlässigkeit was ihren Gesundheitszustand betraf. Sie hätte ihre Großmutter nicht einfach so in der Küche sitzen lassen dürfen. Hätte nicht stundenlang fortbleiben dürfen. Hätte sich denken müssen, dass sie sich Sorgen machen würde und bei Nacht, Nebel und eisigen Temperaturen nach ihr suchen würde. Es war nicht fair, ihr all diese Strapazen zuzumuten, nur weil sie, Sanju, nicht mit ihrem Leben zurecht kam. Doch wieder spürte sie nur Marjories Hand in ihrem Haar, ihr beruhigendes Streicheln. "Ich weiß", antwortete sie schlicht, nur um sofort weiterzusprechen. Sie hielt sich nicht auf an Entschuldigungen. "Nun sieh dir diesen Sternenhimmel an! Ist er nicht fantastisch?" Fasziniert sah sie hinauf und Sanju folgte ihrem Blick. Sie hatte recht, der Himmel spannte sich wundervoll und wolkenlos über ihnen aus und die Gegend war einsam genug, sodass keine Lichter in der Umgebung die Gewalt des Sternenhimmels schmälern konnten. "Du solltest die Sterne einmal im All sehen...", meinte Sanju leise. "Das werde ich", erwiderte Marjorie. "Eines Tages, wenn du mich mitnimmst."
    Sanju schloss die Augen und nahm noch einen Schluck Kaffee. Da war sie wieder, die Realität. Nichts verkörperte sie so sehr wie die Rückkehr ins All. Nach Shepard. Zur Familie. In die Forces. Marjorie indes hörte es überdeutlich, das laute Schweigen des Mädchens. Früher, vor dieser schrecklichen Angelegenheit, hatte sie sie bei Besuchen auf der Ranch immer bestürmt, einmal mit ihr ins All zu kommen. Sie hatte ihr unbedingt alles zeigen wollen, was es dort oben zu sehen gab, doch nie hatten sie den rechten Zeitpunkt gefunden. Und nun schien Sanjus Feuer auch dafür erloschen zu sein. "June...", sprach sie sie nun leise mit dem Kosenamen an, den Familie und Freunde seit ihrer frühesten Kindheit kannten. "Du musst damit aufhören, hörst du? Diese Blase aus Taubheit und Schweigen, die du um dich herum aufbaust, wird dir nur schaden. Ich weiß, dass du dich schuldig fühlst an dem, was geschehen ist. Aber du kennst deine Mutter. Sie trifft ihre eigenen Entscheidungen. Anouk hätte vielleicht dasselbe getan ohne dass du infiziert worden wärst. Nur um diese armen Kranken zu heilen." Sanju schüttelte den Kopf. "Nein, hätte sie nicht", antwortete sie leise. "Sie wäre wütend gewesen. Sie hätte mit Eric gestritten und versucht, ihren Platz dort zu behaupten, aber... sie hätte dieses Schiff nicht gestohlen. So etwas hat sie nie getan. Sie hätte an ihre Pflichten gedacht und an Elli und Jamie und was es für sie bedeutet hätte..." "Elli und Jamie sind gut versorgt", warf Marjorie ein. "Sie haben Donnie und er hat mir erzählt, dass Ida sich sehr liebevoll um die beiden kümmert." "Aber sie haben Mum nicht. Und es ist wirklich, wirklich bescheiden, wenn sie nicht da ist. Sie hat so eine Art, die... die uns alle zusammenhält."
    Nun war es Marjorie, die schwieg. Es war noch immer das Kind, das aus Sanju sprach, wenn es um Anouk ging und natürlich lag viel Wahres darin. Es wäre ungerecht und falsch, Anouk als schlechte Mutter zu bezeichnen. Das war sie nicht. Doch Marjorie wusste, dass ihre Schwiegertochter auch alles andere als ein Musterbeispiel der Tugend war und dass es genügend Situationen gegeben hatte, in denen ihr Sohn Donnie die Familie getragen hatte und nicht Anouk. Doch Sanju machte gerade genug durch. Diese Themen musste sie nicht mit ihr besprechen. Es würde zu nichts führen außer zu Frust und Marjorie wusste, dass es Donnie nicht gefallen würde, wenn sie mit einem der Kinder darüber spräche. "Sie ist nicht für immer fort, June. Es sind nur noch acht Monate und die Zwillinge können sie sehen, wenn es zu Besuchen zu ihr geht. Die Situation mag so dreckig sein, wie sie will, aber sie wird vorüber gehen und sie werden es überstehen. Sie alle. Und du auch. Der Herr wird darüber wachen."
    Wieder blieb es einen Augenblick lang still. "Er antwortet mir nicht...", brachte Sanju irgendwann leise hervor. "Ich bete, aber... er antwortet nicht." "Oh doch", erwiderte ihre Großmutter und strich dabei über ihren Arm. "Er antwortet immer. Nur nicht so, wie wir es vielleicht erwarten oder uns erhoffen. Vielleicht hat er schon geantwortet und muss dir erst noch die Augen dafür öffnen. Weißt du... viele machen den Fehler zu sagen: Gott, ich habe ein großes Problem. Und dann erwarten sie eine Hilfestellung wie ein Patentrezept. Aber so ist es genau verkehrt herum gedacht." Ihre Tonfall war beschwingt und voller aufrichtiger Wärme, während sie darüber sprach. Sie wirkte weder tadelnd noch belehrend, sondern eher erfreut und dabei in sich ruhend, ihre eigenen Erfahrungen mit Sanju zu teilen. Diese runzelte die Stirn. "Was wäre die richtige Art?", forschte sie nach. Auch sie hatte ein Gebet immer für genau das gehalten. "Die richtige Art", antwortete Marjorie "ist zu sagen: Problem, ich habe einen großen Gott." Sie lächelte. "Er sieht dich, June. Wenn du in der Gewissheit ruhst, dass es so ist, dann weißt du, dass er in deiner Ecke ist und dass die Antworten kommen werden. Sei ganz ruhig. Es werden sich neue Türen öffnen. Es hat einen Grund, dass du am Leben bist. Deine Mum mag begnadet sein auf ihrem Gebiet, doch die Chancen dieses Wirtstier zu finden, waren verschwindend gering. Dein Dad hat es mir erzählt. Wer, denkst du, hat seine Hände darüber gehalten, dass es gelingt?" Sanju ließ es sich durch den Kopf gehen und spürte, wie auf Schlag weitere Fragen in ihrem Kopf auftauchten, doch sie stellte sie nicht. Es gab bereits genug, worüber sie nachdenken musste. Ein kurzes Lächeln huschte jedoch über ihre Züge, was Marjorie bereits zufrieden machte. "Und jetzt komm, gehen wir ins Haus. Es ist spät und meine Füße frieren ab." Sie rappelte sich auf und zog Sanju auf die Füße, deren Glieder nach all den Stunden so steif waren, dass sie sich erst einlaufen musste, um schließlich halbwegs sicheren Schrittes zum Haus zurückzukehren. "Ein heißes Bad und ein Bett, das brauchst du jetzt", brummte Marjorie und bevor Sanju protestieren konnte, war sie schon im Bad verschwunden, um ihrer Enkelin das Wasser vorzubereiten.

    First-Sergeant Sanju-Aneya "Juniper" Fey
    Recon-Officer of the 1st M.A.C.O. Regiment Delta Force


    "We march to victory or we march to defeat. But we go forward. Only forward."