Iman'Dra verließ die Feste und trat in den Innenhof, durchquerte auch diesen und passierte das Außentor, vor dem ihr Tross auf sie wartete. Mit geübtem Blick musterte sie diesen, während einer der Krieger ihren schwarzen Hengst zu ihr führte und ihr mit der Neigung des Kopfes die Zügel überreichte. Dann ging er fort. Er wusste, sie wollte keine Hilfe beim Aufsteigen.
Es war wieder einmal Zeit, die Tribute auf den nahe gelegenen Ländereien einzutreiben, den Ländereien, die direkt durch die Leute des Hauses Tron'Jenar bestellt wurden. Natürlich war der gesamte Kontinent dem Haus tributpflichtig, doch um die Eintreibung und Übersendung kümmerten sich dort die Oberhäupter der jeweiligen Häuser, die dem Haus Tron'Jenar die Treue geschworen hatten. Die Ressourcen des Hauses selbst jedoch, die durch die Bauern und Arbeiter in der Nähe der Feste erwirtschaftet wurden, trieb Iman'Dra in ihrer Stellung als Herrin der Feste halbjährlich selbst ein.
Sie hätte verlangen können, dass man ihr die Tribute lieferte, doch im Grunde genommen hatte es ihr immer Spaß gemacht, für diese Zeit einmal aus der Feste herauszukommen, andere Leute und andere Gegenden zu sehen und unter freiem Himmel oder in kleinen Gasthäusern zu übernachten. Es erinnerte sie an andere Zeiten. Frühere Zeiten. Zeiten, in denen sie jahrelang unter dem Dach einer kleinen Schmiede eingeschlafen war.
Dieser Gedanke ließ einen scharfen, stechenden Schmerz durch ihr Herz und ihre Seele jagen. Wie immer. Und nie gewöhnte sie sich daran. Sie war eine Kriegerin, eine starke sogar und hatte in ihrem Leben bewiesen, dass sie vielen Widrigkeiten standhalten und vielen Wetten zum Trotz schwere Situationen überleben konnte - doch an diesen einen Schmerz würde sie sich nie gewöhnen. Und sie war sich ziemlich sicher, dass sie einmal daran sterben würde, wenn nicht vorher jemand so freundlich wäre, ihr ein Schwert durch ihr schmerzendes Herz zu rammen.
Grimmig stieg sie auf ihr Pferd und gab das Zeichen zum Aufbruch und die ganze Gesellschaft kam in Bewegung. Sie würden eine Weile fort sein, eine oder vielleicht zwei Wochen, je nachdem, was sich unterwegs ereignete und wie die Wetterbedingungen sein würden. Iman'Dra wusste, dass in dieser Zeit die Kriegerweihe Ka'TharaHs von Lao'Koon auf dem Gelände der Feste stattfinden würde und wenn es etwas gab, das ihr die Laune noch ein wenig mehr verhageln konnte, dann war es dieser Umstand. Wie hatte sie mit D'Ankwar darüber gestritten. Es war ihr vollkommen gleichgültig gewesen, wie sehr sich diese kleine Bratze im Kampf gegen die Borg hervorgetan hatte. Hätte sie Ravsai den Borg lebend entrissen, dann vielleicht hätte sie sich dazu herabgelassen, diese Entscheidung in Erwägung zu ziehen, denn ihrer Meinung nach wäre DAS das Mindeste gewesen, was es bedurft hätte, um die ungeheure Unverschämtheit des ehrlosen Vaters dieses Mädchens, Rag'Nar von Lao'Koon, soweit zu sühnen, dass die beiden dieses Gelände auch nur erneut hätten betreten dürfen.
Aber nein, der Epetai war ja anderer Meinung gewesen. Und natürlich hatte sie sich ihm letztendlich fügen müssen. D'Ankwar war der Herr im Haus, daran gab es nichts zu rütteln und es wäre Iman'Dra auch niemals in den Sinn gekommen, dies in Frage zu stellen. Es war nicht das erste Mal, dass sie gerade wegen Rag'Nar aneinander gerieten und es würde wohl nicht das letzte Mal sein.
Ihr Pferd schnaubte und zog den Kopf nach unten, um mit der Nase an seinem Bein entlang zu schrubben und nebenbei an den würzigen Grashalmen zu riechen. Es spürte sofort, dass seine Reiterin abgelenkt und nachlässig war und nutzte dies aus. Iman'Dra wurde von dem Ruck allerdings ins Hier und Jetzt zurückgeholt, griff die Zügel kürzer und zwang das Pferd entschlossen dazu, den Kopf wieder zu heben. "Wenigstens du wirst nicht einfach machen, was du willst, so lange ich etwas dazu zu sagen habe", knurrte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, damit sie niemand in ihrer Nähe hören konnte. Selbst ihre Tochter hatte nicht auf sie hören wollen. Das kam selten genug vor, aber diesmal hatte sie sich schlichtweg geweigert, sie auf ihrer Tributreise zu begleiten, was erst letztes Jahr noch ein großes Ereignis für sie gewesen war. Diesmal allerdings war die junge Kriegeranwärterin, die sie nun war, stur geblieben und hatte behauptet, für ihre Schulstunden auf Shepard und auch auf Tron'Jenar zu viel zu tun zu haben, um einfach zwei Wochen wegzugehen. Außerdem habe sie Pläne mit ihren Freundinnen Khi'LeisaH und Adina, auf die sie nicht verzichten wolle. Sie würde nur mitkommen, wenn es ganz wichtig und nicht anders möglich sei. Da es natürlich weder das eine noch das andere war, hatte Iman'Dra ihr ihren Willen gelassen. Natürlich hatte Dara'Jan vollkommen recht, wenn sie anführte, dass sie ja nicht allein im Haus sei, dass Onkel D'Ankwar und Tante Angel im Moment abends regelmäßig nach Hause kämen, außerdem ihr Onkel Mogh'Tar immer da sei und es nebenbei noch eine ganze Schar von Bediensteten gab, die sich um die Kinder und ihr Wohl kümmern konnten. Dara'Jan würde weder verhungern noch an einer Krankheit sterben noch würde hoffentlich die Feste in die Luft gehen in der Zeit, in der Iman'Dra fort sein würde. Und doch. Sie hätte sie gerne dabei gehabt.
'Du wirst eine sentimentale, alte Frau', schalt sie sich im Geiste. 'Sie wird groß, so soll es sein. Die Kerze ist entzündet, der Weg zur Kriegerin geebnet. Du solltest stolz sein. Nicht verbittert.' Ja, vor ein paar Tagen erst hatten Dara'Jan und Khi'LeisaH nach einem gemeinsamen Jagdabenteuer ihre aus dem Fett der Beute gemachten Kerzen angezündet, die brennen würden bis zu ihrer Kriegerweihe, wenn sie 16 Jahre alt waren. Es erstaunte und erschreckte Iman'Dra, wenn sie daran dachte, wie bald dies sein würde. Das kleine Mädchen, das ihre ganze Freude war, wurde groß. Und es war ein erschreckender Gedanke, dass sie sie einmal nicht mehr brauchen könnte.
Den ganzen weiteren Tag brütete Iman'Dra über finsteren Überlegungen, wenn sie nicht gerade abgelenkt wurde durch die Ankunft in den zwei Orten, in denen sie zuerst den Tribut einsammelten. Erst beim dritten, während die Sonne allmählich unterging, beendeten sie die Reise für heute und schlugen das Lager auf. Da der Ort zu klein war für ein Gasthaus, blieb man auf dem freien Feld und zündete ein Feuer an, an dem sich alle versammelten. Bald schon roch es nach gebratenem Fleisch und Blutwein und die Krieger aßen, tranken, redeten, sangen, tanzten und gröhlten. Eine Weile lange beteiligte sich Iman'Dra an dem Treiben, stillte Hunger und Durst und fiel in die Texte und Melodien der bekannten Lieder ein, sah zu, wie zwei der Krieger über ein unüberlegt gesprochenes Wort in Streit gerieten und schließlich aufeinander losgingen. "Klärt das ohne Tote! Ich brauche jeden morgen!", wies sie die beiden Streithähne scharf an, dann stand sie auf und verließ das Feuer. Ihr war es gleich, wer diesen Kampf gewann. Sollte einer der beiden dabei sterben trotz ihres eindeutigen Befehls, würde derjenige, der ihn getötet hatte, ihm morgen früh folgen.
Sie zog sich zurück zu ihren Fellen, wickelte sich darin ein und tastete beim hellen Licht des Vollmonds nach mehreren Bögen dicken Papiers, die sie zu sich zog und sanft mit den Lippen berührte. Einen Moment blieb sie so liegen, dann öffnete sie die Augen, drehte sich auf den Bauch und begann die Worte zu lesen, die sie bereits so sehr auswendig konnte, dass sie sie im Geiste sprach, noch bevor ihre Augen sie erreicht und erfasst hatten.
"Geliebte Kriegerin, ich wünschte, du müsstest diese Zeilen niemals lesen, niemals mein schlimmstes Geheimnis erfahren..."
Alltag auf Tron'Jenar
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Als die Krieger früh am nächsten Morgen erwachten, fanden sie zu ihrer Überraschung eine Iman'Dra von Tron'Jenar vor, die wie verwandelt wirkte. War sie gestern noch still, kurz angebunden, schroff und schlecht gelaunt gewesen - kurz gesagt jemand, von dem man sich fernhalten sollte, wenn man seinen Kopf noch ein wenig länger behalten wollte - so schien sie an diesem Tag das vollkommene Gegenteil zu sein. Glücklicherweise war es gestern beim Kampf tatsächlich nicht zu Toten gekommen, sodass ihrem Befehl Folge geleistet worden war. Der Verlierer hatte zwar drei Finger eingebüßt, tat dies aber mit einem Wink ab und erklärte der Herrin der Feste, er sei trotz allem vollkommen einsatzfähig, sodass sie nichts zu beanstanden haben konnte.
Und das hatte Iman'Dra tatsächlich nicht. Es war ein milder Morgen und die Wolken, die gestern noch Regen angekündigt hatten, hatten sich über Nacht verzogen ohne einen einzigen Tropfen über ihnen auszugießen. Die Sonne schien warm und die Natur um sie herum schien sich in ihrem Licht wohlig zu räkeln. Das Frühstück war schmackhafter als sonst, wie es ihr vorkam und als sie dies äußerte, erklärte ihr Tri'MogH, einer ihrer langjährigen Mitstreiter, dass dies sicherlich an der hervorragenden Gesellschaft läge, in der sie es einnehme, was sie zum Lachen brachte. "So muss es sein", stimmte sie zu. "Wer könnte eine Mahlzeit unter freiem Himmel in der Gesellschaft solcher herausragender Krieger nicht genießen? Den Kriegern von Tron'Jenar!", rief sie laut genug, dass man allgemein die Krüge hob - manche mit Raktajino, manche bereits mit dem ersten Blutwein gefüllt - und einen zustimmenden Schrei erschallen ließ.
Und so machte sich die Truppe bester Stimmung auf den Weg, um die weiteren Tributzahlungen einzutreiben, die unterschiedlichster Art waren. Zwei Dörfer, die vor allem Milch und Korn produzierten, dem Haus ihren Teil abgaben und dafür von diesem mit anderen notwendigen Lebensmitteln, Medizin sowie dem Wohn- und Arbeitsrecht auf ihrem Grund und Boden versorgt wurden, hatten sie bereits gestern passiert. Heute würde man sich zunächst auf den Weg zu den Weingütern machen.
Erfahrungsgemäß war dieser Teil der Reise weniger angenehm und Iman'Dra war ausgesprochen gespannt, was sie erwarten würde, als sie auf das Anwesen zu ritten, dass dem Verwalter der Weingüter in der Provinz Nim'ChuQej gehörte. "Was, wenn Dra'BoR wieder nicht den Ertrag erbringen kann, den er schuldig ist?", raunte Tri'MogH. Iman'Dra sah ihn an und stellte, wie schon so oft, still für sich fest, dass sie diesen Krieger für einen von Mogh'Tars Bastarden hielt. Erstens sah sie eine gewisse Ähnlichkeit und zweitens hatte sie das Gefühl, dass seine Mutter ihn nicht umsonst Tri'MogH genannt haben könnte. Davon abgesehen hatte er mit seiner Frage allerdings nicht unrecht. Vorletztes Mal hatte Dra'BoR sie nur in Teilen, letztes Mal gar nicht bezahlen können. Es war nicht offiziell ausgesprochen worden, doch sie alle wussten, dass er nur noch diese eine Chance hatte, um nicht nur den fälligen Tribut, sondern auch seine Schulden zu begleichen. Iman'Dra war nicht bekannt dafür, sich auf Dauer zum Narren halten zu lassen. Und sie wusste durchaus, dass Dra'BoR unter vorgehaltener Hand als bester Säufer seines eigenen Weins und nebenbei als eifriger Dabo-Spieler bekannt war. "Wir werden sehen", erwiderte sie nur.
Als sie das Anwesen zur frühen Mittagsstunde erreichten, öffneten sich dort bereitwillig alle Tore für den Tross der Tributeintreiber und eine ganze Fülle von Personal erschien prompt, um sich um die Pferde zu kümmern und den Reitern Erfrischungen anzubieten. "Eine neue Weinsorte", murmelte Tri'MogH, während er aus dem Krug probierte, der ihm gereicht worden war. "Eisgekühlter Blutwein. Nicht schlecht... ungewöhnlich, aber nicht schlecht." Iman'Dra erwiderte nichts darauf und warf dem Diener, der an sie herantreten wollte, einen scharfen Blick zu. "Wo ist dein Herr?", verlangte sie zu wissen. "Er ist noch nicht im Haus, Herrin. Er hat Befehl gegeben, es Euch und Euren Leuten bis zu seinem Eintreffen so angenehm wie möglich zu machen. Wenn Ihr mir folgen wollt..." "Ghobe!", unterbrach sie ihn unwirsch. Sie hatte Mühe, ihren Zorn zu zügeln. "Ruft ihn. Wo auch immer er ist, wenn er nicht innerhalb einer Stunde vor mir steht, dann wird er nie wieder Gelegenheit zum Stehen haben! Jetzt!" Der Diener machte, dass er davon kam, ohne den Versuch einer Diskussion aufzunehmen.
Iman'Dra stand einen Moment starr und sah ihm nach. Das Blut rauschte ihr in den Ohren und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Dra'BoR hatte gewusst, wann sie kamen. Eine entsprechende Nachricht war von der Feste aus früh genug abgeschickt worden. Und er war kein Bauer, der auf die Felder musste, um zu arbeiten. Er war der Verwalter eines riesigen Weinguts, Andere arbeiteten für ihn. Wenn er nicht hier war, um sie zu begrüßen, dann war dies seine freie Entscheidung gewesen und keiner Notwendigkeit geschuldet.Aber eine Stunde verging und ebenso eine zweite. Als sich die dritte dem Ende zuneigte, verlangte Iman'Dra Einsicht in die Bücher des Weinguts zu erhalten. Sie hatte dies mit Dra'BoR gemeinsam tun wollen, aber wenn er es nicht für nötig hielt, ihren Befehlen zu gehorchen, dann konnte sie dies auch sehr gut ohne ihn erledigen. Sie sah den Dienstboten, die ihr die Dateien schließlich öffneten, an, wie ungern sie dies taten. Wie unwohl sie sich dabei fühlten, während sie sich unsichere Blicke zuwarfen und offenbar auf etwas warteten. Und nachdem Iman'Dra sich die Buchführungen eine Weile genauer angesehen hatte, wusste sie auch, worauf. Sie warteten darauf, dass sie explodieren und den Nächstbesten töten würde, der ihr vor die Klinge lief und tatsächlich hätte sie gute Lust dazu.
"Wo ist dein Herr genau?", fragte sie allerdings stattdessen relativ ruhig nach, stand von ihrem Stuhl auf und ging auf eine Dienerin zu, langsam, Schritt für Schritt und die Frau wich erschrocken im selben Rhythmus zurück. "Ich habe dir eine Frage gestellt und ich werde sie nicht wiederholen. Also?" Die Klingonin straffte sich ein wenig, bevor sie sich eine Antwort abring. "Auf dem Shepard Space Center, Herrin. Er spielt. Man ließ Eure Botschaft ausrichten, doch er... hofft noch immer, die fälligen Schulden im Spiel zurückzugewinnen, bevor er Euch gegenüber treten muss." "Holt ihn zurück. Sagt ihm, seine Herrin erwartet ihn und wenn er in Ehren gehen will, so soll er sich hier einfinden. Sein Spiel ist ohnehin zu Ende. Sagt ihm das. Ich erwarte ihn hier vor Sonnenuntergang. Und sagt ihm, dass sein Schicksal auch dann nicht anders aussehen wird, wenn er gewinnt."
Damit verließ sie den Raum und ging zu den Leuten ihrer Wache, um kurz zu berichten und sie anzuweisen, sich auf Shepard zu beamen und darauf zu achten, dass der Mann nicht floh. Sie konnten keine Feinde gebrauchen, die sich auf Tron'Jenar nicht mehr blicken lassen konnten und somit auf die Idee kommen könnten, mit dem Empire gegen Tron'Jenar gemeinsame Sache zu machen. Denn auch wenn sich Iman'Dra sicher war, dass das Empire ihn letztendlich töten würde, würden sie dennoch zunächst jeden willkommen heißen, der ihnen Informationen über das abtrünnige Haus geben konnte.
Wie sich herausstellte, war dies eine gute Entscheidung gewesen. Als die Sonne im Sinken begriffen war, kamen die Wachen zurück und sie hielten Dra'BoR eisern im Schlepptau. Er schien es inzwischen aufgegeben zu haben sich zu wehren, doch sein Gesicht und seine gebrochenen Knochen erzählten Iman'Dra genug, um sie wissen zu lassen, dass er sich sicherlich nicht freiwillig hatte abführen lassen. Sie erwartete ihn im Hof seines Anwesens, wo man ihn ihr vor die Füße warf. Die gesamte Hausmannschaft stand an den Fenstern und in den Türen, um zu sehen, was weiter geschehen würde.
"Dra'BoR... was für eine Schande, dass wir uns auf diese Weise wiedersehen. Ich hatte mich auf den Tag auf deinem Anwesen gefreut. Doch ohne den Hausherrn ist es nie so recht dasselbe, nicht wahr?", begrüßte sie ihn scheinbar gelassen. "Herrin Iman'Dra, Ihr wisst, Ihr seid in meinem Haus immer willkommen. Ich sehe, Ihr habt die kleine Prinzessin Dara'Jan gar nicht mitgebracht. Traurig. So ein reizendes kleines Mädchen. Ich hatte gehofft, sie noch einmal wiederzusehen", erwiderte Dra'BoR mit demselben zynischen Unterton, der ihm gegeben worden war. "Dazu wird sich leider keine Gelegenheit mehr ergeben. Ich richte ihr deine Grüße aus", antwortete Iman'Dra ohne die geringste Absicht zu haben, dies wahrhaftig zu tun. Dann hockte sie sich vor ihn, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. "Du hast mich belogen, Dra'BoR. Du hast meinen Befehlen nicht gehorcht. Deine Spielsucht und deine Trinkerei hat das Weingut bis kurz vor den Ruin getrieben. Dachtest du, ich würde es nicht merken? Dachtest du, ich kann keine Zahlen lesen? Oder dass ich ein gutmütiges Weibchen bin, das du nach Gutdünken an der Nase herumführen kannst? Falls du auch nur irgendetwas davon gedacht hast, informiere ich dich hiermit darüber, dass du falsch liegst. Dass meine Wache dich zu mir schleppen musste, beweist mir außerdem, dass du ein ehrloser Feigling bist und wie ein solcher wirst du sterben."
Damit richtete sie sich wieder auf und rief nun laut genug, damit alle sie hören konnten: "Dra'BoR ist es durch seine eigene Schwäche und Ehrlosigkeit, aufgrund von Lüge, Betrug und Ungehorsam und damit Eidbruch dem Hause Tron'Jenar gegenüber, dem zu dienen er geschworen hat, nicht mehr würdig weiterzuleben! Mehr noch, ist er es nicht würdig, in Ehren zu sterben, da er seinem Urteil nicht wie ein Krieger entgegentrat, sondern vor diesem zu fliehen versuchte!" Mit diesen Worten spuckte sie vor Dra'BoR auf den Boden und drehte sich demonstrativ von ihm fort, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand. Dies war die klingonische Art der Entehrung, wie sie im Empire eigentlich nur vom Hohen Rat selber vollzogen wurde. Doch hier gab es kein Empire mehr und sie, Iman'Dra, war die oberste anwesende Instanz der Fürstenfamilie Tron'Jenars, sodass jene Geste in diesem Moment nur ihr oblag. Sie hörte, wie man Dra'BoR nun aufrichtete und zum Richtblock brachte. Sie sah nicht hin, während ihr Todesurteil an ihm vollstreckt wurde. Nicht, weil es schwer für sie gewesen wäre, dabei zuzusehen, sondern weil er der Ehre ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr wert war. Hätte er sich anders verhalten, hätte er sich ihr mit seiner Schuld gestellt, so hätte sie das Urteil sehr wahrscheinlich selbst vollstreckt. Als er tot war, wandte sie sich wieder um, sah kurz zu der Leiche und dann zur versammelten Hausmannschaft. "Ihr werdet nicht für Dra'BoRs Schuld zur Rechenschaft gezogen werden!", rief sie. "Ihr werdet weiterhin hier leben und arbeiten dürfen, es wird sich nichts für euch ändern! Doch zwei Bedingungen knüpfe ich an diese Entscheidung! Erstens: Dem Haus Tron'Jenar, nicht Dra'BoR und seinem Haus, gilt eure Loyalität! Und zweitens: Ihr werdet jeden neuen Verwalter, der durch mich als Stimme des Epetais hier eingesetzt wird, als euren neuen Herrn akzeptieren ohne dagegen zu murren! Jedem, dem diese Bedingungen nicht zusagen, steht es jetzt frei zu gehen! Solltet ihr euch zum Bleiben entscheiden, gelten diese Regeln ab morgen früh!" Niemand rührte sich, als Iman'Dra nach dieser Ansprache den Hof verließ.Nachdem sie die Nacht auf dem Anwesen verbracht hatten, ließ Iman'Dra früh am nächsten Morgen nach Tri'MogH schicken. Als er eintrat, sah er die Herrin am Tisch sitzen, eine diamantene Figur in ihren Händen, um die sich ihre Finger schlossen, als die Tür sich öffnete. "Guten Morgen, Herrin", grüßte er sie und sie gebot ihm mit einer Handbewegung sich ihr gegenüber zu setzen, was er tat. "Ich habe mir einige Gedanken gemacht, Tri'Mogh", begann sie. "Und will nicht lange darum herumreden. Wie würde es dir gefallen, der neue Verwalter dieses Weinguts zu werden?" Sie schmunzelte, als er sah, wie ihm die Gesichtszüge vor Staunen entgleisten. "Bevor du etwas dafür oder dagegen sagst... dieses Weingut ist das größte auf dem direkten Gebiet des Hauses Tron'Jenar, das weißt du. Dra'BoR hat dafür gesorgt, dass es bei den Ferengi verschuldet ist, was ich hausintern zu regeln gedenke. Aber ich brauche jemanden hier, dem ich vertrauen kann und der dafür sorgt, dass die Arbeit wieder so aufgenommen wird, dass sie den reichen Ertrag bringt, den wir von diesem Gut benötigen. Ich weiß, du kennst dich aus mit Blutwein. Vielleicht nicht mit dem Anbau direkt, aber du hast Auge und Geschmack dafür und lernst schnell. Der Vater deiner Mutter baute ebenso Wein an, ich bin sicher, sie wird dir gerne mit Rat und Tat zu Seite stehen. Und abgesehen davon solltest du dein Mädchen endlich heiraten - hier wäre Platz genug für eine Familie." Tri'Mogh blinzelte und senkte dann ergeben den Blick. "Es... es wäre mir eine große Ehre, Herrin. Ich danke Euch dafür. Aber... was ist mit der Tributreise?" Iman'Dra schmunzelte. "Lass das meine Sorge sein. Auch wenn es schade ist, dass du uns hier verlässt, aber hier jemanden zu haben, der nach dem Rechten sieht wäre mir wichtiger. Wirst du das tun?" Tri'Mogh sah zu ihr auf und schlug sich mit der Faust auf die Brust, genau über die Stelle an der sein Herz schlug. "Euer Wort ist mein Befehl und Eure Großzügigkeit ehrt mich! Qapla!"
Und so ließ Iman'Dra ihren treuen Wegbegleiter hinter sich und zog mit dem Tross weiter. Nur wenig Tribut hatten sie vom Weingut eintreiben können, doch sie war sich sicher, dass dies beim nächsten Besuch bereits ganz anders sein würde. -
Iman'Dra und ihre Truppe hatten das Weingut seit etwa vier Stunden hinter sich gelassen, als das Wetter umzuschlagen begann. Wolken zogen am Himmel auf und das Unwetter, dass sie vor zwei Nächten erwartet hatte, schien sich nun über ihnen zu manifestieren. "Beeilen wir uns!", rief sie nach hinten. "Das Wetter wird nicht mehr lange halten!"
Die Geschwindigkeit des Trosses zog an und eine Weile waren sie recht zügig unterwegs, als sie ein Stück hinter sich ein lautes Fluchen, dann ein schrilles Wiehern und schließlich murrende Stimmen hörte. Sie drehte sich um. "Was geht da vor?", verlangte sie zu wissen. Man informierte sie darüber, dass J'Torqan, einer der neusten Mitglieder in ihrem Tross, gerade dabei war, auf sein Pferd einzuschlagen, da es offenbar nicht recht hinter den anderen herkam. Iman'Dra runzelte die Stirn, zog die Zügel herum und ließ ihr Pferd zum hinteren Drittel des Trosses reiten, wo sie die Szene selbst sehen konnte.
Der junge Klingone saß auf seinem panischen Pferd, welches die Ohren angelegt hatte und mit den Augen rollte vor Angst, klammerte sich hartnäckig mit den Schenkeln an ihm fest, sodass es ihn nicht abwerfen konnte und schlug mit der Gerte und der flachen Hand auf das sich sträubende Tier ein, das hektisch versuchte, seinen Reiter abzuwerfen, erstaunlicherweise jedoch nicht durchging. Derweil fluchte J'Torqan und schrie wütend auf das Tier ein, was dazu führte, dass er überhaupt nicht auf seine Umgebung achtete.
Iman'Dra sah sich das Ganze nur einen kurzen Augenblick an, bevor sie näher herankam, ihre eigene Gerte hob und sie dem Krieger schnell, präzise und hart ins Gesicht schlug. Sofort riss die Haut auf und es begann in Strömen zu bluten. Das Blut der Platzwunde lief ihm in sein linkes Auge und der Überraschungsmoment dieses Angriffs ließ seine Konzentration schwinden, sodass das Pferd ihn endlich abwerfen konnte. Während er im Dreck landete, beobachtete Iman'Dra wie das Tier hinkend zu flüchten versuchte. "Fangt es. Und zwar sanft", wies sie die Krieger um sich herum an, dann sah sie zu J'Torqan. "Und du stehst auf, wenn du die richtige Peitsche nicht spüren willst, die wir sicher irgendwo im Gepäck haben!", fuhr sie ihn an. Er war kaum auf die Füße gekommen, als die anderen Krieger bereits mit dem Pferd zurückkamen, das noch immer nervös schnaubte und die Ohren ab und an zurücklegte, aber schon ein wenig ruhiger wirkte. Iman'Dra stieg ab, ging zu dem Tier hin und fuhr sachte über seinen Hals und seine Seiten, spürte den Schweiß des Pferdes unter ihren Händen, der von Angst und Anstrengung gleichermaßen herrühren mochte und beugte sich schließlich hinab, um die Hufe zu kontrollieren. Beruhigend sprach sie auf es ein, während sie es nacheinander die Beine anheben ließ, sodass sie nachsehen konnte. Die linke Seite schien in Ordnung zu sein, als sie jedoch zum rechten Vorderhuf gelangte, sah sie das Problem sofort. Sie richtete sich auf. "Komm her!", herrschte sie J'Torqan an, der diesem Befehl unverzüglich nachkam. "Dein Pferd lahmt und dir fällt nichts Besseres ein, als es zu schlagen? Sieh es dir an, du Idiot!", verlangte sie, ließ das Pferd das Bein wieder heben und nun konnte auch J'Torqan sehen, dass das Hufeisen fehlte. Es musste auf dem Weg verloren gegangen sein. Ein gutes Stück des Hufes war mit dem Eisen abgebrochen. Zwar blutete es nicht, doch es musste dem Tier Schmerzen bereiten, sonst würde es nicht lahmen. "Muss ich mich um so etwas wirklich kümmern? Seid ihr nicht in der Lage, gut mit dem eigenen Reittier umzugehen und zu sehen, dass es Futter und Wasser bekommt und gesund ist? Kinder behandeln ihre Pferde besser als du!", knurrte sie wütend.
In diesem Moment begann es zu regnen. Iman'Dra sah kurz zum Himmel auf, dann zu dem Krieger, der neben ihr die Zügel des eingefangenen Pferdes hielt. "Binde es an eines der Packpferde an und lass sie im Schritt führen." Dann sah sie zu J'Torqan. "Und du wirst dem Tross zu Fuß folgen bis wir das nächste Dorf erreichen, dass einen Hufschmied hat. Es sollte etwa eine Stunde entfernt sein im normalen Reittempo. Jetzt werden es wohl mindestens zwei Stunden werden." Damit ließ sie ihr Pferd wenden und ritt wieder an die Spitze des Zuges zurück.
Und so erreichten sie in gedrosseltem Tempo und völlig durchnässt das nächste Dorf. Eigentlich war es zu klein, um für die Tributeintreiber interessant zu sein. Es gehörte zu einer Kleinstadt, die noch eine weitere Stunde zu Pferd entfernt lag und die das eigentliche Ziel der Tagesreise gewesen wäre. Doch es wurde allmählich dunkel und das Wetter war so schlecht, dass Iman'Dra plante, die Nacht hier zu verbringen und erst am Folgetag weiter zu reiten, wenn Pferde und Reiter ausgeruht waren und das Wetter sich bestenfalls ausgetobt hatte.
Die Schmiede des Ortes war nicht schwer zu finden. Iman'Dra, die sieben Jahres ihres Lebens beinahe alle Nächte und reichlich viele Tage in einer solchen verbracht hatte, erkannte die Geräusche, die aus dem kleinen Haus kamen auch ohne die Einheimischen fragen zu müssen. Und so stieg sie ab, als sie endlich angekommen waren und öffnete die Tür, die vermutlich nur wegen des Regens geschlossen war. Es empfing sie der vertraute Klang eines Hammers, der mit mächtigen Schlägen auf heißen, rotglühenden Stahl geschlagen wurde, um diesen in die Form zu zwingen, die ihm bestimmt war durch die Hand des Schmieds, der so konzentriert war, dass er die Hereinkommende gar nicht bemerkte. Dafür sah eine junge Frau auf, die neben ihm stand und ihm bei der Arbeit zusah. Sie trug Arbeitskleidung, ebenso wie er, weswegen Iman'Dra davon ausging, dass sie wohl seine Mitarbeiterin war. "Qapla!", grüßte die junge Frau und sah zu der durchnässten Klingonin, die in der Tür stand. "Furchtbares Wetter... kommt doch rein und wärmt Euch auf. Kann ich Euch helfen? Oder braucht Ihr nur einen trockenen Platz?" Es war offensichtlich, dass sie keine Ahnung hatte, wer die Frau war, die ihr gegenüberstand, doch das störte Iman'Dra nicht. Sie hatte nichts anderes erwartet, immerhin lag dieser Ort nicht auf ihrer gewöhnlichen Route. "Ghobe", antwortete sie und strich sich die tropfenden Haarsträhnen zurück, damit das Wasser ihr nicht ins Gesicht lief. "Ich bin Iman'Dra Tai Tron'Jenar und mit meinem Tross auf dem Weg, die Tribute einzutreiben. Wir haben 27 Pferde bei uns, eines davon hat sich ein Hufeisen abgelaufen und ein Teil des Hufes ist wohl ebenso abgerissen. Das Tier lahmt. Könnt Ihr Euch um den Huf kümmern? Es neu beschlagen und auch bei den anderen Pferden nachsehen, ob alles in Ordnung ist? Falls noch weitere Pferde beschlagen werden müssen, wäre es gut, wenn es hier erledigt werden könnte, da wir die Nacht ohnehin hier verbringen. Bei diesem Wetter macht es keinen Sinn, noch weiter zu reiten. Es wird sowieso bald dunkel." Sie sprach ruhig weiter, während der jungen Klingonin für einen Moment die Gesichtszüge entglitten, als sie realisierte, dass ein Mitglied der Fürstenfamilie Tron'Jenar vor ihr stand. Doch als die erste Überraschung überwunden war, nickte sie eifrig. "Natürlich, Herrin, das ist kein Problem. Wisst Ihr denn schon wo Ihr und Euer Tross die Nacht verbringen könnt? Bei diesem Regen ist es schließlich nicht ratsam draußen zu kampieren. Hier ist leider viel zu wenig Platz für all Eure Leute, wir könnten nur ein oder zwei hier unterbringen. Aber es gibt ein Gasthaus im Dorf, das sicher Platz für zehn hat. Dort kann man fragen, wo die Restlichen noch unterkommen dürfen. Sicher finden sich Einheimische, die Euch und den Euren Quartier geben würden", sprudelte sie geschäftig hervor. Iman'Dra lächelte ob ihrer lebhaften Hilfsbereitschaft. "Gut. Wie kommen meine Leute zu diesem Gasthaus?" Die Frau drehte sich um und rief laut in das kleine Haus hinein: "GreHr'Tog! Lauf zum Gasthaus und sag ihnen dort Bescheid, dass die Herrin von Tron'Jenar und ihr Tross Quartier brauchen! Und Essen! Und Futter und Stellplätze für über zwanzig Pferde! Und sag Mart'jAh, dass sie nicht so tun soll, als könne sie's nicht aufbringen nur weil sie eine faule Targhkuh ist! Los jetzt!" Nach dieser Ansage stürmte ein etwa vierzehnjähriger Junge nach einer gemurmelten Begrüßung an Iman'Dra vorbei und lief los. "Euer Sohn?", forschte Iman'Dra schmunzelnd nach. "Lu", erwiderte die Frau. "Er soll das Handwerk hier lernen, genauso wie ich es gelernt hab, als ich mit ihm schwanger war. Seit er ein Kleinkind war, bin ich jeden Tag mit ihm hergekommenn. Qin'Rako war so nett uns damals zu helfen", erzählte sie und der Schmied, der wohl auf den Namen Qin'Rako hörte und seine Arbeit gerade beendet hatte, kam nun auf sie zu. "Herrin Iman'Dra", grüßte er sie mit tiefer Stimme. Er war bereits ein älterer Mann, doch stark wie ein Baum durch die Arbeit, die er täglich verrichtete, das sah man ihm an. "Ich habe von drüben mitgehört. Bitte entschuldigt, dass ich nicht gleich zu Euch gekommen bin, aber der Stahl musste geschlagen werden solange er die richtige Temperatur hatte." Iman'Dra lächelte. "Ich weiß", erwiderte sie. Während der Schmied nun hinausging, um sich den Huf des Pferdes anzusehen, das beschlagen werden musste, wandte sie sich wieder der Mitarbeiterin zu. "Ich würde gerne hier übernachten, wenn das möglich ist." "Oh, im Gasthaus wird bestimmt ein schönes Zimmer für Euch frei sein, macht Euch keine Sorgen, Herrin, Ihr müsst heute nicht mehr weiter, ich..." "Ghobe", unterbrach Iman'Dra sie. "Ich meine nicht in diesem Ort. Ich meine hier. Bei Euch. In dieser Schmiede."
Nun starrte ihr Gegenüber sie einen Augenblick fassungslos an. "Hier? Aber wieso, Herrin? Das hier ist nur eine alte Schmiede, im Gasthaus..." "... hätte ich es bequemer", beendete Iman'Dra ihren Satz. "Ich weiß. Denkt Ihr, ich brauche besondere Bequemlichkeiten nur weil ich den Namen Tron'Jenar trage? Ich schlafe auf dem nackten Boden einer Höhle, wenn es nötig ist. Und ich habe lange nicht mehr in einer Schmiede geschlafen, in der die Feuer noch brennen." "In der die Feuer noch...?" Jetzt endlich schien ihr aufzugehen, worüber Iman'Dra sprach. Es verwunderte sie nicht, dass sie Bescheid wusste. Der halbe Kontinent hatte Geschichten gehört und sich das Maul zerrissen über die Beziehung und spätere Ehe zwischen Iman'Dra, der Herrin der Feste und Henry, dem merkwürdigen Schmied, dem Zauberkräfte nachgesagt worden waren. "Oh...", äußerte sie so nun auch und nickte leicht. "Lu, wenn das so ist... Ihr seid hier bestimmt willkommen. Ich rede mit Qin'Rako."
In diesem Moment kam der junge GreHr'Tog zurück und schüttelte sich die nassen Haare aus wie ein Hund sein Fell nach einem Regenguss. "SoS, im Gasthaus ist alles bereit, sagt Mart'jAh. Und sie sagt außerdem, wenn du nochmal über sie sagst, dass sie eine Targhkuh sei, würde sie herkommen und dich verprügeln. Ich hab ihr gesagt, dass du ihr den Stiefel so tief in den Hintern rammen würdest, dass er am Mund wieder rauskommt. Und dass wir hier gute Hammer haben", grinste der Junge und die beiden Frauen brachen spontan in Gelächter aus. Iman'Dra sah ihm amüsiert nach, als er wieder in den Tiefen der Schmiede verschwand. "Ein kräftiger Junge", meinte sie zu seiner Mutter. "Und er scheint einen wachen Verstand zu haben. Es wird sicher ein starker Krieger aus ihm." "Lu, das hoffe ich. Nicht so ein Nichtsnutz wie sein Vater. Ist abgehauen, kaum dass ich schwanger war. Habt Ihr Kinder? Lu, nicht wahr? All die Tron'Jenar-Geschwister haben doch Kinder? Ich muss gestehen, dass ich manchmal durcheinander bringe, wer welches Kind hat. Nur die Namen kennt man irgenwie", grinste die Frau verschämt. "Ist das so?", fragte Iman'Dra halb im Scherz und halb im Ernst nach. "Dann solltet Ihr Euer Wissen über das Fürstenhaus, dem Ihr dient, noch einmal auffrischen. Lasst mich Eurem Gedächtnis auf die Sprünge helfen: Mein Bruder D'Ankwar, der Epetai, hat drei Kinder. Corum'Takeru, der der nächste Epetai sein wird, inzwischen bereits erwachsen ist und in der Flotte dient, Sharon Khi'LeisaH, die einzige Prinzessin aus der direkten Linie des Epetai und sein erstes Kind mit der jetzigen Zantai und Keanu Arju'Tai, das derzeit jüngste Hausmitglied. Meine Schwester SoH'rajan, jo'Aj der Flotte und Vestai des Hauses, hat eine erwachsene Tochter namens Ssihanna, die bei den Streitkräften der Föderation dient und ich habe ebenfalls eine Tochter, Dara'Jan, die jetzt zwölf Jahre alt ist. Und jetzt würde mich Euer Name interessieren", fuhr Iman'Dra gleich fort, nachdem sie ihre kleine Zusammenfassung der Familie beendet hatte. "Bei Kahless!", rief die Schmiedegehilfin aus. "Nicht vorgestellt hab ich mich... VeV'Jeyda ist mein Name, Herrin. Es ist mir eine Ehre."Etwa vier Stunden später war alles geklärt. Die drei Pferde, bei denen das Beschlagen nötig gewesen war, standen zufrieden in dem kleinen Stall, der zur Schmiede dazugehörte - immerhin brauchte ein Hufschmied Kundschaft - alle anderen Pferde und ein Teil ihrer Reiter waren im Gasthaus untergekommen. Die Übrigen waren quasi über das Dorf hinweg verteilt worden, nachdem sie sich im Gasthaus satt gegessen und freudig betrunken hatten. Iman'Dra ahnte, dass es heute Nacht einige Betten geben würde, die den Kriegern und Kriegerinnen durch Leute aus dem Dorf gewärmt wurden. Ihr war es gleich, sie war zufrieden wo sie war. Qin'Rako hatte ihr sofort seine Gastfreundschaft angeboten, als er erfahren hatte, dass sie gerne bleiben wollte und sie, er und VeV'Jeyda, die sich spontan zum Bleiben entschlossen und ihnen allen eine Mahlzeit zubereitet hatte, hatten einen unterhaltsamen Abend verbracht. Es hatte eine Weile gedauert, sicher bis zum etwa achten Blutwein, bis der Schmiedemeister den Mut aufgebracht hatte, sie nach ihrem verstorbenen Gatten zu fragen. "Verzeiht mir, Herrin, aber ich hatte nie die Ehre, ihn zu treffen. Unter den Schmieden hier wird immer noch von seinen Arbeiten gesprochen, aber die Wenigsten kannten den Meister selbst. Ich meine..." Verlegen brummte er und schwieg, offenbar nicht so ganz wissend, wie er dieses Gespräch führen sollte, da er wohl eher selten mit trauernden Witwen zu tun hatte. Iman'Dra jedoch, von Wein und guter Gesellschaft angeheitert, war selber erstaunt, wie wenig es ihr ausmachte, dass er Henry ansprach. Wie gern sie, im Gegenteil, plötzlich von ihm reden wollte. "Er gehörte nicht zu denen, die gerne Fremde getroffen haben", nahm sie Qin'Rako die Last des Gesprächs ab. "Er war am liebsten für sich in seiner Schmiede und entschied selbst, wann und in welchem Ausmaß er mit anderen Leuten zu tun haben wollte. Ich war eine Ausnahme, die er sich zeitlebens wohl selbst nicht so recht erklären konnte", schmunzelte sie leicht. "Aber ja, er war ein außergewöhnlicher Schmied. Es war wohl eine Technik, die die Klingonen nicht lernen, sondern die bei den Menschen auf Terra in einem bestimmten Land gelehrt wurde und die er im Laufe der Zeit perfektionierte. Ich werde nicht so tun, als hätte ich Ahnung von dem, was er getan hat. Aber wenn Ihr eines seiner Meisterwerke sehen wollte, dann..." Sie stand auf und zog ihr mächtiges Schwert aus der Scheide, um es Qin'Rako zu präsentieren. Der Griff aus festem, guten Leder, durch die jahrelange Verwendung bereits mit ein paar Gebrauchsspuren versehen, lief nach oben hin in einen Wolfskopf aus und schmiegte sich nach unten hin um den beginnenden Stahl der Klinge. Diese verlief nach unten gebogen bis sie schließlich weit unten nach oben schwang und das spitze Ende sich drohend aufwärts reckte. Der elegante Schwung der Klinge erinnerte in seiner Form an ein Raubtier, das auf das nächste Blut der Beute lauerte und dieser Eindruck wurde nur noch durch den schwarzen Schatten verstärkt, der leicht, zur Zeit kaum sichtbar, durch die Klinge huschte und in ihr pulsierte. "Das ist Mithrodin", sagte Iman'Dra leise. "Es ist perfekt auf mich abgestimmt", fügte sie hinzu, während Qin'Rako und VeV'Jeyda das Schwert bewundernd betrachteten. "Und ist es wirklich..." Vev'Jeyda druckste ein wenig herum. "... magisch?", brach es schließlich aus ihr heraus. Iman'Dra schmunzelte. "Ihr hört zu viele Geschichten hier oben", erwiderte sie sachte. "Man erzählt sich viele Dinge über Henry." Sie wusste, dass das keine richtige Antwort war. Und sie wusste ebenso, dass sie log, wenn sie behauptete, dass Mithrodin durch Henry keine besonderen Fähigkeiten erhalten hatte. Aber so sehr sie die beiden mochte, kannte sie sie doch zu wenig, um ihnen die Geheimnisse Henrys und dieser Klinge anzuvertrauen. Im übrigen war es ihr nur recht, wenn das Gerede um Henry den Hexer sich ein wenig beruhigte. Sie würde nichts tun, um es noch weiter anzuheizen.
Und so schlief sie in dieser Nacht einmal mehr unter dem Dach einer Schmiede ein, in der noch gearbeitet wurde. Sie zog die groben Decken, die Qin'Rako ihr gegeben hatte, fester um sich und spürte dem kratzigen Stoff nach, während sie dabei lauschte, wie der Schmied unten seine Werkzeuge aufräumte und wie der Regen gegen das kleine Haus gepeitscht wurde. Diesmal waren die Erinnerungen keine Qual, sondern ein freundlicher Wink aus einer anderen Zeit. Und ihre Hand wanderte zu der diamantenen Figur, die sie an einer Kette um den Hals trug, bevor ihr letztendlich die Augen zufielen. -
Am nächsten Morgen hatte Iman'Dra eine reichlich verkaterte Truppe vorgefunden, die sich murrend und widerstrebend kurz nach Sonnenaufgang auf ihre Pferde begeben hatten. Nichts, was Iman'Dra wirklich ernst genommen hätte, sie kannte die Missstimmung, die einer Nacht voller Blutwein folgte gut genug, um zu wissen, dass die Krieger nach ein paar Meilen schon munter werden würden. Bis dahin würde der Raktajino seine Wirkung entfalten und wenn das noch immer nicht half, würde sie ihnen mit Freude einzeln den Kopf unter Wasser stecken und ihn dort halten bis sie ein wenig Wasser eingeatmet hatten. Das würde sie vielleicht lehren, sich auf der Tributreise nicht um den Verstand zu saufen und am nächsten Tag nicht einsatzfähig zu sein.
Da diese Behandlung der Herrin bereits bei früheren Reisen tatsächliche Anwendung gefunden hatte, forderte es diesmal allerdings niemand heraus und die Stimmung besserte sich wie Iman'Dra es vorausgesehen hatte. Der Sturm war über Nacht vorüber gezogen, das kranke Pferd würde bei Qin'Rako unterkommen bis der Huf vollkommen ausgeheilt war und der Reiter hatte sich im Dorf ein anderes Pferd ausleihen können, sodass dem Aufbruch nichts entgegen gestanden hatte.
Der Sturm hatte ausreichend gewütet, um die Straßen zum Teil unpassierbar zu machen und sie mussten wesentlich weitere und durchaus schwierige Umwege in Kauf nehmen, um zu ihrem Ziel zu gelangen und Iman'Dra schickte einige ihrer Leute aus, um bei den umliegenden Höfen nachzufragen, ob sie mit den Sturmschäden zurechtkamen oder Hilfe von der Stadt SikaCh'Tria brauchten, auf die sie nun zu ritten.
Doch auch SikaCh'Tria hatte der Sturm nicht unerheblich beschädigt, wie sie feststellten, als sie auf dem Weg zum Hause des Präfekten am Flussgebiet vorbeikamen. Dieser war über die Ufer getreten und hatte ein Chaos hinterlassen, dem die Stadtbewohner gerade mühsam Herr zu werden versuchten. Trümmer von Häusern, Stoff, Abfall, Haushaltsgegenstände, Körbe, Nahrungsmittel, Werkzeuge, ganze Fahrzeugteile - all das schwamm in einem wilden Durcheinander im Hochwasser nahe des Flusses."Herrin Iman'Dra", grüßte der Präfekt, als sie schließlich im Hof seines Anwesens ein ritten und verneigte sich tief vor ihr. "Es war alles vorbereitet für Euer Eintreffen und dann kam uns dieses Unwetter dazwischen. Ich bitte um Verzeihung, dass ich deswegen nun ein wenig in Eile bin. Aber der Tribut der Stadt steht bereit für Euch und ebenso ist Unterkunft in meinem Haus für Euch und die Euren vorbereitet worden. Ihr könnt Euch gerne von der Reise ausruhen und heute Abend speisen wir zusammen..." Iman'Dra sah ihn freundlich an, da sie merkte, wie sehr er sich trotz des Hochwassers bemühte, es ihr so recht wie möglich zu machen. "Macht Euch keine Mühe, P'Tojas, wir haben nur zwei Stunden bis hierher gebraucht und haben reichlich Kraft übrig. Aufgrund des Sturms haben wir in einem Eurer Dörfer nur eine Stunde entfernt übernachtet. Die zweite Stunde haben wir lediglich wegen der Umwege gebraucht, die wir reiten mussten, um den Sturmschäden auf der Straße aus dem Weg zu gehen. Also, ich stelle Euch gerne meine Leute zur Verfügung, um bei den Aufräumarbeiten behilflich zu sein und werde mich selbst mit der Festung in Verbindung setzen, damit man Leute und Material schickt, die in der Stadt und im umliegenden Gebiet gebraucht werden. Um den Tribut kümmern wir uns später." P'Tojas wirkte enorm erleichtert nach dieser Ansage und so folgten die etwas mehr als zwanzig Krieger, die Iman'Dra bei sich hatte, ihrem Wort und halfen den Stadtbewohnern bei der Beseitigung der Hochwasserschäden und sie selbst schloss sich, nach dem Gespräch mit der Feste, den Arbeiten an.
Und so verging der Tag. Er war anstrengend, aber auf eine gute, lohnende Art und Weise, da man die Fortschritte deutlich sehen konnte, nachdem das Wasser sich nach und nach zurückzogen hatte. Als die Dunkelheit hereinbrach, waren sie alle rechtschaffen erschöpft und wurden dafür im Haus des Präfekten P'Tojas üppig verköstigt. "Ich muss sagen, Herrin Iman'Dra", führte er mit seiner tiefen Stimme. "Ihr kamt gerade zur rechten Zeit hierher." "Und ich muss sagen, P'Tojas, dass es mich sehr verwundert, dass Ihr noch nichts dagegen unternommen habt, dass der Fluss so leicht über die Ufer treten kann bzw. dass Ihr zugestimmt habt, dass hier so unklug gebaut wurde. Die Häuser stehen viel zu nah am Ufer. Ich habe Euch schon einige Male gesagt, dass es sinnvoller wäre, Polder zu arrangieren und diese mit Dämmen zu umgeben. Wenn Ihr dieses Bauprojekt dem Fürstenhaus vorstellen würdet, würdet Ihr Unterstützung erhalten. Wieso tut Ihr es nicht?" Verlegen rutschte P'Tojas auf seinem Stuhl herum. "Weil die Diskussionen mit den Hausbesitzern doch recht hässlich wurden. Sie weigern sich verständlicherweise Ihre Häuser abreißen zu lassen." Iman'Dra brummte. "Nun, dann müssen sie wohl damit leben, dass sie bei jedem stärkeren Sturm weggeschwemmt werden. Idioten. Häuser kann man neu aufbauen. Das werden sie noch früh genug lernen, wenn sie ihre Häuser wegen Hochwasserschäden zum vierten und fünften Mal grundsanieren müssen." P'Tojas murmelte etwas und Iman'Dra ließ das Thema fallen. Zwar gehörte die Stadt zu ihrem Einzugsgebiet, doch sie war nicht dafür verantwortlich, was in ihr geschah. Dies fiel mit dem Präfekten zu, dem sie Rat geben konnte, doch letztendlich oblag es seiner Verantwortung, wie die Stadt geführt wurde. Ebenso wie sie sich um die Führung des Dorfes in unmittelbarer Nähe zur Feste kümmerte.
Nach dem Essen erhob sie sich und bat den Präfekten darum, sie zu entschuldigen. Den ganzen Tag hindurch hatte sie sich hier in SikaCh'Tria bereits auf eine bestimmte Sache gefreut und jetzt hatte sie endlich Zeit dafür. Und so verließ sie das Anwesen und ging schnellen Schrittes über die dazugehörigen Ländereien bis sie die einfachen Häuser der Arbeiter erreichte, die dem Haus des Präfekten unterstanden. Es waren kleine, solide gebaute Steinhäuser und in den meisten Fenstern konnte sie das Feuer sehen, das im Inneren brannte und sich in den Scheiben wiederspiegelte. Ein köstlicher Duft nach verschieden zubereiteten Mahlzeiten lag in der Luft und ebenso ein Geruch, der typisch für diese Umgebung war. Eine süß-herbe Mischung von Pflanzendüften, die eingefangen ein verführerisches Parfum ergeben würde, dessen war sich Iman'Dra sicher. Doch sie mochte den natürlichen Duft lieber, woraus auch immer er sich zusammen setzte. Zielstrebig ging sie auf eines der Häuser zu und als sie die ihr wohlbekannte rote Bank vor der Haustür sah, musste sie lächeln. Dies war unverkennbar Mi'ShaHs Haus.
Als sie anklopfte, hörte sie, wie drinnen ein Besteck niedergelegt und ein Stuhl gerückt wurde und rasche, leichte Schritte kamen zur Tür. Als sie geöffnet wurde, erhaschte Iman'Dra noch ebenso den Blick in ein paar bernsteinfarbene Augen, bevor man ihr mit einem Freudenschrei um den Hals fiel. Sie lachte auf und fing Mi'ShaH ab, schloss sie ebenfalls einen Moment in die Arme und ergriff sie dann bei den Schultern, um sie um Armeslänge von sich fort zu halten und anschauen zu können.
Mi'ShaH war eine Klingonin um die vierzig, die trotz starker Muskulatur recht zierlich für diese Spezies zu sein schien. Irgendwie erweckte sie immer ein wenig den Eindruck, als schwebe sie über dem Boden, während Iman'Dra im Gegensatz dazu etwas unwahrscheinlich Geerdetes an sich hatte. Mi'ShaHs Haar war lang und tiefschwarz und wie gewöhnlich trug sie es in Rastalocken beinahe bis zur Hüfte hinab. Ihr Gesicht war ebenso schmal wie alles an ihr, sie hatte eine gut ausgeprägte Stirnwölbung, eine gerade, spitz zulaufende Nase, volle Lippen und ein breites Lächeln, das sie Iman'Dra nun zeigte. "Da bist du ja endlich! Den ganzen Tag hab ich mich schon gefragt, wann du wohl auftauchst! Wolltest du nicht gestern schon hier sein? Komm rein!" Und mit diesen Worten wurde Iman'Dra ins Haus gezogen, ohne dass sie in der Lage gewesen wäre, eine Antwort zu formulieren.
Drinnen war es warm und Mi'ShaH führte sie rasch zu ihrer etwas ungewöhnlichen Sitzecke, die größtenteils aus Kissen bestand, die auf eine sehr akribische Art und Weise auf dem Boden angeordnet waren. Einige Felle dazu und der Kamin in nächster Nähe machte diesen Ort zu einem der bequemsten, den Iman'Dra kannte. Und sie wusste ihn durchaus seit vielen Jahren zu schätzen, obwohl sie jedes Mal unweigerlich an die Räuberhöhle denken musste, die Dara'Jan und SoH seit Jahren nutzten, um gemeinsame Zeit zu verbringen. Bei dieser handelte es sich um ein Zelt, das sie im Garten, der zur Feste gehörte, aufstellten und in etwa so ähnlich einrichteten, wie Mi'ShaH ihre Sitzecke. "Wir sind wegen des Unwetters gestern in einem Dorf geblieben, nicht weit von hier. Ich habe die Gastfreundschaft des dortigen Hufschmieds genossen", lächelte sie vielsagend. Offenbar ein wenig zu vielsagend, denn Mi'ShaH brach in Gelächter aus. "Seine 'Gastfreundschaft'? Wie 'gastfreundlich' war er denn?", zwinkerte sie und Iman'Dra verdrehte die Augen. "Nicht das, was ich meine! Er hat mich in seiner Schmiede schlafen lassen -allein!- und es war... ein vertrautes Gefühl. Eine schöne Erinnerung." Mi'ShaH lächelte. "Oh, gut für dich. Warte, ich bring dir was zu trinken." Und damit verschwand sie in ihrer Küche, während Iman'Dra ihr nachsah.
Sie hatte Mi'ShaH vor etwa zehn Jahren kennen gelernt, als sie gemeinsam mit P'Tojas nach Tron'Jenar gekommen war. Er hatte es erstaunlich lange im Empire ausgehalten, doch dort Frau und Kinder durch J'Mpoks Politik der Reinheit verloren und war daraufhin mit seinen Leuten geflohen. Wie so vielen Anderen hatte man ihnen Zuflucht auf Tron'Jenar gewährt und nach und nach hatte er sich in seine heutige Position hochgearbeitet. Mi'ShaH war es damals gewesen, die für P'Tojas mit Iman'Dra gesprochen hatte, da er sich zu Beginn von einer schweren Verletzung hatte erholen müssen und Iman'Dra hatte sie spontan gemocht. Bis klar gewesen war, wo man sie ansiedeln würde, hatten sie eine Weile im Dorf bei der Feste gelebt und seit dieser Zeit waren sie befreundet. Iman'Dra war sich allerdings bis heute nicht ganz im Klaren darüber, welche Beziehung Mi'ShaH zu ihrem Herrn pflegte. Doch da sie nie so recht eine Antwort auf diese Frage bekommen hatte, hatte sie sie irgendwann damit in Ruhe gelassen.
"Wo ist Dara'Jan?" Mit dieser Frage auf den Lippen kam sie mit zwei Krügen zurück, reichte Iman'Dra einen davon und ließ sich dann neben ihr nieder. "Zu Hause", antwortete Iman'Dra und leerte in einem Zug den halben Krug. "Sie wollte nicht mitkommen. Sie hatte Pläne mit ihren Freundinnen, mit denen sie übrigens Waffenbruderschaften eingeht. Das Mädchen wird wohl erwachsen." Mi'ShaH musterte sie. "Und das gefällt dir nicht...", stellte sie fest. "Doch. Natürlich gefällt es mir, so ist der Lauf der Welt. Ich bin stolz auf jeden Schritt, den sie sich weiterentwickelt. Das Kind in ihr wird mir nur fehlen, das jetzt immer weiter verschwinden wird", meinte Iman'Dra nachdenklich. "Es ist schade, dass sie nicht hier ist. Ich hatte mich wirklich auf sie gefreut." "Lu... jeder freut sich auf sie. Sie ist hat ein außergewöhnlich einnehmendes Wesen. Ich bin wirklich..." Iman'Dra schloss einen Moment die Augen. "... wirklich stolz auf sie. Ich hoffe, sie wird..." Wieder unterbrach sie sich und streckte sich leicht auf den Kissen aus. "Bei Kahless...", murmelte sie. "Der Tag war wohl anstrengender, als ich dachte...", murmelte sie. "Bist du müde?", fragte Mi'ShaH sanft nach. "Dann solltest du schlafen. Schlaf ruhig ein hier..."
Es war irgendetwas in ihrem Ton, das Iman'Dra aufhorchen ließ und plötzlich merkte sie bewusst, wie merkwürdig es war, dass sie auf Schlag so unglaublich müde war. Ein Adrenalinstoß ließ sie bei diesem Gedanken auffahren und sie versuchte auf die Beine zu kommen. "Was... geht hier vor?", brachte sie mühsam hervor, die Worte wollten ihr nicht richtig gehorchen, sie lallte, als habe sie ein halbes Fass Blutwein alleine getrunken. Mi'ShaH lächelte nur. "Du solltest nicht dagegen ankämpfen, liebste Freundin. Es bringt ohnehin nichts. Es tut mir leid, ehrlich. Aber es muss sein." Mit einer Mischung aus Panik und Unverständnis im Blick sah Iman'Dra auf die Frau, die sie bis vor ein paar Sekunden für ihre Freundin gehalten hatte und die jetzt vor ihren Augen verschwamm. Und bevor ihr die Beine wegknickten und das Betäubungsmittel sie zu Boden zwang, war ihr letzter Gedanke, wie erleichtert sie darüber war, dass Dara'Jan in Sicherheit war. -
Es roch nach frischem Brot, Schinken, eingelegtem Fisch, Kräutern aller Art, altem Holz und dem etwas modrigen Eigengeruch, der Kellern zu eigen war, als Iman'Dra allmählich wieder zu sich kam. Sie nahm die Gerüche und den nackten Steinboden unter ihrem Körper wahr noch ehe sie sich recht erinnerte, was geschehen war. Erst als sie versuchte sich hoch zu stemmen und dabei von einem starken Gewicht um ihren Hals gehindert wurde, da es ihr beinahe die Luft abschnürte, kamen die Bilder zurück und ließen Leben in sie kommen. Sie riss die Augen auf, legte ihre Hände um das Ding um ihren Hals und bemerkte, dass es ein Halsring war, gefertigt aus schwerem Eisen und verbunden mit einer Kette, die man an der Wand befestigt hatte. Sie setzte sich rasch auf und versuchte sich umzusehen so gut sie konnte, was nicht leicht war, da der Ring so eng saß, dass sie sich auf das Atmen konzentrieren musste. Auch um ihre Füße hatte man Ketten gelegt, nur die Arme konnte sie bewegen, doch ohne die Schlüssel würde sie die Ketten ohnehin nicht loswerden können.
Nachdem sie sich orientiert hatte, stellte sie tatsächlich fest, dass Mi'ShaH sie offenbar in ihrer Vorratskammer im Keller untergebracht hatte. Um sie herum standen Fässer voller Blutwein und gepökeltem Fleisch und Fisch, auf den Regalen stapelten sich Brote, Käse, Bündel voller getrockneter Kräuter und Früchte, Gläser voll mit Eingemachtem und Säcke voller Salz, Zucker und anderer Gewürze. Iman'Dra konnte all das nur schemenhaft wahrnehmen, denn es war recht dunkel, nur ein wenig fahles Licht fiel durch den Schacht vor dem kleinen Kellerfenster. Es musste sehr früher Morgen oder später Abend sein. Iman'Dra hatte keine Ahnung, wie lange sie außer Gefecht gesetzt worden war.
Wäre die Situation nicht so undurchschaubar und entsprechend ernst für sie, hätte Iman'Dra aufgrund ihrer Absurdität wohl lachen können. So jedoch lauschte sie allerdings schlicht und nach einer Weile hörte sie tatsächlich Schritte näher kommen und ihre Augen, die sich inzwischen an die Dunkelheit um sie herum gewöhnt hatten, richteten sich auf die Tür aus, als diese einen Spalt geöffnet wurde. Sie wusste, dass es Mi'ShaH war.
"Wirklich?", knurrte Iman'Dra leise und der Schatten in der Tür zuckte zusammen. Offenbar hatte sie damit gerechnet, dass ihre Gefangene noch schlafen würde. "Du betäubst mich und kettest mich wie ein Tier in deiner Vorratskammer an? Ist das dein Ernst? Hast du den Verstand verloren?" Das plötzliche Licht, welches aufflammte, als Mi'ShaH die Deckenbeleuchtung einschaltete, blendete Iman'Dra und sie schloss reflexartig die Augen. Als sie sie langsam wieder öffnen konnte, sah sie Mi'ShaH am anderen Ende des Raumes stehen, ihr genau gegenüber, einen Phaser in den Händen, mit dem sie auf sie zielte. Iman'Dra schnaubte verächtlich. "Was? Hast du Angst oder warum zielst du damit auf mich? Angst vor einer Angeketteten? Tu doch nicht so, als würdest du mich erschießen wollen. Wenn du mich, aus welchem Grund auch immer, hättest töten wollen, hättest du bereits reichlich Gelegenheit dazu gehabt. Also, nimm das Ding runter und sag mir, was das hier soll."
Mi'ShaH schien ihr nicht zuzuhören, der Phaser blieb weiterhin auf Iman'Dra gerichtet. "Eine falsche Bewegung von dir und du wirst gleich schön weiterschlafen...", drohte sie und Iman'Dra seufzte. "Ich bin angekettet, Mi'ShaH. Hör mit dem Geseier auf und sag mir, was hier vor sich geht! Du kommst nicht aus Lust und Laune nach zehn Jahren auf die Idee, mich zu betäuben und in deinem Keller festzuhalten, während du eine Waffe auf mich richtest. Also was? Bist du eine Spionin und ich zu blind, um es zu sehen?" Mi'ShaH schnaubte wütend auf. "Dafür hälst du mich? Für eine Empire-Spionin?" Iman'Dra hob die Brauen. "Ich sitze festgekettet in deiner Vorratskammer und du richtest eine Waffe auf mich", wiederholte sie erneut und fragte sich für einen Moment ernsthaft, ob Mi'ShaH nicht doch schlicht und ergreifend verrückt geworden war. "Warum solltest du das tun, wenn nicht für das Empire?"
Eine Weile schwieg Mi'ShaH und man sah ihr an, dass sie mit sich rang, ob sie Iman'Dra nun eine Antwort geben sollte oder nicht. Doch offenbar war sie der Meinung, ihre sehr zweifelhafte Ehre verteidigen zu müssen. "Ich bin keine Spionin!", brach es aus ihr heraus. "Aber sie haben seine Familie, sie haben sich mit ihm in Verbindung gesetzt und sie wollen ein Mitglied des Fürstenhauses im Austausch! Das Haus Tron'Jenar ist dem Empire schon so lange ein Dorn im Auge und sie wollen ein Druckmittel gegen den Epetai! Und als er mich fragte, ob ich ihm helfe, als klar war, wann du in die Stadt kommen würdest, da... bei Kahless, ich liebe ihn!", fauchte Mi'ShaH Iman'Dra so wütend an, als sei die ganze Sache ihre Schuld, während deren Verwirrung immer mehr wuchs. "P'Tojas Familie?" Denn sie wusste genau, wen Mi'ShaH liebte, auch wenn sie es nie hatte zugeben wollen. "Die, die seit zehn Jahren tot ist? Diese Familie? Ist euch beiden Genies schon einmal der Gedanke gekommen, dass das Empire lügen könnte?" "Sie lügen nicht... die Aufnahmen, die sie geschickt haben, zeigten seine Frau und seine Kinder, die inzwischen erwachsen sind. Sie sind seit Jahren in Gefangenschaft."
Iman'Dra fielen auf Anhieb sehr viele Dinge ein, die an dieser Geschichte faul sein könnten. Sie zweifelte nicht daran, dass Mi'ShaH die Wahrheit sagte und das Empire P'Tojas erpresste, doch sie wagte sehr arg zu bezweifeln, dass der versprochene Preis tatsächlich vorhanden war und - falls doch - tatsächlich gezahlt werden würde. Doch eine Sache verwirrte sie noch mehr und sie zog irritiert die Brauen zusammen. "Und... warum... hälst DU mich dann gefangen und nicht P'Tojas? Was hast du damit zu schaffen?" "Ich sagte doch schon, ich liebe ihn! Er bat mich um meine Hilfe, weil er weiß, dass wir befreundet sind und weil er weiß, wie sehr ich ihn liebe und... ich konnte es ihm nicht abschlagen." Iman'Dra konnte nicht anders, sie musste lachen bei dieser Antwort. Ein sehr zynisches, freudloses Lachen. Hämisch geradezu. Ein Lachen, das in den Ohren schmerzte. "Und du tust all das, um P'Tojas dabei zu helfen, seine Frau zurückzubekommen? Damit er sich, sobald er sie wieder hat, von dir lossagt und du mit deiner Liebe allein da stehst? Ohne Heim, weil er sich mit dir auf der Flucht sicher nicht mehr belasten würde und du dich nirgendwo auf dem Gebiet des Hauses Tron'Jenar mehr sehen lassen könntest, wenn du auch nur mit einer Handbewegung an der Überführung der Schwester des Epetais ins Empire beteiligt gewesen wärst? Dafür riskierst du deine Ehre und dein Leben? Du lässt dich von ihm benutzen? Ich hatte dich für sehr viel klüger gehalten, Mi'ShaH!" "Oh, erspar mir deine Weisheiten!", fauchte diese ihr wütend entgegen. "Wer hat sich denn monatelang missbrauchen lassen, um ihr kleines Liebesgeheimnis zu schützen? Wer hat die Befehle des Epetai ignoriert und hinter seinem Rücken eine heimliche Beziehung geführt, weil sie den kleinen Schmied nicht gehen lassen konnte? Warst das nicht du? Also hör auf mich zu belehren, was man und was man nicht alles aus Liebe tut!"
Nun sah Iman'Dra sie mit Todeskälte im Blick an. Dies waren Erinnerungen, an denen man besser nicht rühren sollte und die sie nicht jedem anvertraut hätte. Dass eine der Personen, die sie für vertrauenswürdig genug gehalten hatte, um ihr ihre Geschichte zu erzählen, jetzt vor ihr stand und bereit war, sie dem Empire auszuliefern, machte sie rasend vor Wut. Doch mühsam zwang sie ihren Zorn zurück, er würde ihr jetzt keine Hilfe sein. "Na schön...", sagte sie leise. "Dann versuch ich es dir anders begreiflich zu machen: Du wirst sterben, wenn du dich noch weiter in diese Sache verstrickst. Du hast genau eine Chance, mit einem blauen Auge aus dieser Angelegenheit herauszukommen - lass mich frei. Jetzt sofort. Lös die Ketten und hilf mir, P'Tojas zu stellen als der Verräter, der er ist. Tu das und du wirst leben. Tu es nicht und die Krähen werden das, was von dir übrig bleibt von den Außenmauern der Feste kratzen müssen, wenn ich mit dir fertig bin." Mi'ShaH lächelte nur dünn. "Spar dir deine Drohungen, Herrin der Feste. Du wirst bald im Empire sein und sie werden sich enorm freuen, dich dort zu sehen. Vermutlich haben sie schon ein ganzes Programm für deine Begrüßungsfeier zusammen gestellt. Ich habe gehört, ihre Foltermethoden sollen inzwischen sehr fortschrittlich sein. Dumm nur, dass du deine Kleine zu Hause gelassen hast. Eigentlich wollte das Empire euch beide haben. Du weißt schon... Mutter und Kind für Mutter und Kind. Außerdem glaubte man, der Epetai würde schneller auf die Drohungen anspringen, wenn man ihm seine kleine Nichte in gewissen... Positionen vorführen könnte."
Iman'Dra wusste kaum, wie ihr geschah, denn als Mi'ShaH das sagte, wallte der Zorn so mächtig in ihr auf, dass es ihr Blut schier zum Kochen brachte und sie fuhr auf, blind vor Hass. Weit kam sie jedoch nicht. Der enge Ring um ihren Hals drückte bei der ruckartigen Bewegung so rapide auf ihren Kehlkopf, dass sie hustend und würgend zurückprallte. Im selben Moment traf sie Mi'ShaHs Phaserstrahl aus nächster Nähe und brannte sich so brutal schmerzhaft in ihre Brust, dass sie aufschrie und im selben Moment aufgrund der betäubenden Wirkung des Strahls bewusstlos zusammen brach. Und nur das stabile Knochengerüst der Klingonen sorgte wohl dafür, dass sie diesen Schuss überlebte. -
Selbst die Pferde schliefen noch, als Qin'Rako den Stall leise betrat. Er hörte, wie zwei sich in ihren Boxen aufstellten, als er hereinkam, hörte das leise Schnauben und trat schließlich an die Box heran, die das hufkranke Pferd der Herrin der Feste und ihrer Leute beherbergte. Neugierig streckte es seine Nase heraus und sog den Duft des Hafers ein, den der Hufschmied ihm auf der flachen Hand darbot. Dann öffnete es die Lippen und fraß das Kraftfutter aus seiner Hand, wobei es ausgesprochen zufrieden kaute und ihn dabei ansah. Seine Ohren waren aufmerksam aufgerichtet und als die Boxentür geöffnet und es herausgeführt wurde, machte es keinerlei Anstalten, sich die kommende Behandlung nicht gefallen lassen zu wollen.
Qin'Rako untersuchte den Huf aufmerksam. Die Wunde war durch die modernen medizinischen Maßnahmen, die auch ihm zur Verfügung standen, um Tiere zu behandeln, gut verheilt und der Huf belastbar. Er würde ihn also jetzt beschlagen, das Pferd einige Runden laufen lassen, um zu sehen, ob es mit dem Hufeisen noch lahmte und sollte alles in Ordnung sein, würde er es der Herrin noch heute zurückbringen. SikaCh'Tria war immerhin nur eine Stunde zu Pferd entfernt.
Und so brach er drei Stunden später nach getaner Arbeit und einem Frühstück, das ihm Vev'Jeyda zubereitet hatte, auf, um noch vor der Mittagsstunde in der Stadt anzukommen. Die Herrin hatte ihm gestern Morgen vor der Abreise gesagt, dass sie mindestens drei Tage in SikaCh'Tria verbringen müsse, um alles dort zu regeln, also musste er sich nicht beeilen. Er hatte noch immer mindestens anderthalb Tage, um ihr ihr Pferd zu bringen. Aber sicher würde sie erfreut sein, wenn er es so früh schaffte. Und Qin'Rako konnte sich schwer vorstellen, dass man sie nicht würde erfreuen wollen. Immerhin war sie die Herrin dieser Ländereien - und ein ausgesprochen angenehmer Gast.Als er die Stadt erreichte, waren die Spuren des Sturms, die gestern noch so deutlich zu sehen gewesen waren, beseitigt und der Weg zum Anwesen des Präfekten gestaltete sich problemlos. Dort angekommen trat er an die Wachen heran und grüßte. "Mein Name ist Qin'Rako, ich bin der Schmied des nächsten Dorfes. Die Herrin Iman'Dra ließ eines ihrer Pferde bei mir, weil es verletzt war und sagte mir, ich könne es ihr herbringen. Könnt Ihr ihr melden, dass ich hier bin und sie gerne sehen würde, wenn es ihre Zeit erlaubt?"
Die Wachen sahen ihn einen Moment stumm an und wechselten dann einen kurzen Blick miteinander. "Die Herrin ist nicht mehr hier", erwiderte dann einer der Männer. Qin'Rako runzelte die Stirn. "Wie kann sie nicht mehr hier sein? Sie ist gestern erst hergekommen und sie sagte mir, dass es mindestens drei Tage dauern würde, den Tribut in der Stadt einzusammeln. Sie muss hier sein." Dieser Satz führte zu einem wütenden Knurren des Wachhabenden, der zuvor gesprochen hatte. "Zweifelst du an meinem Wort, Schmied?! Ich sage dir, die Herrin ist weiter gezogen! Sie wird in einigen Tagen noch einmal herkommen, um den restlichen Tribut einzutreiben! Aufgrund des Hochwassers mussten einige Dinge hier in der Stadt verschoben werden und es ist noch nicht alles geregelt gewesen. Stell das Pferd in den Stall, sie wird es mitnehmen, wenn sie zurückkommt!"
Qin'Rako verspürte kurz den Drang, seine Faust im Gesicht dieser Wache zu versenken. Er war selten außerhalb seiner Schmiede und seines Dorfes unterwegs und seine Kunden kamen mit Tieren, die beschlagen werden mussten oder anderen Aufträgen zu ihm, was ihm immer den Vorteil des Hausrechtes verschaffte. Er war nicht sonderlich gut darin, sich sagen zu lassen wem und wem nicht er seine Meinung ins Gesicht schleudern durfte - oder eben seine Faust. Hier jedoch wusste er, dass es unschöne Konsequenzen haben konnte, wenn er sich nicht zurückhielt. Die Wachen des Präfekten anzugreifen, hieß, den Präfekten selbst anzugreifen und er hatte wenig Lust, die nächsten Tage hinter einem Kraftfeld zu verbringen.
Er nickte also. "Gut. Zeigt Ihr mir den Weg?" Die Wache schnaubte verächtlich. "Brauchst du ein Kindermädchen, Schmied? Kriechst du so selten aus deiner Werkstatt heraus ins Tageslicht, dass du dich auf einem größeren Grundstück nicht alleine zurechtfindest? Wir haben einen Posten zu wahren hier, wir spielen nicht den Fremdenführer für dich. Die Ställe sind südlich vom Haupthaus durch den Torbogen durch, gleich neben den Koppeln. Geh und such, alter Mann." Damit ließen sie ihn mit dem Pferd der Herrin auf das Gelände. Sein Gesicht war steinern, während er die Beleidigungen der Wachen hinnahm ohne mit Worten oder Taten darauf zu reagieren. Sie suchten eine Entschuldigung, um sich mit ihm anzulegen, doch Qin'Rako würde sie ihnen nicht geben. Er wusste genau, wie eine solche Situation ausgehen musste, denn selbst wenn er sie im Kampf bezwang - und er sah recht gute Chancen dafür, denn seine tägliche Arbeit hatte ihn stark und ausdauernd werden lassen - würde man ihn am Ende für eine Sache zur Rechenschaft ziehen, die er nicht begangen hatte. Also schwieg er, auch wenn er sein Blut vor lauter Wut in den Ohren rauschen hörte und sich seine Faust fest um den Strick krampfte, mit dem er das Pferd hielt.
Er folgte dem Weg bis zum Haupthaus, das von Weitem zu sehen war und südlich vom Tor lag, weswegen es simpel war, sich auch weiterhin in südlicher Richtung zu halten, da er schlicht am Haus vorbei laufen und auf dem Weg bleiben musste. Er passierte einen kleinen Hain und erreichte schließlich die ersten Koppeln, was das Pferd, das er führte, zu einem Wiehern veranlasste, da es seine Artgenossen witterte und sah. Die Pferde auf der Koppel hoben die Köpfe und hörten für den Moment auf zu grasen. Zwei von ihnen gaben dem Neuankömmling Antwort, doch Qin'Rako hielt sich nicht mit den Pferden auf der Koppel auf. Er sollte dieses hier in den Stall stellen und genau so würde er verfahren. Und so führte er das Pferd weiter zu den angrenzenden Stallungen, öffnete die hölzerne Tür und ging hinein, um nach einer leeren Box zu suchen. Ihn empfing der typische warme Geruch nach Tier, Leder und Heu, der jedem Stall ähnlich zu eigen war. Die hier stehenden Pferde streckten neugierig ihre Nasen heraus und ihre Ohren drehten sich aufmerksam zu dem Geräusch der klappernden Hufe ihres Freundes.
Ihres Freundes. Qin'Rako blieb verblüfft stehen. Er hatte es gedacht, doch begriff erst jetzt, was er gedacht hatte. Begriff damit auch erst jetzt, was er sah. Diese Pferde begrüßten keinen ihnen fremden Artgenossen, sondern einen, der ihnen vertraut war aus dem heimischen Stall - denn dies waren die Pferde der Herrin Iman'Dra und ihres Trosses.
Der Schmied schnappte einen Moment nach Luft, seine Gedanken rasten. Warum hatten die Wachen behauptet, dass die Herrin und ihre Leute weiter gezogen seien, obwohl dies ganz offensichtlich nicht stimmte? Denn wie wahrscheinlich war es schon, dass sie weiter zogen ohne ihre Tiere mit sich zu nehmen? Und hätte sie ihm nicht immerhin eine Nachricht gesandt oder wenigstens hinterlassen, um ihn wissen zu lassen, dass er das Pferd einige Tage später zu ihr bringen sollte? Nein, irgendetwas stimmte hier nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Und er musste herausfinden, was vor sich ging. Zwar war es ein verrückter Gedanke, dass irgendjemand auf Tron'Jenar-Gebiet auf die Idee käme, der Schwester des Epetai etwas anzutun - und tatsächlich hoffte Qin'Rako noch immer, dass hier ein Missverständnis vorlag - aber bevor er nicht sicher wissen konnte, dass sie und ihre Leute in Sicherheit waren und alles seine Ordnung hatte, musste er versuchen zu verstehen, was passiert war.
Und so stellte er das Pferd rasch in eine leere Box und verließ den Stall leise, jetzt ausgesprochen froh über die Arroganz der Wachen, die ihn nicht hatten führen wollen. Immerhin waren sie ihm nicht im Weg. Er versteckte sich in dem Hain, den er vorhin erst durchquert hatte und der ihm gleichzeitig Sichtschutz und einen guten Blick auf das Haupthaus gewährte. Dort schien jedoch alles ruhig zu sein. Wenn er mehr herausfinden wollte, dann musste er näher herankommen.
Und so schlich der alte Schmied zum Haus und um dieses herum bis er unter einem auf Spalt geöffneten Fenster im Hinterhof stehen blieb, sich nahe an die Wand drückte und dem hektischen Gespräch lauschte, dass im Raum hinter jenem Fenster geführt wurde.
"... das Kind nicht dabei ist. Nein, nein, das habe ich Euch nicht zugesagt. Ich habe gesagt, dass die Tochter vielleicht dabei ist." Qin'Rako lauschte so intensiv er konnte, aber es schien sich keine zweite Person im Raum er befinden. Zumindest antwortete niemand in der gleichen Lautstärke und doch glaubte der Mann, eine leise Stimme zu hören. Es klang, als käme sie aus einem Terminal, doch war es zu leise, als dass er die Antwort wirklich verstanden hätte. "Aber ich habe sie! Das ist viel wichtiger, das Kind wäre doch nur ein Zusatz gewesen! Gebt mir meine Familie zurück, ich schwöre Euch, dass der Epetai von Tron'Jenar nach Eurer Pfeife tanzen wird, sobald Ihr ihm zeigt, dass Ihr seine Schwester habt. Diese Ideologie der perfekten Familie geistert doch schon immer durch D'Ankwars Kopf..." Wieder kam eine Antwort aus dem Terminal, die Qin'Rako nicht verstand. "Natürlich ist sie am Leben! Und ich hoffe für Euch, dass meine Familie auch am Leben ist! Ich will einen Austausch oder Ihr bekommt Iman'Dra von Tron'Jenar nicht lebend..."
Qin'Rako zog sich langsam und leise vom Fenster zurück und atmete erst ein wenig auf, als er den Hauptweg in Richtung Tor wieder erreicht hatte, wo er keinen Verdacht erregte. Zügigen Schrittes ging er zu diesem zurück, lief an den Wachen vorbei, dankte ihnen mit einem Nicken und verschwand rasch, bevor man ihn aufhalten konnte. Er musste zum Stammhaus Tron'Jenar, so schnell wie möglich. Er wusste nicht genau, wo die Herrin war und was mit ihr passiert war. Aber er wusste, dass er Hilfe holen musste, bevor noch Schlimmeres geschehen würde. -
Die Feier ihrer Kriegerweihe war in vollem Gang gewesen, als Ka'TharaH, die neue Zantai des Hauses Lao'Koon, wie sie sich jetzt durch ihre bestandene Prüfung und darauf folgende Erhebung in den Kriegerstand endlich nennen durfte, gesehen hatte, wie ein ihr fremder Klingone aufgeregt heran gekommen war und damit begonnen hatte auf ihren Vater einzureden, der gemeinsam mit Dara'Jan von Tron'Jenar an einem der Stände gestanden hatte, die selbstgemachte Schmuckstücke feilboten. Die kleine Prinzessin der Fürstenfamilie hatte ihr gemeinsam mit dem alten Mogh'Tar, dem Onkel des Epetais, ihre Aufwartung auf diesem Fest gemacht, was eine große Ehre für ein so kleines und wenig angesehenes Haus wie Lao'Koon darstellte. Das war Ka'TharaH bewusst gewesen und doch hatte es sie weit weniger erfreut, als es vielleicht angebracht gewesen wäre. Sie hatte ein sehr gemischtes Verhältnis zum Haus Tron'Jenar und würde es wohl auch immer haben, wissend, dass dieses Haus die Lebensader war, die ihren Vater und sie selbst - und damit das gesamte Haus Lao'Koon, das nur aus ihnen beiden bestand - speiste und dass es schon reichlich Gelegenheit gehabt hätte, ihren Vater endgültig zu töten und immer darauf verzichtet hatte, was sie dazu brachte, ihnen loyal zu sein. Doch es wäre gelogen gewesen zu behaupten, dass sie die Mitglieder der Fürstenfamilie sonderlich leiden konnte.
Als sie zu dem aufgeregten Mann und ihrem Vater herangetreten war, hatte sie gerade noch hören können, worum es ging. "Iman'Dra, die Herrin der Feste... sie wurde in SikaCh'Tria gefangen genommen... und ihre Leute auch... ich bin nicht ganz sicher, was dort vor sich geht, aber ich denke, es soll eine Auslieferung an das Empire geben!", hatte der Mann gekeucht und nach einem ängstlichen Ruf Dara'Jans, Iman'Dras Tochter, gen ihres Onkels Mogh'Tar, der daraufhin schnell dazu gestoßen war, hatte man sich um ihn gescharrt und auf ihn eingeredet bis man die ganze Geschichte aus ihm herausbekommen hatte. Es hatte sich heraus gestellt, dass der Mann wohl ein Hufschmied aus der Nähe der Stadt SikaCh'Tria gewesen war, Iman'Dra ein verletztes Pferd hatte zurückbringen wollen und dabei von der Geiselnahme und den Plänen des Präfekten Wind bekommen hatte, woraufhin Mogh'Tar und Rag'Nar, Ka'TharaHs Vater, sofort beschlossen hatten nach SikaCh'Tria aufzubrechen, um die Herrin der Feste zu befreien. Ka'TharaH hatte an diesem Punkt geglaubt, sich zu verhören. Dies war ihr Abend gewesen. Ihre Feier. Ihre große Stunde. Und diese hatte nun vergeudet werden sollen - ausgerechnet an die Rettung Iman'Dras! Doch aller Protest hatte ihr nichts genutzt, ihr Vater war hart geblieben und so ließ sie sich nun mit ihm, Mogh'Tar und 200 Kriegern des Hauses Tron'Jenar vom Flaggschiff, das im Orbit des Planeten lag, in die Stadt beamen, da man Iman'Dra und ihre Leute aufgrund eines Schilds über dem Anwesen des Präfekten weder direkt hatte orten noch heraus beamen können.Ka'Tharas Laune war auf dem Gefrierpunkt. Iman'Dra war die letzte Person, an deren Rettung ihr irgendetwas lag. Ihretwegen konnte diese Frau im Empire verrotten. Denn wenn es jemanden gab, der ihren Vater im Haus Tron'Jenar noch immer offen anfeindete, so war es sie. Die adoptierte Schwester des Epetai, die sich mit Henry de Valincourt, diesem verrückten Schmied, eingelassen hatte und der seine Geliebte und Ka'TharaHs Vater Rag'Nar von Lao'Koon für seine dubiosen Spielchen missbraucht hatte. Er hatte Rag'Nars Geist vernebelt und ihn mit irgendwelchen Taschenspielertricks dazu gezwungen, Iman'Dra etwas anzutun, was diesem ein Todesurteil durch das Haus Tron'Jenar eingebracht hatte, vor dem er damals geflohen war. Dies hatte dazu geführt, dass Ka'TharaH ohne ihn hatte aufwachsen müssen bis er vor zwei Jahren zurückgekehrt war, von schlechtem Gewissen geplagt, um sich seiner Strafe endlich zu stellen. Zehn Jahre zuvor, kurz vor seinem Tod, hatte Henry de Valincourt die Geschichte allerdings aufgeklärt und dem Epetai die Wahrheit über die einstigen Geschehnisse in einem Anflug von Reue anvertraut, sodass Rag'Nar als unschuldigem Mann die Vollstreckung des Todesurteils erspart geblieben war und sie beide, Vater und Tochter, sich endlich hatten kennen lernen dürfen. Alle hätten glücklich und zufrieden sein können. Doch die Einzige, die diese Geschichte noch immer nicht hinter sich lassen konnte, war Iman'Dra von Tron'Jenar, obwohl diese selbstgerechte Idiotin sich ihren wahren Peiniger Henry selbst ins Bett eingeladen, ihn am Ende noch geheiratet hatte und ihn inzwischen seit mehr als zehn Jahren mit - Ka'TharaHs Meinung nach - vollkommen übertriebener Hingabe betrauerte. Diese Frau war für sie der Inbegriff der Doppelmoral.
Und nun sollte sie ihre erste Nacht als Kriegerin also opfern, um sie vor den Leuten zu retten, die sie zurück ins Empire schicken wollten. Ihr Vater bestand darauf, hatte gesagt, dass Ehre und Pflicht es ihnen gebiete zu helfen. Und dass sie schon sehen würde, dass es ihrer beider Schaden nicht sein würde, wenn sie es wären, die Iman'Dra retteten. Ka'TharaH wusste, dass er recht hatte. Weniger in der Sache mit Pflicht und Ehre, das kümmerte sie gerade reichlich wenig. Aber sie wusste, dass sich das Haus Tron'Jenar, welches eine hohe Familienethik predigte und lebte, erkenntlich zeigen würde, wenn man eines ihrer Hausmitglieder vor Schaden bewahren würde. Ein schmaler Lichtblick, das musste sie zugeben. Aber nicht genug, um ihr ihre Wut und Enttäuschung über den verdorbenen Abend zu nehmen.In SikaCh'tria angekommen begab sie sich gemeinsam mit ihrem Vater und etwa zwei Dritteln der Krieger, die mit ihnen gekommen waren, zum Haus des Präfekten. Mogh'Tar hatte mit dem Rest einen anderen Weg genommen, um das Umfeld auszukundschaften. Es war sehr still, die Stadt und das Anwesen schienen zu schlafen, als Rag'Nar gegen das Tor pochte und die Wache den Sehschlitz öffnete, um nach draußen zu spähen. Dabei erblickte er nur den unauffällig gekleideten Klingonen, Ka'TharaH und die anderen Krieger hatten sich soweit zurückgezogen, dass sie nicht im unmittelbaren Sichtfeld der Wache waren und lauschten.
"Was willst du?!", schnarrte die Wache. "Ich muss den Präfekten sprechen! Es sei denn, ihr wollt alle sterben...", antwortete Rag'Nar und klang dabei äußerst selbstzufrieden. "Wovon redest du?! Der Präfekt ist heute nicht mehr zu sprechen! Verschwinde!!", herrschte ihn die Wache an, doch ihr Vater lächelte nur. "Oh, ich denke schon... Ich habe den Schmied gesehen, den ihr fortgeschickt habt. Und ich weiß, wohin er gegangen ist. Ich meine, was Ihr hier tut ist mir recht gleichgültig, jedoch ein wenig... Profit für eine Information..." Doch so leicht war die Wache nicht zu überzeugen. "Ich habe keine Ahnung, wovon du redest! Und wenn du nicht sterben willst, dann verschwindest du!", fauchte sie Rag'Nar an, der sein Lächeln weiterhin beibehielt. "Macht auf. Wenn ich meine Nachricht rechtzeitig losbekomme, könnte ihr ihn noch aufhalten und mit der Herrin der Feste tun, was Euch beliebt." Als er die Herrin der Feste erwähnte, schien die Selbstsicherheit der Wache langsam zu schwinden, während ihr offenbar gleichzeitig aufging, dass dieser armselig gekleidete Mann vor ihm irgendwie an sehr geheime Informationen gekommen sein musste. Es war Ka'TharaH nicht ganz klar, warum er nicht auf die Idee kam, dass das hier eine Falle sein könnte, doch scheinbar wurde ihm die Situation allmählich zu heiß. Was auf diesem Gelände geschah war Hochverrat und das wusste jeder Einzelne, der daran beteiligt war. "Ich... habe meine Befehle...", erwiderte die Wache zögerlich und als Rag'Nar merkte, dass er den Krieger bald weichgekocht haben würde, gab er hinter seinem Rücken per Handzeichen einen knappen Befehl und einige ihrer Leute lösten sich leise aus der Gruppe und begannen lautlos die Mauer zu erklimmen, um die dort patrouillierenden Wachen auszuschalten. Der Plan verlangte es, dass einige Dinge gleichzeitig geschahen.
Rag'Nar widmete sich derweil weiter der Wache und zuckte mit den Achseln. "Gut. Dann sterbt Ihr eben. Bald. Wenn der Schmied das Stammhaus erreicht. Ich habe gehört, der Epetai kann recht... einschneidend wirken." Und mit diesen Worten tat er so, als wolle er sich abwenden und schmunzelte im Verborgenen, als er die latent panische Stimme der Wache hinter sich hörte. "Schön! Wartet!", rief diese und entriegelte das Tor.Was genau in diesem Moment mit Ka'TharaH geschah, würde sie sich in der Zukunft nicht mehr genau erklären können. Der bisher mühsam unterdrückte Frust über den Verlauf dieser Nacht, all ihre Wut schien sich zu ballen und wie eine glühend heiße Stichflamme in ihrem Inneren aufzulodern, als sie die Wache durch das nun offene Tor schutzlos dort stehen sah. Ohne recht zu wissen, warum sie es tat und dabei in Kauf nehmend, dass sie den gesamten Plan ruinierte, griff sie nach ihrem Phaser und schoss auf die Wache, die sofort tot zusammen brach, während sie aus dem Schatten heraus trat. Rag'Nar fuhr herum, mit ungläubig aufgerissenen Augen und einem wütenden Knurren auf den Lippen. "Bei Kahless, bist du verrückt geworden?! Das waren nicht meine Befehle!!", fuhr er seine Tochter an, war in zwei Schritten bei ihr und gab ihr eine Ohrfeige, die ihren Kopf ruckartig zur Seite riss und einen brennenden Schmerz in ihrer Wange hinterließ.
Im selben Moment brach im Hof Tumult aus. Es war viel zu früh gewesen, die Wache zu töten, der Hof war längst noch nicht gesichert gewesen. "Tu das nie wieder!", fauchte Rag'Nar sie an und packte sie hart an den Schultern. Ka'TharaH drehte den Kopf wieder zu ihm und sah ihm in die Augen, ihr Ausdruck war wild und ungezügelt. Dass er es, nachdem er ihr ihr großes Fest verdorben hatte, auf dass sie aufgrund seines schlechten Namens monatelang hart hatte hinarbeiten müssen, um sich das bisschen Ehre zu verdienen, das nötig gewesen war, um die Kriegerweihe überhaupt gestattet zu bekommen, nun auch noch wagte, sie zu schlagen, war zu viel und sie entriss sich ihm und stürmte in den Hof, wo sie, außer sich vor Zorn, mit Phaser und Stichwaffe daran ging, die Krieger zu töten, die ihr in den Weg kamen. Rag'Nar hinter ihr fluchte nur, als er das sah und folgte ihr in die Schlacht.
Das Problem war, dass diese zunehmend größer wurde. Durch den Lärm angelockt kamen immer mehr und mehr Krieger hinzu, Wachen, Nachbarn, Freunde des Präfekten... Da niemand wirklich wusste, was vor sich ging, gingen alle von einem Überfall auf das Anwesen aus und schon bald war der Hof voller Kampfgeschrei, Verletzter und getöteter Krieger. Dennoch waren sie mit mehr als 150 Mann eindeutig in der Überzahl und so war die Schlacht zwar heftig, aber kurz und siegreich und sie stürmten weiter zum Haupthaus, wo sie feststellen musste, dass der Präfekt P'Tojas in dem heillosen Durcheinander geflohen war.
Doch immerhin fanden sie in den Zellen des Anwesens Iman'Dras kompletten Tross. Man hatte die Krieger wohl betäubt, zusammengeschlagen und in die Zellen verfrachtet. Einige waren mehr tot als lebendig, doch sie würden es wohl überstehen. Nur von Iman'Dra selbst fehlte weiterhin jede Spur. War es schon zu spät? Hatte der Austausch mit dem Empire bereits stattgefunden? In die allgemeine Ratlosigkeit hinein, ließ Rag'Nar die Bediensteten P'Tojas' zu sich bringen, um sie zu befragen. Doch bevor er dazu kam, stapfte plötzlich Mogh'Tar in den Raum. "Wir wissen wo sie ist! Und jetzt werden wir sie dort rausholen!" -
Das Erste, was Iman'Dra wahrnahm, war das Gefühl von kaltem Wasser, das ihr über das Gesicht und in den Mund lief. Reflexartig versuchte sie zu schlucken, doch es gelang ihr nicht recht und hustend kam sie langsam zu sich. Ihre Kehle war trocken, rau und brannte trotz des Versuches, ihr Wasser einzuflößen. Doch dies war nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die in ihrer Brust tobten. Selbst sie, die in ihrem Leben bereits reichlich Schmerzen durchgestanden hatte, war kurz davor zu schreien, als sie sich auch nur ein wenig zu bewegen versuchte.
All das spürte sie noch bevor sie richtig bei sich war. Ebenso wie sie spürte, dass sie jemand hielt und wohl auf sie einsprach, doch sie konnte den Worten für den Moment nicht folgen. Es kostete sie bereits genug Mühe, die Augen aufzuschlagen und wirklich zu Bewusstsein zu kommen. Und so blinzelte sie nur mühsam und sah das Gesicht eines Mannes über sich. Eines Klingonen mit erstaunlich hellen, grün-blauen Augen, schulterlangem braunen Haar und einem Bart. Er lächelte ein wenig und wirkte freundlich, während er leise mit ihr sprach und Iman'Dra war sich sicher, dass sie ihn kannte. Aber dennoch ließ sein Griff, der sie festhielt, sie unweigerlich erschaudern.
Plötzlich wusste sie auch warum. Die latente Taubheit, die sie durch die Bewusstlosigkeit noch immer umklammert gehalten hatte, wich aus ihrem Kopf und aus ihren Gliedern und die Wirklichkeit kehrte zumindest so weit zu ihr zurück, dass sie nun wusste, wer dieser Mann war. Es war Rag'Nar von Lao'Koon - und somit die wohl letzte Person, von der sie je wieder berührt werden wollte. Adrenalin strömte durch ihr Blut, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. In diesem Moment des Aufwachens konnte er eine tiefe Angst in ihnen erkennen, die sie ihm sonst wohl niemals offen gezeigt hätte. Eine Angst, die auf Jahre zurückging, die längst vergangen waren. Doch das wusste sie nicht - hier und jetzt, in diesem Augenblick des Zwielichts zwischen Traum und Wachen, konnte sie nicht erfassen, wo und vor allem wann sie war. Und dass sich inzwischen alles verändert hatte.
Reflexartig versuchte sie somit nun, von ihm wegzukommen und die schwere Brandwunde in ihrer Brust, die der Phaserstrahl hinterlassen hatte, fauchte förmlich auf bei der ruckartigen und heftigen Bewegung Iman'Dras, sodass diese aufschrie und hilflos wie selten in Rag'Nar stützende Arme zurücksackte. "Beruhigt Euch...", hörte sie ihn leise sagen. "Es ist alles gut. Ihr seid jetzt in Sicherheit."
In Sicherheit. Würde sie je in Sicherheit sein in seiner Gegenwart? Der rationale Teil ihres Selbst wusste für gewöhnlich, dass die Zeiten, in denen er sie missbraucht hatte, der Vergangenheit angehörten und dass er selbst dazu gezwungen worden war. Ihr Verstand kannte die Geschichte, doch ihr Herz, ihre Seele oder wie auch immer man den Teil in jedem Wesen nennen mochte, dem Rationalität fremd war, würde sich nie vollständig davon erholen. In seiner Gegenwart würde sie sich immer erniedrigt, klein und hilflos fühlen. Vielleicht nicht als dominierende Emotionen, die es ihr unmöglich machten ihm in die Augen zu sehen. Vielleicht nicht einmal als Emotionen, gegen die sie bewusst ankämpfen musste. Aber als beständiges, unterschwelliges Brennen, das sich von dem ihr eigenen Stolz nähren und sie auslaugen wollte.
"Lass mich... los...", brachte sie mit heiserer Stimme mühsam hervor. Der Ring um ihren Hals hatte so eng gesessen, dass das schwere Atmen ihre Stimmbänder angegriffen hatte. "Wie Ihr wollt", hörte sie ihn erwidern. "Nur werdet Ihr es alleine nicht schaffen." Und tatsächlich ließ er sie los und stand auf, während sie nach wie vor am Boden lag. Sowohl seine Worte als auch die Tatsache, dass es die Angelegenheit nicht angenehmer machte, dass er nun so hoch über ihr stand, ließen sie mit enormer Mühe und mit Kräften, von denen sie nicht wusste, woher sie sie nahm, zur Wand kriechen. "Sag mir nicht... was ich schaffe... und was nicht...", knurrte sie angestrengt und während sie sich hochzuziehen versuchte, formulierte sie die Frage, die sie schon im Sinn hatte, seitdem ihr klar war, wo sie war und was geschehen war. "Was... machst du hier?"
Rag'Nar beobachtete derweil, wie die stolze Herrin der Feste sich schwer verletzt an der Wand abmühte. Es überraschte ihn nicht, doch auf eine gewisse Art bedrückte es ihn. Sie machte es sich selbst so schwer, aber er konnte ihr keinen Vorwurf machen. Zu vieles war geschehen, dass jede freundliche Beziehung zwischen ihnen für immer vergiftet hatte. "Ich bin hier, um Euch zu retten, wenn Ihr erlaubt", antwortete er ihr auf ihre Frage und es klang keine Ironie in seiner Stimme dabei. Es würde tatsächlich zu ihr passen, sich von ihm nicht retten lassen zu wollen. Doch andererseits konnte er sich kaum vorstellen, dass ihr eine Reise ins Empire lieber wäre. Und so trat er näher heran, da er ihre Selbstkasteiung nicht mit ansehen konnte und reichte ihr die Hand. "Lasst Euch helfen, Herrin."
Iman'Dra hielt in ihren kläglichen Versuchen inne und musterte die Hand schwer atmend. Dann sah sie zu ihm auf und in seine Augen. "Plötzlich... so freundlich?", forschte sie nach und eine Mischung aus Misstrauen, Zorn und Hohn war in ihrem Blick zu lesen. "Ich hätte dich... niemals mehr berühren dürfen. Waren das nicht... deine Worte?", zitierte sie einen Teil des gewaltigen Streits, den sie vor nicht allzu langer Zeit im Hof der Feste Tron'Jenars ausgetragen hatten und bei dem es nur den Bitten Dara'Jans geschuldet gewesen war, dass Rag'Nar und Ka'Thara heute noch am Leben waren. Rag'Nar senkte den Blick bei ihren Worten. "Ich hege keinen Groll mehr gegen Euch. Was ich damals sagte war falsch und verseucht von Hass. Ich tue lediglich, was ich Euch und Eurem Haus schuldig bin. Akzeptiert Ihr das?" Finster musterte Iman'Dra ihn noch einen Moment, doch sie war vernünftig genug, um zu wissen, dass sie hier heraus mussten und zu ihrem Leidwesen musste sie sich selbst eingestehen, dass sie aus eigener Kraft nicht auf die Beine kommen würde. Doch immerhin konnte es nicht schaden, wenn Rag'Nar es für ein Privileg hielt, ihr aufhelfen zu dürfen. "Glücklicherweise für dich...", begann sie und ergriff seine Hand. "... gibt es heute jemand anderen, der meinen Zorn... verdient hat." Kaum hatte sie ausgesprochen zog Rag'Nar sie auch schon hoch auf die Füße. Womit sie jedoch nicht gerechnet hatte, war, dass das rasche Aufstehen einen so starken Effekt auf ihren Kreislauf haben würde. Verletzt wie sie war sackte ihr dieser weg und sie wurde blass, selbst aus ihren Lippen wich die Farbe. Sie strauchelte vor Schwindel und hörte so Rag'Nars Worte nur gedämpft an ihr Ohr dringen. Er berichtete ihr von den Verrätern, dass man sie festgesetzt hatte und wie Qin'Rako, ihr schmiedender neuer Freund, Alarm bei den Feierlichkeiten geschlagen hatte, weswegen sie nun hier waren. Als er jedoch merkte, wie es ihr ging, hielt er inne und stützte sie. "Hast du Wasser?", fragte sie mit gepresster Stimme. "Ja, natürlich... trinkt, dann werden wir nach oben gehen. Dort wird man Euch weiterhelfen. Wie ich Mogh'Tar kenne, hat er mit Sicherheit den Heiler A'Wolan mitgebracht."
Iman'Dra nahm die Flasche und trank von dem kühlen Wasser. Innerhalb von Sekunden spürte sie, wie es ihr besser ging. Sie hatte seit Stunden nichts getrunken und ihre Ressourcen waren durch die Schusswunde und die für Stunden mangelhafte Sauerstoffzufuhr stark gedämpft. Doch als sie Rag'Nars Worte hörte, setzte sie die Flasche ab und sah ihn überrascht an. "Mogh'Tar ist hier?" Es war im Grunde keine so große Überraschung. Er gehörte zur Familie. Sie gehörte zur Familie. Sie brauchte Hilfe. Er half. So sollten theoretisch alle Familien funktionieren. Iman'Dra wusste, dass das nicht der Fall war. Weswegen sie dankbar war, einer Familie anzugehören, in der diese simple Regel wie ein Uhrwerk funktionierte. Die Mitglieder Tron'Jenars ließen einander nicht im Stich. Was sie jedoch störte an der Sache, war, dass Mogh'Tar es Rag'Nar überlassen hatte, sie aus diesem Kellerloch zu holen, obwohl er selbst da gewesen wäre. Und obwohl er wusste, wie sehr Rag'Nar ihr zuwider war. "Glaubt Ihr wirklich, er hätte sich dieses Abenteuer nehmen lassen?", fragte Rag'Nar überflüssigerweise in ihrem Rücken, doch sie ignorierte ihn. "Und mein... Bruder?", forschte sie stattdessen nach und biss die Zähne zusammen, als sie versuchsweise ein, zwei Schritte nach vorne machte. Der Schmerz trieb ihr den Schweiß auf die Stirn, aber sie wollte sich aus Rag'Nars Griff lösen. "Er wurde informiert. Er wird sicher bald hier sein. Könnt Ihr laufen?", fragte er und Iman'Dra nickte. "Lu... ohne Hilfe", brachte sie ein wenig mühsam hervor und konzentrierte dann ihre ganze Kraft auf den Weg. "Wie Ihr wollt...", murmelte Rag'Nar, blieb jedoch hinter ihr, um sie notfalls vor einem Sturz bewahren zu können. Er wusste, dass sie keinerlei Interesse daran hatte, sich Mogh'Tar und den anderen Kriegern zu zeigen, während sie sich ausgerechnet auf ihn stützte. Er wusste es und sie wusste es, schon allein da sie beide ebenso wussten, dass alle, die dort oben auf sie warteten, ihrer beider Geschichte kannten.
So schleppte sich Iman'Dra die Treppe hinauf und sie war sich nicht sicher, ob ihr ein einzelner Gang vorher schon einmal so enorme körperliche Schmerzen bereitet hatte. Wenn ja, dann in den Tagen des Bürgerkrieges im Empire und dies lag mehr als zwanzig Jahre zurück. Sie hatte die letzte Treppenstufe jedoch noch nicht genommen, als sie die laute, raue Stimme des alten Mogh'Tar bereits über sich hören konnte. "Ha! Wie konnte es nur soweit kommen?! Da schickt Kahless mich, um Euch zu retten!" Iman'Dra warf ihm einen kurzen, erschöpften Blick zu. Normalerweise gehörte es zum Alltag auf Tron'Jenar, dass sie ihre Spitzen untereinander austauschten, doch jetzt fehlte ihr die Kraft für eine ausgedehnte Antwort. Und die Muße. "Genießt diesen Moment, alter Mann...", keuchte sie darum nur. Eines jedoch musste sie ihm dennoch unbedingt sagen und sie wusste, dass er die Botschaft dahinter verstehen würde. "Ich... hätte Euch... in diesem Keller... erwartet..." Mogh'Tar nickte. Er verstand sehr wohl. "Ich weiß. Aber ich dachte, er hätte etwas mehr an Euch gut zu machen als ich", antwortete er schlicht und er reichte ihr die Hand, da er sah, wie sehr sie sich quälte. Diesmal zögerte Iman'Dra nicht und nahm die dargebotene Hilfe sofort an, bevor sie vor aller Augen den Boden unter den Füßen verlieren würde. Er war Familie. Tausendmal lieber stützte sie sich auf ihn als auf Rag'Nar.
Mogh'Tar betrachtete sie derweil. "Kommt. Dieser Waldschrat von einem Heiler wird Euch etwas auffrischen... damit Ihr erhobenen Hauptes nach Hause kommt!" Mit diesen Worten brachte er sie zu A'Wolan, dem alten Hausheiler Tron'Jenars, der sich ihrer Wunden annahm. Er praktizierte für gewöhnlich die etwas rauere Medizin der Klingonen, die Medizin der langsamen Heilungsprozesse und der Narben. Für Klingonen war Schmerz ein Kampf, den es zu bestehen galt und Narben das Siegeszeichen. Doch als er die schwere Phaserwunde sah, griff er nach den Apparaturen der Föderation und die Schmerzen schwanden innerhalb von Minuten auf ein erträgliches Maß. Mogh'Tar stellte sich neben die beiden, während A'Wolan behandelte und berichtete ihr derweil. "Die Verräter sind festgesetzt, ihre Anhänger tot!", ließ er Iman'Dra wissen. Diese nickte. "Gut. Ich will Mi'ShaH und P'Tojas selbst haben. Sie wollten nicht nur mich ins Empire verkaufen..." Wütend blitzte es in ihren Augen auf, als sie daran dachte, dass man sich an Dara'Jan vergriffen hätte, hätte man die Gelegenheit dazu bekommen.
"Iman'Dra!" Noch bevor Mogh'Tar antworten konnte, stand plötzlich D'Ankwar vor ihnen. Iman'Dra sah auf und spürte sofort Erleichterung in sich aufsteigen. Für gewöhnlich war sie nicht leicht zu erschüttern, aber der Verrat ihrer Freundin und der Gedanke daran, dass sie um ein Haar ins Empire gebracht worden wäre, wo man ihr schon einmal die Hölle bereitet hatte, waren zusätzlich zu ihren Verletzungen eine Belastung, die sie zumindest im Moment schwer hinter sich lassen konnte. Schon im Krieg war D'Ankwar derjenige gewesen, der aus Zufall oder Schicksal immer da gewesen war, wenn sie wirklich Hilfe gebraucht hatte. Dreimal hatte er ihr bereits das Leben gerettet, bevor das Ruustai aus ihnen Bruder und Schwester gemacht hatte. Dieses mit ihm verbundene Gefühl war ihr über all die Jahre hinweg geblieben. Wenn es brenzlig wurde, dann war D'Ankwar nicht weit. Und wenn er da war, dann würde alles gut werden.
"D'Ankwar... wie gut dich zu sehen...", sagte sie und das erste wirkliche Lächeln seit ihrem Erwachen erschien auf ihrem Gesicht. Sofort war er bei ihr und nahm sie in die Arme. "Alles in Ordnung? Geht es dir gut, Schwester?" Die Sorge war ihm deutlich anzuhören. Die Familie war alles für ihn, so war es schon immer gewesen. Und es war noch nicht lange her, dass man bereits ein Mitglied des Hauses, SoH'rajans Ehemann Ravsai, an die Borg verloren hatte. Ein Verlust, an dem sie alle noch schwer trugen. "Lu... ich habe schon Schlimmeres überstanden", antwortete Iman'Dra und schloss einen Moment die Augen in seiner Umarmung. "Ich dachte, ich hätte schon beinahe alles erlebt. Im Krieg. Schändung. Verlust. Doch ich wurde noch nie von einem Freund verraten... bis heute." Bitter klang ihre Stimme, als sie dies sagte und D'Ankwar nickte leicht. "Vor Verrat ist man niemals sicher. Es sei denn, es ist Familie. Niemand von Tron'Jenar würde dich jemals verraten." In den meisten Familien würde man wohl müde lächeln über einen solch naiven Gedanken. Doch Iman'Dra wusste, dass es in dieser Familie der Wahrheit entsprach. Sie waren zusammengeschweißt worden in Blut, Schweiß und Schreien. Es gab keinen Verrat im innersten Kreis. "Ich weiß", erwiderte sie von daher schlicht. "Und wir werden die Unterhändler kriegen", versicherte ihr Bruder ihr. "Corum ist bereits unterwegs, um ihre Schiffe aufzuspüren." Unweigerlich musste Iman'Dra erneut lächeln, als er Corum erwähnte. D'Ankwars ältester Sohn, der Erbe des Hauses und somit Iman'Dras Neffe. Er war bereits zehn Jahre alt gewesen, als sie dem Haus beigetreten war. Ein mutterloses, scheues Kind zu dieser Zeit, aber er und Iman'Dra hatten einander schnell ins Herz geschlossen. Heute war er ein stolzer Krieger und kommandierte sein eigenes Schiff in der hausinternen Flotte, die mit der Föderation zusammen arbeitete, um die Borg im Alpha-Quadranten in Schach zu halten.
Doch ihre Gedanken verweilten nur kurz bei ihrem Neffen, bevor sie automatisch wieder zu dem gezogen wurden, dem sie gerade erst knapp entronnen war. "Bei Kahless... das Empire... ich hätte niemals gedacht, dass ich dem Empire noch einmal so nah kommen würde. Es scheint hier so weit weg zu sein. Man wiegt sich so schnell in Sicherheit..." D'Ankwar nickte und sein Blick verfinsterte sich. "Sie versuchen es mit allen Mitteln und du warst das perfekte Opfer. Immer am selben Ort, leichter auszurechnen als alle anderen..." "Sie wollten nicht nur mich", unterbrach sie ihn und ihre ganze Haltung spannte sich an. D'Ankwar musste es spüren, da er sie noch immer festhielt. Und er würde wissen, was eine solche Reaktion bei ihr auslöste. Entsprechend spürte sie, wie auch er für einen Augenblick erstarrte. "Dara'Jan?", fragte er leise und der Schock schwang in seiner Stimme mit. "Lu. Sie wollten Dara'Jan. Bei Kahless, kannst du dir vorstellen, was im Empire mit ihr geschehen würde...?" Jetzt brach ihr die Stimme und sie lehnte ihren Kopf an D'Ankwars Schulter an. Es war selten, dass sie so sehr nach Nähe suchte, so sehr um Fassung rang, doch die Vorstellung ihrer kleinen Tochter, die den Schergen des Empires ausgeliefert war, brachte sie fast um den Verstand. Zu tief waren die Narben, die dieses in sie geschlagen hatte. Zu schwer wog der grausame Mord an zwei Familien, die die ihren gewesen waren zur Zeit des Krieges. Zu präsent waren die Bilder noch immer in ihren Verstand eingebrannt. Auch nach zwanzig Jahren noch.
D'Ankwar hielt sie unweigerlich fester. "Es ist nicht geschehen. Und es wird niemals geschehen. Das verspreche ich dir. Komm, ich bring dich nach Hause." Er wechselte einen kurzen Blick mit A'Wolan, der ihm zunickte. Zumindest hier hatte er alles für die Herrin der Feste getan, was möglich war. Alles weitere würde auf der Festung geschehen müssen. "Sie ist das Beste, was ich je zustande gebracht habe...", sagte Iman'Dra derweil leise, mit den Gedanken noch immer bei ihrem Kind. "Niemand darf ihr jemals etwas antun." Sorgsam half D'Ankwar ihr auf die Beine. "Es geht ihr gut, Schwester. Sie ist auf der Festung und du wirst sie bald sehen. Alles ist gut. Komm." Mit diesen Worten führte er sie aus dem Haus der Verräterin hinaus und ließ sie beide zurück ins Stammhaus beamen. -
Es dauerte nur Sekunden bis Iman'Dra plötzlich wieder zu Hause war. Einen Moment blieb sie erschöpft im Transporterraum der Feste stehen. Noch immer fehlte es ihr an Energie, noch immer fühlte sie sich nicht nur körperlich, sondern auch geistig so ausgelaugt, dass sie sich kaum bewegen konnte. MiShaHs Verrat und der Atem des Empires in ihrem Nacken hielten sie in einer gewissen Schockstarre. Doch D'Ankwar blieb an ihrer Seite und führte sie ruhig aus dem Raum hinaus, eine Hand in ihren Rücken gelegt. "Komm. Du solltest Dara'Jan sehen", sagte er. "Sie schläft bestimmt. Es ist mitten in der Nacht", erwiderte Iman'Dra ein wenig automatisiert. "Das ist jetzt gleichgültig. Sie wird wissen wollen, dass du wohlbehalten zurück bist. Sie war wohl dabei, als der Dorfschmied die Nachrichten aus SikaCh'tria brachte. Und du solltest sie sehen", wiederholte er und hatte diesen bestimmten Ton in der Stimme, dem man nicht widersprach. Er wusste, es würde seiner Schwester gut tun, ihre Tochter jetzt zu sehen. Es würde sie aus ihrer latenten Lethargie holen. Sie wacher machen. Ihr Kraft zurückgeben.
Und so brachte er sie hinauf, durch die Große Halle hindurch und weiter nach oben in den privaten Flügel der Feste, der ihr und ihrem Kind vorbehalten war. Leise öffnete er die Tür zu Dara'Jans Zimmer und gerade, als Iman'Dra hineingehen wollte, erblickte sie im schummrigen Licht einer kleinen Nachtlampe eine Person, die in Dara'Jans Zimmer saß.
Adrenalin durchfuhr sie so rasend, als habe man ihr Eiswasser ins Gesicht geschüttet und jede Taubheit fiel sofort von ihr ab. Sie löste sich grob von D'Ankwar, durchquerte mit zwei Schritten den Raum, packte die kleine Person am Kragen, riss sie hoch und schlug knurrend zu, ohne auch nur darüber nachzudenken, wer es sein könnte. Jeder, der um diese Uhrzeit und nach allem, was sie gerade erlebt hatte, im Halbdunkel im Zimmer ihres Kindes saß, war eine Bedrohung. Sie spürte, wie unter ihrer Faust Knochen brachen als wären es zu trockene Zweige, spürte, wie feuchtes Blut ihre Fingerknöchel benetzte. Die Person in ihrem Griff, die offenbar selbst geschlafen hatte, stöhnte schmerzerfüllt auf und versuchte reflexartig von ihr wegzukommen. Im selben Moment spürte Iman'Dra D'Ankwars Hände um ihre Schultern, der sie unerbittlich von ihrem Opfer losriss. All dies hatte kaum drei Sekunden gedauert und sie taumelte zurück. "Iman'Dra, hör auf! Das ist Mina!", fuhr ihr Bruder sie an und erst jetzt erkannte auch Iman'Dra die Frau, die im ersten Moment wieder auf ihrem Stuhl zusammen gesackt war und sich das blutende Gesicht hielt. "Verdammt... was tut sie hier?!", stieß sie hervor. Ihr Atem jagte, während ihr Blick sich auf die Verletzte fokussierte. Ein wenig schlechtes Gewissen regte sich in ihr, doch noch wurde es überlagert durch den Unwillen, irgendjemanden um diese Uhrzeit bei Dara'Jan zu sehen. "Sie passt auf Dara auf, bei Kahless, das Kind war außer sich vor Angst um dich!", knurrte D'Ankwar, ließ seine Schwester nun los, da sie keine Anstalten mehr machte, Mina angreifen zu wollen und kniete sich zu dieser. "Wird es gehen? Das tut mir leid...", hörte Iman'Dra ihn leise zu ihr sagen. Mina murmelte etwas, das wie "Schon gut..." klang und D'Ankwar half ihr auf. "Komm, ich bring dich zu A'Wolan. Es wird dir gleich besser gehen." Den Blick, den Iman'Dra noch auf sie erhaschen konnte, bestätigte ihr, was sie bereits gespürt hatte - sie hatte ihr den Kiefer gebrochen. Nun wurde die Stimme ihres schlechten Gewissens deutlich lauter, doch sie selbst schwieg für den Moment und ließ Mina und D'Ankwar gehen. Sie würde nach der Behandlung mit ihr sprechen und sie um Verzeihung bitten.
"SoS..." Iman'Dra wandte sich um und sah in die großen Augen ihrer Tochter, die aufrecht in ihrem Bett saß, offensichtlich verwirrt und erschrocken von der Szene, die sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Einen Moment sahen die beiden sich nur in die Augen, Dara'Jan zu perplex, Iman'Dra zu erschöpft um sich zu rühren. Doch dann warf das Mädchen die Decke zurück, sprang auf die Matratze, lief darüber hinweg zum Fußende, an dem Iman'Dra stand und schlang ihre Arme und Beine um den Körper ihrer Mutter, die sie reflexartig auffing, die Arme um sie legte und sie so oben hielt. Ihr geschwächter Körper, dem eine intensivere Behandlung im Krankenbereich der Feste sowie ein wenig Nahrung, Blutwein und Schlaf gut tun würde, protestierte zwar gegen das volle Gewicht Dara'Jans, das es zu tragen galt, doch Iman'Dra achtete nicht darauf. Sie bei sich zu spüren war wichtiger als jede Rücksicht auf Verletzungen.
Wie sie es erwartet hatte, spürte sie den schmalen Körper ihrer Tochter erbeben, als dieser die Tränen kamen. Sie hörte sie schluchzen. "Sht...", flüsterte Iman'Dra, ging zu einer der Bettseiten und setzte sich mit ihr darauf nieder, wobei sie Dara'Jan auf ihren Schoß nahm und weiterhin festhielt. "Du musst nicht weinen. Es ist alles gut... wir sind Krieger, wir weinen nicht. Das weißt du doch, hmm?", sprach sie leise auf sie ein und Dara'Jan musste unter Tränen lächeln. "Lu... ich weiß. Aber... der Mann, der herkam, hat gesagt, dass sie dich gefangen genommen haben und ins Empire bringen wollten!", stieß sie aufgeregt hervor und sah ihre Mutter mit großen Augen angsterfüllt an. Einen Moment zögerte Iman'Dra, doch dann entschied sie sich dafür, ihr die Wahrheit zu sagen. Vielleicht nicht alles. Aber genug, um ihr klar zu machen, dass eine Bedrohung nie ganz ausgeschlossen werden konnte. "Lu, das ist wahr", antwortete sie von daher. "Das Empire hat P'Tojas, den Präfekten von SikaCh'tria erpresst, um mich zu bekommen. Sie wollten Onkel D'Ankwar zwingen mit ihnen zu verhandeln. Du weißt, dass das Empire sehr gefährlich ist, Dara'Jan... nicht wahr?" Die Kleine nickte. "SoS, wenn... wenn Rag'Nar und Onkel Mogh'Tar und die Anderen nicht gekommen wären... wärst du dann ins Empire gebracht worden? Hätten sie dir dann dort weh getan?", fragte sie und Iman'Dra schluckte einen Moment. Sie wusste, dass sie diese Frage bejahen musste, wenn sie völlig ehrlich sein sollte. Doch sie wollte Dara'Jan die Vorstellung dessen ersparen, was sie im Empire wohl mit ihr getan hätten. "Vielleicht. Aber selbst wenn... ich wäre zurückgekommen. Und weißt du, warum?" Dara'Jan legte die Hand auf den Schwertgriff von Mithrodin und sah dann wieder zu ihrer Mutter auf. "Weil du so stark bist?", fragte sie und Iman'Dra musste lächeln. "Ghobe. Weil ich dich nie wirklich verlassen werde. Niemals. Und weil ich immer zu dir zurückkomme, auch wenn ich dich für eine kleine Weile allein lassen muss. Hörst du?" Das Mädchen lächelte und schmiegte sich vertrauensvoll an sie an. "Versprichst du das?", fragte sie. "Ich verspreche es. Ich geb dir mein Wort als Kriegerin. Und mehr kannst du nicht verlangen, hmm?" "Doch!", trumpfte Dara'Jan auf. "Ich verlange dein Wort von einem Hausmitglied von Tron'Jenar zum anderen!", verkündete sie feierlich und Iman'Dra hob die Brauen. "Oh... so ein gewichtiges Wort verlangst du? Na schön..." Sie lächelte, nahm Dara'Jans Hand und legte sie auf ihre Brust, an die Stelle, unter der ihr Herz schlug. "Dann will ich dir nicht nur mein Wort geben, sondern ich will schwören, von einem Mitglied des Hauses Tron'Jenar zum nächsten, dass ich dich nicht verlassen werde, so lange noch ein wenig Kraft und Leben in mir ist. Qapla!" "Qapla!", rief auch Dara'Jan, die die Wichtigkeit eines solchen Schwurs durchaus einschätzen konnte. Immerhin war sie in der Kultur der Klingonen aufgewachsen und erzogen worden. Dann gab sie ihrer Mutter einen Kuss, bei dem sie sie leicht in die Wange biss. Liebkosungen dieser Art waren üblich in ihrem Volk und sie konnte spüren, wie ihre Mutter ein wenig fester in ihr Haar griff und sich mit ihr drehte, sodass sie beide auf dem Bett zu liegen kamen. "Du solltest jetzt schlafen", meinte Iman'Dra. "Schläfst du bei mir, SoS?", bat das Kind und obwohl Iman'Dra wusste, dass sie sich eigentlich zu A'Wolan begeben sollte, rührte diese Frage sie an.
Als Dara'Jan noch kleiner gewesen war, bis etwa vor einem Jahr, war es sehr häufig vorgekommen, dass sie bei ihr geschlafen hatte, doch in letzter Zeit merkte man, dass sie allmählich erwachsen zu werden begann. Und obwohl sie noch immer sehr liebevoll und anhänglich gegenüber ihrer Mutter und ihren Tanten und Onkeln war, wurde sie in anderen Dingen privater. Wie es normal war. Iman'Dra störte sich nicht wirklich daran. Doch es war schön, eine solche Bitte doch ab und an noch einmal zu hören. "Lu", antwortete sie von daher, ließ sie für den Moment los und entledigte sich ihrer Rüstung und Waffen, um sich nur in Unterkleidung neben Dara'Jan ins Bett zu legen. Als sie sie erneut an sich zog, entdeckte diese die Diamantfigur, die sie um den Hals trug. "Das ist hübsch", bemerkte sie und nahm sie in die Hand. "Woher hast du das, SoS?" Iman'Dra schwieg einen Moment und strich Dara'Jan übers Haar. "Von deinem Vater", antwortete sie schließlich. "Es war ein Geschenk von ihm." "Wirklich?", murmelte das Kind, inzwischen bereits wieder im Halbschlaf. Es war sehr spät und die Wärme des Bettes und die vertraute Nähe ihrer Mutter machten sie schläfrig. "Das hab ich aber vorher noch nie gesehen..." "Ich weiß, Prinzessin. Ich hab es vorher nie getragen", erwiderte Iman'Dra leise und als sie merkte, dass Dara'Jan bereits eingeschlafen war, gab sie ihr einen Kuss auf die Stirn. "Ich liebe dich", flüsterte sie. Noch vor ein paar Stunden hätte sie nicht damit gerechnet, heute neben ihrem Kind einzuschlafen. In Sicherheit. Mit diesem Gedanken schloss auch sie die Augen und ergab sich ihrer Erschöpfung.Zwei Tage später war Iman'Dra wieder vollständig genesen. A'Wolan hatte sich gleich am nächsten Morgen um die Reste der Verletzungen gekümmert. Gutes Essen und Ruhe hatten ihr übriges dazu getan. Außerdem hatte sie sich bei Mina für ihren Angriff entschuldigt, die es mit erstaunlich viel Humor genommen hatte. Auch sie war von A'Wolan doch recht schnell wieder hergestellt worden und nun auf die Station zurückgekehrt.
Iman'Dra indes hatte heute wichtige Dinge zu erledigen. Dinge, die ihr am Herzen lagen und die kein langes Hinauszögern erlaubten - die offizielle Verurteilung von P'Tojas und MiShaH. Sie hatte sich von ihrem Schock erholt und war nun voller Tatendrang, denn es war ihr nicht nur ein persönliches Anliegen, diese Sache angemessen zu bestrafen, sondern ebenso eine wichtige Hausangelegenheit. Jeder, der auf diesem Kontinent und somit unter der direkten Jurisdiktion des Fürstenhauses Tron'Jenar lebte, sollte sehen und wissen, was mit denen geschah, die ihren Eid brachen, zu Verrätern wurden und der Fürstenfamilie Schaden zufügten.
Zu diesem Zweck war am Morgen das Tribunal versammelt worden. Dieses bestand aus den Oberhäuptern aller unabhängiger Häuser, Klingone oder andere Spezies, die sich unter Tron'Jenars Banner versammelt und ihren Eid auf das Haus geschworen hatten. Die gesamte Arena, die um den Hauptkampfplatz der Feste errichtet worden war, war bis auf den letzten Platz vollständig besetzt. Die, die darin keinen Platz mehr gefunden hatten, konnten das, was darin geschah, über Monitore einsehen, die überall auf dem Gelände errichtet worden waren. Jeder, der es sehen musste, aber auch jeder, der es sehen wollte, bekam die Gelegenheit dazu.
Iman'Dra stand in einem der Gänge, durch die die Krieger bei einem Duell gehen mussten, bevor sie in die Arena hinaustraten, um sich ihrem Kampf zu stellen. Von dieser Position aus hatte sie einen guten Blick auf den Kampfplatz selbst, auf den MiShaH und P'Tojas in diesem Moment geführt wurden. In dessen Mitte wurden sie an zwei Pfähle gekettet, während es in den vollbesetzten Rängen zu wütendem Geschrei kam, als man ihrer ansichtig wurde. Iman'Dra rührte sich nicht. Noch nicht. Sollten sie die Beschimpfungen erdulden. Es war das Mindeste, was sie verdienten.
Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und wandte leicht den Kopf um. D'Ankwar trat neben sie. "Es wird Zeit, Schwester. Bist du sicher, dass du es selbst tun willst? Du weißt, du musst es nicht. Ich kann sie ebenso verurteilen." "Ich bin sicher", erwiderte Iman'Dra. "Das hier ist mein Privileg. Ich war ihr Opfer." D'Ankwar nickte. "Dann wird die Familie von der Tribüne aus dein Urteil über die Verräter erwarten", sagte er und wandte sich um, um seinen Platz auf eben jener Tribüne einzunehmen. In die Roben des Hauses gekleidet fanden sich dort die anwesenden Familienmitglieder D'Ankwar, seine Frau Nina, seine Schwester SoHra'jan, sein Onkel Mogh'Tar, seine Tochter Khi'LeisaH und natürlich seine Nichte Dara'Jan. Als der Epetai seinen Platz eingenommen hatte, wurde es still. Man erwartete den Beginn der Verurteilung.
Noch einen Moment ließ Iman'Dra die Stille wirken, dann setzte sie sich in Bewegung und trat durch den Gang hinaus in die Arena. Sie spürte das Sonnenlicht auf sich, als sie auf den Platz hinaustrat. Es ließ die metallenen Elemente ihrer Kleidung, die Spange, die den grünen Umhang mit dem aufgestickten Wappen des Hauses Tron'Jenar zusammenhielt und die stählernen Schnallen und Sporen an ihren ledernen Stiefeln, glänzen. Ebenso wie den Schmuck, der ihre beiden Hände zierte. Kunstvoll und filigran gearbeiteter Stahl umfing ihre Finger beinahe vollständig. Es war dekorativ, aber zugleich äußerst zweckmäßig. Wenn sie damit zuschlug, würde der Schlag eindrucksvolle Spuren hinterlassen.
So trat sie in Rüstung, Waffenrock und Umhang, mit hohen Lederstiefeln und dem Waffengurt, der Mithrodin hielt, vor die beiden Gefangenen. Einen Augenblick schwieg sie und suchte ihrer beider Blick. Während P'Tojas sie ansah und Iman'Dra latenten Trotz in seinen Augen zu erkennen meinte, hielt MiShaH den ihren gesenkt. Iman'Dra trat auf sie zu bis sie direkt vor ihr stand. "Selbst jetzt bist du noch feige", raunte sie ihr zu und trat wieder zurück, bevor MiShaH antworten konnte.
"Krieger!", rief die Herrin der Feste dann mit lauter Stimme, die alle Ränge der Arena zu erreichen schien. "Oberhäupter der Häuser, die uns, dem Haus Tron'Jenar, die Treue gelobt haben! Ihr seid heute hier versammelt um Zeuge davon zu werden, was passiert, wenn man diesen Eid, den ihr alle geleistet habt, bricht!" Sie hielt kurz inne und begann dann langsam vor den Gefangenen auf und ab zu schreiten. "Dies ist KEINE Verhandlung! Dies ist KEINE Suche nach Beweisen! Dies ist eine Verurteilung auf Basis dessen, was sie mir selbst angetan haben und ich stehe für die Wahrheit dieser Geschehnisse mit meinem Wort und meiner Ehre ein! Und wenn irgendjemand von euch, den Oberhäuptern, einen dieser beiden, die hier verurteilt werden sollen, dennoch verteidigen will, so möge er JETZT vortreten, sprechen und sich dem Urteil Tron'Jenars ebenso stellen!"
Wie es Iman'Dra erwartet hatte, blieb es still auf den Rängen. Niemand war so ehrlos oder so dumm, Partei für die zu ergreifen, die in Ungnade gefallen waren. "Gut! So soll berichtet werden, wie der Eid gebrochen wurde!", fuhr sie schließlich fort. "Ich kam als ihre Herrin und als ihr Gast gleichermaßen in ihre beiden Häuser! Um seine Familie zurückzubekommen, hatte P'Tojas sich vom Empire erpressen lassen... sie sagten ihm, er bekomme Frau und Kinder zurück, wenn er mich ausliefere! Und anstatt seinem Eid treu zu sein und sich auf sein Fürstenhaus zu verlassen, anstatt darauf zu vertrauen, dass wir alles in unserer Macht stehende getan hätten, um seine Familie aus ihrer misslichen Lage zu befreien, wenn er sich uns nur anvertraut hätte, beschloss er, nach den Regeln des ehrlosen Empires zu spielen! Er ließ mich gefangen nehmen und führte selbst die Verhandlungen, um mich ausliefern zu lassen! Er glaubte, Tron'Jenar betrügen und vernichten zu können, um sich und die Seinen zu retten!" Schreie von den Rängen wurden laut. Wilde und wüste Beschimpfungen regneten auf P'Tojas nieder und Iman'Dra ließ sie einen Moment schreien, bevor sie die Hände hob und es wieder still wurde. "Darum...!", begann sie. "... wird P'Tojas nun dazu verurteilt, von Tron'Jenar selbst verschlungen zu werden! Wie ihr alle wisst, ist der Wolf das Wappentier des Hauses, ist der Wolf Tron'Jenar selbst! So höre also, P'Tojas: In sieben Tagen von heute an wirst du mit auf den Rücken gefesselten Händen den hungrigen Wölfen des hauseigenen Rudels zum Fraß vorgeworfen werden! Deine Füße werden nicht gefesselt sein, sodass du versuchen kannst, vor ihnen zu entkommen... doch der Wolf wird dich einholen, P'Tojas! Du kannst dich nicht vor ihm verstecken! Vielleicht für eine kleine Weile, doch nicht auf Dauer! Und wenn er dich gefunden hat, wird er dich vertilgen - wie Tron'Jenar es tut!"
Jubel kam auf bei diesem Urteil, doch Iman'Dras Blick blieb steinern auf den ehemaligen Präfekten geheftet, der den Blick ebenso starr erwiderte. Er bat nicht um Gnade. Immerhin das. Wenigstens würde er nicht als völliger Feigling in den Tod gehen.
Dann sah Iman'Dra erneut zu MiShaH. "MiShaH...!", rief sie erneut laut und der Lärm verebbte. "Du warst P'Tojas ausführende Hand! Aus Dummheit und falscher Loyalität hast du Freundschaft und Eid verraten! Er mag der Kopf dieser Operation gewesen sein, er mag all das geplant haben - doch DU warst diejenige, die die Hand gegen mich erhob! Es war dein Blutwein, den ich im Geiste der Gastfreundschaft ohne Argwohn trank, der mich betäubte! Es war dein Keller, in dem ich gefangen gehalten wurde! Es waren deine Ketten, die mich beinahe erstickten und dein Phaser, dessen Strahl mich traf! Es waren deine Worte, die mich beleidigten und verhöhnten und ich sage dir hier und heute, dass ich mein Versprechen halten werde!"
Iman'Dra blieb stehen und sah ihr fest in die Augen. "Ich habe dir an diesem Tag versprochen, dass die Krähen das, was von dir übrig bleibt, von den Mauern der Feste kratzen müssen, wenn du mich nicht freilässt! Hier ist also dein Urteil: Morgen zur Mittagsstunde sollen dir mit einem Dolch überall am Körper Wunden zugefügt werden! Jedoch nicht schlimm genug, um dich verbluten zu lassen! Sodann sollst du an die Außenwand der Feste in Höhe der Zinnen gekettet werden, auf dass deine Wunden Vögel anlocken, die sich ihrer annehmen! Dort sollst du hängen bis zum Tod und darüber hinaus, als Mahnmal für das, was mit Verrätern geschieht!"
Iman'Dra machte sich nicht die Mühe, die Auswirkung ihres Urteils in MiShaHs Augen zu lesen. Sie spuckte vor den beiden auf den Boden, wandte sich um, neigte den Kopf vor Epetai, Zantai und Vestai des Hauses, die auf der Tribüne standen und verließ unter den Schreien des Tribunals die Arena. -
Noch am selben Abend, nachdem die Aufregung aufgrund der Urteilsverkündung sich gelegt und die Mitglieder des Tribunals sich wieder in ihre jeweiligen Häuser zerstreut hatten, ließ Iman'Dra nach Qin'Rako schicken. Nach dem Mann, der ihr zweifelsohne das Leben gerettet hatte. Denn auch der beste Familienzusammenhalt, auch die stärksten Beschützer waren nutzlos, so sie nichts von der Gefahr wussten, in der sich ihre Geliebten befanden und somit nicht zur Hilfe eilen konnten. Nur Qin'Rakos beherztem Einsatz war es zu verdanken, dass Tron'Jenar von der geplanten Entführung ins Empire erfahren und sie rechtzeitig hatte stoppen können. Iman'Dra gedachte selbstverständlich, eine solch bedingungslose Loyalität angemessen zu belohnen. Auf ihre Art.
Qin'Rako hatte nach ihrer Rettung zu seiner Schmiede bei SikacH'tria zurückkehren wollen, doch man hatte ihn nicht gelassen. Iman'Dra, zu erschöpft, um sich um solche Fragen zu kümmern, hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht geschert unter welchen Umständen man auf Tron'Jenar von ihrer Situation erfahren hatte, doch Mogh'Tar hatte Qin'Rako befohlen, bei ihnen zu bleiben und mit ihnen gemeinsam zum Stammhaus zurückzukehren. In den letzten beiden Tagen war er Epetai und Zantai vorgestellt worden und hatte sich auf den Ländereien der Fürstenfamilie und in der Feste selbst umsehen können. Es war eine Ehrenbekundung gewesen, zweifellos, doch Iman'Dra empfand dies als zu wenig und sie wusste, dass D'Ankwar es ebenso sah. Sie wusste allerdings auch, warum er dennoch keine weiteren Schritte eingeleitet hatte, um den Schmied zu belohnen - er wollte es ihr überlassen.
Und so hatte sie diesem eine anonyme Nachricht zukommen lassen, die ihn zum Abend hin in die Schmiede im Innenhof der Feste bestellt hatte. Zu Henrys Lebzeiten war diese nur sehr klein und bescheiden in der Ausstattung gewesen, da man sie lediglich für die Anfertigung von Hufeisen und Werkzeugen benötigt hatte. Alle größeren, aufwändigeren und feineren Arbeiten hatte Henry für die Fürstenfamilie in seiner Schmiedehütte am Waldrand hergestellt. Doch nach dessen Tod war die Schmiede im Innenhof erweitert worden und man hatte einen neuen Meister gefunden, um die Waffen für das Haus zu fertigen und instand zu halten. Iman'Dra hatte sich nie in größerem Maße für die Wahl des Schmieds interessiert. D'Ankwar hatte ihr diese Aufgabe in Rücksichtnahme auf ihre damals sehr frische Trauer abgenommen und seitdem hatte es nichts zu beanstanden gegeben - allerdings auch nichts zu bewundern. Der Mann verrichtete gute und gewissenhafte Arbeit, doch er würde Henry in seiner Kunst niemals das Wasser reichen können. Kurz dachte Iman'Dra darüber nach, als sie die Schmiede im Innenhof nun zum ersten Mal betrat. Sie hatte im Laufe der letzten Jahre einige Male davor gestanden, um Dinge mit dem Schmied zu besprechen oder ihm Aufträge zu geben, doch niemals hatte sie sie bisher betreten, hatte kein Interesse daran gehabt. Aber heute Nacht lagen die Dinge anders.
Es war still im Inneren, als sie hereinkam. Sie sah mit einem einzigen Blick all die Werkzeuge, die an einem Ort wie diesem benötigt wurden und ließ die Fingerspitzen über die metallene Oberfläche des Amboss gleiten, während ihr Blick für einen Moment auf das Fass voller Wasser fiel. Die Gerüche nach verbranntem Holz und Kohlen, nach Leder und Stroh lagen in der Luft und in den Dachbalken flatterten einige Vögel umher. Ansonsten war es still, die Arbeiter waren gegangen, die Sonne ging bereits unter und Iman'Dra sah zur Feuerstelle und trat näher heran. Es schlugen keine Flammen mehr darin, der Schmied hatte das Feuer ausgehen lassen, bevor er die Schmiede verlassen hatte, doch als Iman'Dra die Hand darüber hielt, konnte sie die Wärme der Kohlen noch immer spüren. Und sie würde ein Feuer brauchen.
Mit geübten Bewegungen brachte sie es wieder zum lodern und fachte es mit dem Blasebalg und weiteren Kohlen als Nahrung genug an, um die Flammen schlagen zu lassen. Dann griff sie nach einem der Schwerter, die als Rohlinge auf einem kleinen Tisch lagen und legte es neben den Amboss. Es war handwerklich gut gemacht, doch etwas Besonderes war es sicherlich nicht. Iman'Dra war gespannt, ob ihr Plan aufgehen würde, als sie sich in den Schatten im hinteren Teil der Werkstatt zurückzog und wartete.Es dauerte bis knapp nach Sonnenuntergang, als die ersten Schatten fielen, bis Qin'Rako, dem Willen der Nachricht folgend, leise in die Schmiede eintrat. Eigentlich hatte er schon vor einigen Stunden nach Hause aufbrechen wollen. Er war sich sicher, dass Vev'Jeyda und ihr Junge ihn bereits erwarteten, doch die Nachricht ohne Namen hatte dies verhindert. Für eine Weile war er ob ihres Inhaltes skeptisch gewesen, doch das Papier hatte das Siegel Tron'Jenars getragen und so hatte er den Gedanken an eine Falle abgeschüttelt und war nun hier, wo man ihn hatte haben wollen - nur schien niemand hier zu sein.
Gewiss bemerkte er, dass ein Feuer brannte und dass es, so munter wie es brannte, noch nicht lange her sein konnte, dass man es angefacht hatte, doch er machte sich nichts daraus. Es mochte möglich sein, dass der ansässige Schmied mit seiner Arbeit noch nicht fertig war und bald zurückkommen würde. Er selbst arbeitete gerne bis tief in die Nacht, wenn es dringende Projekte zu beenden galt. Es gab Momente, in denen die Uhr- und Tageszeit gleichgültig waren. Momente, in denen nur zählte, dass der Stahl nicht erkalten durfte. Sein Blick fiel auf eines der Schwerter, dass der Meister dieses Ortes auf einem Beistelltisch hatte liegen lassen. Kurz sah Qin'Rako sich um, doch da nach wie vor alles still blieb und niemand sich der Schmiede zu nähern schien, trat er an die Waffe heran und nahm sie zur Hand, um sie aufmerksamer zu betrachten. Sanft fuhr er mit einer seiner rauen Hände darüber und schwang sie einige Male, um die Balance auszutesten. Sie war gut gearbeitet, ohne Zweifel, und doch...Iman'Dra lächelte, als geschah, was sie gehofft hatte. Zufrieden sah sie dabei zu, wie Qin'Rako das Feuer anheizte und das Schwert plötzlich in die Flammen stieß, um die Klinge zum Glühen zu bringen und sie wieder hervorzuziehen, als sie die richtige Temperatur erreicht hatte. Er griff nach dem mächtigen Hammer zu seiner Rechten, legte sein Opfer auf den Amboss, holte weit aus und schlug zu. Funken stoben auf, als der Hammer donnernd auf dem Metall aufkam und tauchten die dunkle Schmiede in jenes einzigartige Licht, das Iman'Dra in früheren Jahren so oft gesehen hatte. Sie zog den Atem scharf ein und keuchte leise auf, als der Stahl unter seinen Händen schrie, während ein wohliger Schauer durch ihren Leib rieselte. Sie hatte sich so sehr gewünscht, dass er dies tun würde. Hatte auf die Instinkte des Meisters gehofft, der wusste, dass diese Waffe noch unfertig war und darauf, dass er nicht würde widerstehen können. Kaum etwas konnte sie so sehr faszinieren, wie einem Schmied bei seiner Arbeit zuzusehen und so folgte sie seinen Bewegungen gebannt, während das Licht der Funken und der vor Hitze schimmernden Klinge sich in ihren dunklen Augen spiegelte. Doch nur noch einen Moment lang. Sie hatte noch etwas zu erledigen, solange er beschäftigt war.
Sehr leise und sehr behutsam löste sie sich aus ihrer dunklen Ecke und huschte zu dem kleinen Tisch, auf dem er vorhin das Schwert entdeckt hatte. Darauf platzierte sie etwas, was ihr sehr teuer war und was sie speziell für diesen Anlass ausgewählt und mit hierher gebracht hatte - einen ausgesprochen kunstvollen Dolch. Dies war nicht irgendeine Arbeit. Henry selbst hatte diesen Dolch zu Ehren ihrer beider Hochzeit angefertigt. Es gab noch einige mehr davon, da es einer klingonischen Tradition entsprach, solche Waffen zu großen Festlichkeiten an bestimmte Leute zu verschenken, um diese zu ehren und das Fest unsterblich werden zu lassen. Heute jedoch waren nicht mehr viele davon in Iman'Dras direktem Besitz. Im Haus selbst gab es noch einige, die an Hausmitglieder verschenkt worden waren und natürlich hatte sie ihren eigenen und den, den sie für Dara'Jan aufhob bis sie alt genug war, um ihn zu bekommen, doch abgesehen davon war dieser, der nun auf dem Tisch lag, der Letzte dieser Dolche, der noch keinen Besitzer hatte. Bis zu dieser Nacht.Irgendwann hielt Qin'Rako schwer atmend inne, musterte die Klinge, die er nun mehrfach gefaltet hatte und warf sie dann in das Wasserfass, wo sie zischend und dampfend erkaltete. Es würde gut werden, das wusste er. Erst jetzt, da er einen Blick aus dem Fenster hinaus warf und feststellte, dass es inzwischen dunkel geworden war, realisierte er, wie lange er schon hier sein und schmieden musste, ohne dass sich jemand gezeigt hätte. Welches Spiel spielte man hier mit ihm? War er einfach vergessen worden? Hatte man ihn zum Narren halten oder ihn der Unverschämtheit überführen wollen, dass er in einer fremden Schmiede arbeitete? Er wusste es nicht zu sagen und unschlüssig sah er zur Tür. Sollte er einfach gehen? Doch es war zu spät, um jetzt noch auf herkömmlichem Weg nach Hause aufbrechen zu können. Vielleicht sollte er eine der Wachen darum bitten, dass er gebeamt werden konnte.
Während er noch darüber nachdachte, was nun der sinnvollste Schritt sei, sah er sich gedankenverloren in der Schmiede um und sein Blick blieb plötzlich an etwas hängen. Sofort wurde er aufmerksam und seine Brauen zogen sich zusammen, als er misstrauisch aufsah. Der Dolch, der auf diesem Tisch lag, war vorhin noch nicht da gewesen. Er war sich völlig sicher, denn bereits aus der Entfernung heraus konnte er erkennen, dass es sich um ein Meisterwerk handelte, das er sich genauer angesehen hätte, hätte es zuvor schon dort gelegen. Niemals hätte er die Waffe ignoriert. Irgendjemand musste sie dort hingelegt haben, während er geschmiedet hatte. Irgendjemand musste hier sein.
Er griff nach dem nassen Griff des eben erst fertig geschmiedeten Schwertes und zog es aus dem Fass, brachte sich in Kampfstellung und hob die Klinge herausfordernd an. Im Schein des Feuers perlten glitzernde Wassertropfen daran hinab. "Kommt heraus!", bellte er mit tiefer Stimme in das Innere der Schmiede. "Sofort! Ich mag ein einfacher Schmied sein, aber um Euch den Schädel zu rasieren, wird es dennoch reichen!"Iman'Dra schmunzelte. Mit gespannter Genugtuung hatte sie beobachtet, wie er den Dolch entdeckt und seine Schlüsse daraus gezogen hatte. Er war klug und ein aufmerksamer Mann, das gefiel ihr. Viele Andere hätten wohl angenommen, den Dolch zuvor übersehen zu haben, doch er war selbstsicher genug um zu wissen, dass ihm dies nicht passiert wäre. Sehr gut. Sie brauchte jemanden mit einer guten Beobachtungsgabe, welche Aufgabe er in Zukunft auch erfüllen würde.
Bei seiner Aufforderung beschloss sie, ihre kleine Scharade zu beenden. Man musste es nicht bis zum Äußersten treiben und er hatte alle Erwartungen, die sie an ihn gehabt hatte, erfüllt, ohne überhaupt zu wissen, dass es Erwartungen gegeben hatte. Warum ihn länger auf die Folter spannen? Mit diesem Gedanken trat Iman'Dra aus den Schatten hervor in das schummrige, springende Licht der Flammen, das goldene Schemen auf sie zu werfen schien. Sie hatte sich für diesen Anlass entsprechend gekleidet - ein rotes Kleid bedeckte sie, unterbrochen von schwarzen Elementen und durchzogen von goldenen Streifen, während weiches, braunes Leder ihre Taille und ihr Dekolleté umschmeichelte und ihre Unterarme als Schoner umhüllte.
Als Qin'Rako ihrer ansichtig wurde und sie erkannte, blinzelte er überrascht, wich einen Schritt zurück und ließ das Schwert sofort sinken, bevor er den Kopf vor ihr neigte. "Herrin... verzeiht mir. Ich wusste nicht..." "Leg das Schwert weg, Qin'Rako", unterbrach ihn ihre leise, dunkle Stimme. "Du wirst es nicht brauchen. Nicht hier. Nicht jetzt." Rasch kam er ihrer Aufforderung nach, hielt den Blick jedoch weiterhin gesenkt. Offenbar wagte er es sich nicht recht, sie anzusehen. Sie musste ihn mit ihrem plötzlich Auftauchen tatsächlich aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Dieser Gedanke ließ sie einen Moment lächeln, bevor sie seiner Antwort lauschte. "Natürlich... verzeiht mir. Ich hätte... nicht hier arbeiten sollen..." "Oh doch", erwiderte Iman'Dra, während sie näher an ihn heran trat. "Ich hoffte, du würdest es tun. Aber sag mir... warum siehst du mich nicht an? Sind wir keine Freunde seitdem ich dein Gast sein durfte?" Verdattert sah der Schmied nun auf und in ihre Augen. "Gewiss... jedoch verstehe ich nicht. Ihr wolltet, dass ich schmiede? Aus welchem Grund? Ihr habt hier sicher Schmiede, die weitaus besser sind als ich." Sie beide wussten im selben Moment, als er es aussprach, dass es eine Floskel war. Eine Höflichkeit, an die er nicht wirklich zwingend glaubte. Er wusste, was er konnte und sie wusste es ebenso. "Ich habe lange keinem Meister mehr bei der Arbeit zusehen können", antwortete sie von daher schlicht. "Es war mir eine Freude und ein Verlangen." Bei diesen Worten lachte Qin'Rako jedoch leise auf. "Ghobe", schmunzelte er amüsiert. "Kein Meister. Ich bin nur ein einfacher Schmied." Iman'Dra hob die Brauen ein wenig und deutete auf das Schwert, das er hatte fallen lassen. "Und doch konntest du mit absoluter Präzision sagen, dass dieses Schwert nichts taugte, obwohl du es nicht mehr als eine Minute in Augenschein genommen hast. Kann dies ein einfacher Schmied?" Qin'Rako folgte ihrem Deuten und musterte die Waffe. "Nun...", begann er ein wenig zögerlich. "Es war gut gearbeitet, versteht mich nicht falsch. Mit Härte und Verstand. Jedoch... fehlte das Herz. Um dies zu erkennen, muss man kein Meister sein. Man muss nur lieben, was man tut." Er sah wieder zu ihr. "Versteht Ihr das?" Sein Blick begegnete ihrem Lächeln, das sich ob seiner Worte vertieft hatte. Es war ein wenig, wie mit Henry über die Schmiedekunst zu sprechen. "Ohja... das tue ich", erwiderte sie von daher. "Aber sag mir dann, wie du dieses Werk beurteilen würdest", bat sie ihn und ging zu dem kleinen Tisch, auf den sie den Hochzeitsdolch gelegt hatte, den sie nun wieder zur Hand nahm und ihm präsentierte.
Es war eine ausgesprochen feine und detailreiche Arbeit. Mann und Frau in kriegerischer Hingabe vereint bildeten den Griff, die Klinge war glänzend und verziert mit klingonischen Symbolen, während die Scheide ein einziges Wunderwerk an Präzision zu sein schien und doch fremdartig anmutete. Sie zeigte Kreuzsymbole und betende Figuren, was, wie Iman'Dra wusste, Henrys eigener Kultur und Religion entsprang. Die Waffe war die perfekte Einheit zwischen ihnen beiden gewesen. Ehrfürchtig nahm Qin'Rako sie aus ihren Händen, um sie genauer anzusehen. Wie filigran es gearbeitet war - war dies überhaupt möglich? "Dies ist das Werk eines wahren Meisters, vor dem ich verblasse wie das Licht des Tages, wenn der Abend kommt, Herrin", sagte er bewundernd. "Wie es jeder tat", erwiderte Iman'Dra leise. "Du fragtest mich nach ihm, als ich bei dir zu Gast war...", ließ sie ihn wissen und seine Augen wurden groß. "Es ist seine Arbeit?" "Lu", bejahte sie. "Eine der letzten, die er vollbrachte. Er schmiedete einige dieser Dolche zu Ehren unserer Hochzeit." Qin'Rako nickte leicht und hob den Dolch direkt vor seine Augen, um ihn noch eingehender betrachten zu können. "Eine perfekte Arbeit", urteilte er schließlich. "So voller Macht und doch voller Kunstfertigkeit. Bedauerlich, dass seine Kunst verloren ging. Ich wäre gern ein solcher Meister, wie er es war." Iman'Dra schwieg einen Moment, beschloss dann jedoch, nicht darauf einzugehen und lieber zum eigentlichen Thema zu kommen. Alles andere würde sie auf Dauer nur traurig und unleidig werden lassen. Beides wollte sie für diesen Abend nicht. "Der Dolch gehört dir", erwiderte sie von daher. "Möge das Blut deiner Feinde die Klinge benetzen." Verblüfft sah Qin'Rako sie an und ging dann langsam auf ein Knie hinab, nur um ihr den Dolch anzureichen. "Herrin, ich bin es nicht wert, dies zu tragen, da es aus dem Herzen des Meisters kam, geschmiedet Euch zu Ehren..." Iman'Dra hob jedoch die Hand, um seinen Worten Einhalt zu gebieten. "Du rettetest mein Leben", wand sie ein. "Ohne dich würde mein Blut die verbrannte Erde des Empires tränken. Ich bin dir zu großem Dank verpflichtet. Steh auf." Er folgte ihrem Wort und stand auf, schüttelte bei ihrem Dank jedoch den Kopf. "Nicht doch. Ich habe nur meine Pflicht getan, wie es jeder tun würde, der diesem Haus verbunden ist." Iman'Dra hob einen Mundwinkel. "Vielleicht... doch wie die Verräter bestraft werden, so werden die Loyalen belohnt." Zuweilen konnte die Welt sehr einfach sein.
Die Klingonin trat nun noch einen Schritt näher an ihr Gegenüber heran und suchte seinen Blick mit dem ihren. "Ich habe drei Angebote für dich", begann sie. "Doch zuvor muss ich etwas wissen." Qin'Rako nickte ihr zu. "Fragt, so werde ich antworten." "Liebst du Vev'Jeyda?", stellte sie daraufhin ohne Umschweife ihre Frage. Sie musste dies wissen, um sicher sein zu können, dass jedes Angebot und alles, was sie für diesen Abend geplant hatte, kein Bündnis eines Liebespaares unnötig erschweren würde. Für einen kurzen Augenblick schien der Schmied irritiert, dann lachte er leise auf. "Wie eine Tochter", antwortete er lächelnd. "Sie erinnert mich an etwas, was ich einmal hatte. Eine Familie, versteht Ihr? Frau und Kinder... doch das ist lange her. Alle fünf sind sie in den Mienen des Empires gestorben." Sein Blick verfinsterte sich für einen Moment, seine Hände ballten sich zu Fäusten. Grausame Erinnerung sprach daraus. Doch nach einem tiefen Atemzug fuhr er fort. "Vev'Jeyda und ihr Junge hatten es schwer. Ich musste ihnen helfen." Auch Iman'Das Blick hatte sich gleichsam verfinstert, als er von den Verbrechen des Empires gesprochen hatte. Es gab wohl niemanden auf den Ländereien Tron'Jenars, denen diese elenden Bastarde nichts genommen hatten. "Irgendwann wird das Empire bezahlen... für alles, was sie denen angetan haben, die zu uns gehören", versprach sie ihm. "Doch nun höre mein Wort. Mein erstes Angebot ist nicht sehr aufregend, doch es mag viel Freiheit darin liegen: Du kannst nach Hause gehen und nichts muss sich für dich verändern. Liebst du dein Leben wie es ist, so will ich es dir nicht nehmen. Mein zweites Angebot...", schloss sie unmittelbar an. "... ist der Sitz des Präfekten von SikacH'tria."
Ein langes Schweigen folgte auf diese Worte, während sie sich ansahen. Iman'Dra abwartend, Qin'Rako nachdenklich, beide vielleicht ein wenig prüfend. "Ich? Der neue Präfekt?", fragte er schließlich. "Wenn du es willst", erwiderte sie. Erneut schwieg er. Dies konnte einen wertvollen Aufstieg bedeuten. Nicht unbedingt für sich selbst, er wurde allmählich alt und würde sein Leben ohne Bedauern so weiterleben können, wie er es seit Jahrzehnten tat, doch für Vev'Jeyda und den kleinen GreHr'tog würde er in dieser Position vieles möglich machen können. "Eine Bedingung", richtete er von daher das Wort erneut an die Herrin, die daraufhin schmunzelte. "Welche?" "Ich will, dass meine alte Schmiede und der Stall in den Besitz von Vev'Jeyda und ihrer Familie übergehen. Sie soll ebenso wie ich keinem anderen Herrn außer sich selbst antworten müssen - und Euch." Iman'Dra nickte. "Hast du dich dann bereits entschieden? Willst du mein drittes Angebot gar nicht hören?" "Oh doch. Ich habe mich nicht entschieden, ich habe lediglich geantwortet. Was ist Euer drittes Angebot?"
Iman'Dra hob die Hand und griff sachte um sein Kinn herum, suchte seinen Blick. "Mein drittes Angebot ist ein Platz an meiner Seite als mein neuer Schatten", sagte sie. Seit Savo'Narolas Tod, der im Duell mit der kleinen Ka'TharaH von Lao'Koon aus Selbstüberschätzung und ein wenig Pech gefallen war, war Iman'Dra ohne Schatten gewesen und das war nicht die beste Situation für ein Mitglied der Fürstenfamilie, wie die jüngsten Entwicklungen deutlich gezeigt hatten. Was auch immer Savo'Narola Schlechtes und Unredliches getan hatte - und Iman'Dra wusste, dass es einiges gewesen sein mochte - so wusste sie doch ebenso, dass sie niemals in Gefangenschaft geraten wäre, wäre Savo'Narola noch bei ihr. Er war ihr treu ergeben und ein ausgesprochen fähiger Mann gewesen. Qin'Rako hatte derweil Mühe, seine Überraschung zu verbergen. "Als Euer Schatten, Herrin? Hier auf der Feste? Vertraut Ihr mir derart?" "Hier auf der Feste und wohin auch immer ich gehe", ergänzte Iman'Dra. "Du hast bereits bewiesen, dass du das, was ein Schatten zu tun hat, mit Bravur zu tun bereit bist: Du hast mich vor Schaden bewahrt, als ich es selbst nicht konnte." Nun ließ sie ihn wieder los und ging langsam um ihn herum. "Du würdest alle Annehmlichkeiten haben und natürlich Gelegenheit zum Schmieden, so du es möchtest. Für Vev'Jeyda und ihren Sohn würde gesorgt werden, du hast mein Wort - doch bedenke, dass dein Leben sich um das meine drehen würde. Diese drei Angebote mache ich dir. Wähle deinen Lohn mit Bedacht." Qin'Rako folgte ihr mit den Augen ohne sich von der Stelle zu rühren. "Egal welches Angebot ich wähle... Vev'Jeyda und ihre Familie werden frei sein? Versorgt, ohne jemals einem Anderen als Euch zu dienen?", hakte er noch einmal nach und Iman'Dra nickte. "Das schwöre ich dir", antwortete sie. "So lasst es mich bedenken", bat er sie. "Wenn der Tag morgen zur Neige geht, will ich Euch meine Entscheidung mitteilen." Er wusste, er konnte dies nicht sofort entscheiden und auch nicht ganz allein. Er musste und wollte zunächst mit Vev'Jeyda sprechen, herausfinden, welche Lösung ihr am liebsten wäre. Er würde sie nicht einfach vor vollendete Tatsachen stellen. "So sei es", stimmte die Herrin zu. "Doch liegt noch eine ganze Nacht zwischen uns und dem morgigen Tag, an dem ich deine Antwort erwarte...", merkte sie an, wobei ihre Stimme ein wenig dunkler zu werden schien. Sie hielt inne in ihren Bewegungen und lehnte sich leicht gegen den harten Amboss, während ihr Blick Qin'Rako nicht verließ. Dieser war jedoch noch immer gefangen von den Möglichkeiten, die sie ihm eröffnet hatte und hatte das Gefühl, dringend einen klaren Kopf bekommen zu müssen, sodass er ihr kaum zuhörte in diesem Moment. "Dann ist es Zeit, wieder in meine Welt zurückzukehren, Herrin...", sagte er entsprechend eilig. Es war spät, sie würde gewiss ebenso ihre Ruhe haben wollen um diese Zeit.
Iman'Dra verbiss sich derweil ein Lächeln. Nun gut, es mochte möglich sein, dass er nicht wollte, was sie wollte. Doch ebenso mochte es gut möglich sein, dass er schlicht nicht verstanden hatte, was sie wollte. Es für undenkbar hielt, dass sie dies wollen könnte, weil sie die Herrin war. Das war freilich Unsinn, sie war ein Wesen aus Fleisch und Blut wie er, kein Titel der Welt würde dies ändern. Sie beschloss also, noch einmal nachzuhaken. Nur um sicher zu gehen. "Gefalle ich dir nicht?", fragte sie den Mann plötzlich, der bereits im Weggehen begriffen war.
Qin'Rako hielt inne. Diese Frage hatte ihn unvorbereitet getroffen. Einen Moment lang blieb er weiterhin mit dem Rücken zu ihr stehen und sah zur Tür der Schmiede. Natürlich stellte sie diese Frage nicht aus Willkür, das war ihm bewusst. Und ebenso wurde ihm, als er sich nun langsam umwandte, bewusst, dass sie vielleicht nicht immer für den simplen Besuch der Schmiede auf ihrem eigenen Grund und Boden auf solche Art gekleidet sein mochte. Er sah sie an, sah, wie das Feuer ihre Haut wie dunklen Honig schimmern ließ, wie es sich in ihren Augen wiederspiegelte und wie ihr Haar ihren Rücken hinab wallte. Er sah ihre vollen Lippen und ihre üppigen weiblichen Rundungen und trat langsam einen Schritt näher. "Natürlich", antwortete er mit etwas rauerer Stimme. "Ihr seid eine wunderschöne Frau. Wem würdet Ihr nicht gefallen?" Iman'Dra lehnte nach wie vor am Amboss und legte den Kopf ein wenig zur Seite bei seiner Antwort. "Warum willst du dann fortgehen?", raunte sie. "Die Nacht ist jung. Schmiede für mich..." Qin'Rako kam derweil weiterhin näher. "Habe ich das nicht schon?", forschte er leise nach. Sie streckte die Hand nach ihm aus. "Man kann mehr schmelzen und gefügig machen als nur Stahl", antwortete sie verheißungsvoll. "Ach ja? Und was, Herrin?", verlangte er zu wissen und als er ihre Hand ergriff, führte sie diese langsam an ihren Körper, auf dass er umfasste, was sich nach seiner Berührung sehnte. "Wenn du fragen musst, hast du es noch nicht erlebt", hauchte sie leise und als er zu ihr trat, ließ sie ihn ganz nahe kommen und spürte, wie sein Griff allmählich fester wurde. "Oh, ich verstehe... ich verstehe zu gut, Herrin", flüsterte er und neigte sich langsam zu ihrem Ohr hinab. "Und es scheint mir, als sei die Flamme noch nicht hoch genug", flüsterte er. Sie schloss die Augen. "Dann solltest du sie anfachen...", erwiderte sie mit einem lockenden, verlangenden Unterton und im nächsten Moment spürte sie Qin'Rakos Lippen auf den ihren und sie öffnete sie, um den Kuss weich und warm werden zu lassen... -
Gerade war die Sonne im begriff aufzugehen, als Se`LestiaH aus einem unruhigen Schlaf aufschreckte. Sie saß senkrecht im Bett und wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung den Schweiß von der Stirn. Sie hatte noch immer diese Träume. Träume in denen sie und ihre Eltern von den Kriegern des Empires gejagt werden. Schwer atmend schaute sie sich um und es dauerte einige Minuten, bis sie realisierte, wo sie eigentlich war. In Sicherheit. Sie war im Haus von AoDHan der sie, obwohl er sie erst so kurz kannte, bei sich wohnen ließ. Als ihre Atmung sich wieder beruhigt hatte, schlug sie die Decke auf die Seite und schwang die Beine aus dem Bett. An schlaf war jetzt nicht mehr zu denken und ein Blick aus dem Fenster verriet ihr, das die Sonne sich langsam nach oben kämpfte. Genau die richtige Zeit, um einen kleinen Ausritt zu wagen und sich die Gegend noch ein wenig genauer anzuschauen. Sie wollte es vorerst vermeiden, jemanden zu treffen und für sie unangenehme Fragen zu beantworten. Natürlich waren die Leute hier nett und ebenso neugierig. Schließlich wohnte hier ein neues Gesicht, über das die Dorfgemeinschaft mehr wissen wollte. Doch nicht jetzt und nicht heute. Se`LestiaH ging zum Schrank rüber, öffnete die Türen und betrachtete den spärlichen Inhalt. Einerseits brauchte sie nicht viel, aber andererseits wurde es langsam Zeit, sich einiges an neuer Kleidung zuzulegen. Doch zwei Faktoren verhinderten das bisher. Der erste war, sie hasste es einkaufen zu gehen und sich von einem Schneider ausmessen zu lassen. Der zweite war, sie konnte es sich im Moment noch nicht leisten. Seufzend zog sie ihre Lederkleidung aus dem Schrank, die an einigen Stellen schon sehr abgewetzt war.
Gut zehn Minuten später trat sie an die frische Morgenluft, zog diese tief ein und lief zum Stall rüber. Im Dorf war es noch sehr ruhig, nur der ein oder andere Krieger lief auf der Straße vorüber. Vermutlich traten sie irgendwo ihren Dienst an. Se`LestiaH ging zu der Box, in dem ihr Pferd stand und führte es mit ein paar sanften und leisen Worten aus dem Stall hinaus, wo sie es sattelte und ihm das Zaumzeug anlegte. „So meine hübsche. Wir beide machen jetzt die Gegend ein wenig unsicher“ Mit diesen Worten stieg sie auf den Rücken der Stute und lenkte sie mit langsamen Schritten vom Stall weg und die Straße entlang. Die Hufe des Pferdes hallten auf den Pflastersteinen wider und sie hatte das Gefühl, die halbe Nachbarschaft zu wecken. Schmunzelnd schüttelte sie den Gedanken ab, ließ die letzten Häuser hinter sich und erreichte offenes Gelände. Als der Boden weicher und grüner wurde, ließ sie ihr Pferd schneller laufen und irgendwann preschten die beiden im Galopp den Fluss entlang. Sie genoss es sichtlich und schloss kurz die Augen um sich den Wind so richtig um die Nase wehen zu lassen.
Nach einer guten halben Stunde Flussaufwärts fing ihr Pferd an unruhig zu werden und sie zügelte es ein wenig. „Was ist los?“ Sie hob den Kopf an und plötzlich trug eine Windböe den Geruch von Rauch in ihre Richtung. Auch waren inzwischen Stimmen zu hören, doch sie war noch zu weit weg, um zuzuordnen, um wie viele es sich handelte. Sie lenkte ihr Pferd zu den schützenden Bäumen und Sträuchern und versuchte so leise wie es ging, weiter an die Geräuschkulisse heranzukommen. Nach etwa 400 Metern konnte sie dann endlich etwas sehen. Am Ufer des Flusses brannte ein Feuer, um das drei sehr große Klingonisch Krieger saßen und Fische ausnahmen. Sie kannte die Männer nicht und sie erinnerte sich auch nicht daran, sie schon mal flüchtig irgendwo gesehen zu haben. Da sie nicht wusste mit wem sie es zutun hatte, ging sie nicht hinüber sondern lenkte ihr Pferd wieder in die andere Richtung. Sie würde einfach einen Bogen reiten. Doch gerade als sie zum trab ansetzen wollte, schrie ein Tier in der Nähe auf, so dass die Vögel in den Bäumen erschrocken nach oben flogen und die Stille durchbrachen. Da sich ihr Pferd ebenso erschrak, stieg es vorne auf und Se`LestiaH konnte sich nicht mehr im Sattel halten. Sie viel mit dem Rücken zuerst zu Boden und schlug sich den Kopf an einem größeren Stein an. Dann wurde es für den Moment dunkel um sie herum.
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Isleen war seit einer langen Zeit nicht mehr so allein gewesen. Auf eine gute Weise allein. Nicht einsam, aber wenn man ein kleines Kind hatte wie sie, waren Auszeiten für sich doch eher eine Seltenheit. Zudem war sie Adinas getreuer Schatten und so in der Regel immer in der Nähe von ihr, Khaliesi und zuweilen auch Dara'Jan. Und selbst wenn nicht, so war ihre laute, schöne, wunderbare kleine Rhae doch immer präsent. Doch hier und heute war dies anders. Nach ihrem Umzug nach Kanada/Terra und ihrer gemeinsamen Reise nach New York, hatte Adina ihr nun gestattet, für einige Tage zurück nach Tron'Jenar zu reisen. Zu ihrer... neuen Familie.
Wie seltsam es doch war, ohne die Anderen hierher zurückzukehren, weil sie nun selbst an diesen Ort und zu dieser Familie gehörte! Seit dem Ruustai waren nun bereits ein paar Monate vergangen, aber da sie quasi gleich danach weggezogen waren, hatte sie nie wirklich die Chance gehabt, sich an diesen Gedanken so recht zu gewöhnen und noch immer fiel es ihr zuweilen schwer. Immerhin hatte sie ihr Leben lang nichts Gutes mit dem Gedanken an eine Familie verbunden. Nichts als Demütigung und Vernachlässigung von Seiten ihrer Mutter, ihrer Tanten und ihrer Großmutter, einen Vater hatte sie als Fhoi Myhore gar nicht erst gekannt. Und so waren die neuen Eltern, die sie nun auf Tron'Jenar hatte, ein so rares kosmisches Phänomen, dass sie noch immer nicht recht glauben konnte, dass sie sie wirklich als ihre neue Tochter ansahen.
Und doch war es so gewesen, als sie vor zwei Tagen Tron'Jenar erreicht hatte. Rhae hatte sich schon vorher unwahrscheinlich darauf gefreut, ihre Großeltern zu sehen. Ihre Fragen nach ihnen hatten nicht zuletzt zu Isleens Entschluss geführt, tatsächlich alleine mit ihr nach Tron'Jenar zu fahren, um sie zu besuchen. Als sie angekommen waren, hatte es ein herzliches Willkommen gegeben, so herzlich, dass es sie ein wenig überfordert hatte. Grundsätzlich brauchte sie ihre Zeit, um in neuen Situationen aufzutauen. Aber dafür hatte sie ja ihre kleine Tochter, die absolut kein bisschen Zeit dafür brauchte, sondern stattdessen schon aufgetaut zu sein schien, bevor man die neue Situation überhaupt erreicht hatte, was Isleen die Gelegenheit gegeben hatte, sich, gemeinsam mit ihren Eltern, auf Rhae zu fokussieren bis sie sich selbst wohler gefühlt hatte.
Inzwischen fühlte sie sich nach zwei Tagen heimisch auf der Feste und hatte sich nun dazu durchringen können, Rhae an diesem Morgen bei ihren Großeltern zu lassen. Es war längst nicht selbstverständlich für sie, für gewöhnlich war ihre Kleine immer bei ihr und nur sehr ausgewählten Personen gestattete sie es, das Mädchen ohne ihre direkte Gegenwart zu beaufsichtigen. Bisher wohl nur Adina und ihrer Schwester Khi'LeisaH sowie deren Freund Ashitaka. Letzterem aber auch im Grunde nur, wenn eine der beiden zuvor Genannten dabei war. Und nun also auch D'Ankwar und Angel, den neuen Großeltern, in die Rhae ganz vernarrt war. Seltsamerweise hatte Isleen ein enormes Vertrauen in den Instinkt ihrer nun zweijährigen Tochter, denn obwohl sie noch so jung war, schien sie ein enormes Gespür dafür zu haben, wer es gut mit ihr meinte und wer nicht. Somit hatte sich die junge Fhoi Myhore auf einen entspannten Spaziergang begeben und Spaziergänge sahen - in Isleens Fall - meistens vor, dabei so unsichtbar wie irgend möglich zu sein. Eine Kunst, die sie bereits seit vielen Jahren trainierte und die ihr schon häufig sehr, sehr nützlich gewesen war.
Und so wollte es der Zufall, dass sie sah, wie die ihr unbekannte Se'LestiaH auf die drei Krieger zuritt, die sich am Fluss ein Frühstück zubereiteten und die sie aus einem der dicht bewachsenen Bäume bereits seit einer kleinen Weile beobachtete. Sie sah, wie die Kriegerin inne hielt, fortreiten wollte und ihr Pferd scheute. Sah, wie sie fiel und sich nicht regte, was in Isleen ad hoc jedoch keinerlei Mitleid oder den Drang zu helfen aktivierte. Sie kannte die Frau nicht, im Grunde war es ihr völlig gleichgültig, ob sie eine Weile bewusstlos sein würde oder sich bei dem Sturz gar das Genick gebrochen hatte. Allerdings behielt sie ihre Augen auf die Szene gerichtet, als deutlich wurde, dass die drei Krieger am Fluss den Unfall ebenso bemerkt hatten. Leicht verengten sich Isleens bernsteinfarbene Augen, während sie sich vorneigte und durch das Blattwerk hindurch zusah, was die Krieger nun taten...
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Sie war niemand, den es schnell aus den Socken hauen würde, doch in dem Fall wurde sie extrem schnell und ebenso hart ausgeknockt. Sie wusste nicht, wie lange sie weg war, doch als sie langsam wieder zu sich kam, spürte sie neben einem stechenden Schmerz noch weitere unangenehme Dinge. Jemand machte sich an ihr zu schaffen. Allerdings konnte sie nicht sagen wer es war und sie wusste auch nicht mehr, wo genau sie sich befand. Ihr Pferd hatte inzwischen das Weite gesucht und sich irgendwo auf dem freien Feld in Sicherheit gebracht. Doch daran dachte sie gerade nicht, denn je klarer ihr Kopf wurde, umso deutlicher nahm sie Stimmen wahr. Es waren männliche Stimmen. Drei, wenn sie es richtig mitbekam. Sie hörte wir zwei der Männer sich auf Klingonisch unterhielten und der dritte war es, der sich über sie gebeugt hatte, und wohl gerade dabei war, ihre Kleidung zu zerreißen. Das Oberteil musste schon halb in Fetzen an ihr hängen, denn sie spürte einen schwachen Luftzug auf der Haut.
Die Stimmen der anderen wurden jetzt lauter und befanden sich unmittelbar an ihrem Ohr. Als sie dann an beiden Handgelenken einen starken druck spürte und ihre Arme auf den Boden gedrückt wurden, wurde sie immer wacher und schlug die Augen auf. Sie ignorierte das Stechen in ihrem Kopf und blinzelte ein paar Mal, da sie alles verschwommen sah. Der Krieger, der sich an ihrer Kleidung zu schaffen gemacht hatte, hockte jetzt recht breitbeinig über ihr. Das machte sie sich umgehend zu Nutze, denn so langsam wurde ihr bewusst, was die drei vorhatten. Mit aller Kraft, die sie gerade zur Verfügung hatte, zog sie die Beine an und trat ruckartig nach oben, dem Krieger genau zwischen seine Beine. Sie hörte, wie er laut aufjaulte und sich sein bestes Stück hielt. Triumphierend versuchte sie sich jetzt von den anderen beiden zu befreien und achtete nicht mehr auf den, den sie vermeintlich ausgeschaltet hatte. Das nächste was sie spürte, war ein harter Schlag in ihr Gesicht und Blut, das sich in ihrem Mund sammelte.
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Isleen sah der Szene ruhig zu. Nach wie vor saß sie in ihrer Baumkrone, unbemerkt hinter dem Blattwerk und musterte gelassen, wie die drei Krieger auf die fremde, verletzte Frau zuhielten. Wie sie sie packten und trotz ihrer Benommenheit zu Boden drückten und einer der Männer damit begann, ihre Kleidung aufzureißen. Und normalerweise hätte sie sich nun nicht weiter mit dieser Geschichte beschäftigt. Das Konzept eines Verbrechens im Kontext einer Feldbestellung war ihr fremd, auf ihrer Heimat gab es solche Ansichten nicht. Außerdem hatte sie sich seit jeher einen Gefallen damit getan, sich aus Ärger herauszuhalten, der sie nichts anging.
Sie wollte sich schon abwenden und den Dingen ihren Lauf lassen als sie sah, wie die Frau langsam aufwachte und einem ihrer Peiniger einen Tritt verpasste, hörte, wie dieser aufschrie vor Schmerz und sie danach geschlagen wurde... auf ihren Platz verwiesen. Und es war dieser Schlag, mehr noch als das, was sie mit ihr zu tun gedachten, der Isleen einen kurzen Stich versetzte. Bilder zuckten vor ihrem geistigen Auge vorbei. Bilder von ihrer Mutter, ihrer Großmutter, ihren Tanten und das Gefühl von Schlägen in ihrem Gesicht. Bilder ihrer früheren Herrin Lavernis und des Ältesten Peredur, die aus reiner Langeweile mit ihr gemacht hatten, was auch immer ihnen gefallen hatte. Bilder der 95 Fomorii, die über sie gekommen waren auf Befehl Peredurs und die Schmerzen, die sie in diesen Stunden und Tagen hatte erdulden müssen ohne dass je ein Laut über ihre Lippen gekommen wäre... und unweigerlich wanderte ihre Hand zu einem der unverschämt scharfen, kleinen Wurfdolche, die sie immer in ihrem Waffengurt bei sich trug und schloss sich um dessen Griff. Die Zeiten der Passivität waren vorbei. Sie war keine Sklavin mehr. Hier war sie eine Prinzessin und damit verbunden gab es Pflichten - und Rechte.
Und noch während Se'LestiaH um ihre Freiheit kämpfte und ihre Chancen dabei bedauernswert gering waren, konnte man plötzlich ein leises Surren in der Luft hören und im nächsten Moment sackte derjenige, der sie geschlagen hatte und noch immer über ihr kauerte, nach vorne weg und landete mit seinem vollen Gewicht auf ihrem Körper. Blut strömte aus seiner Halsschlagader, in der einer der Dolche bis zum Griff versunken war, floss über sie hinweg und sickerte langsam in den Boden. Seine Kumpanen hielten den Atem an und sahen sich hektisch um, wobei sie den Griff um Se'LestiaHs Handgelenke lockerten, um besseren Bewegungsspielraum zu haben... was, bei allen Dämonen der Gre'thor ging hier vor sich?!
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Gerade dachte sie, sie hätte es geschafft und wollte ihn von sich stoßen, als alles ganz schnell ging. Sie versuchte noch, sich zur Seite wegzurollen doch durch einige andere Umstände schaffte sie es nicht und als der Krieger mit seinem ganzen Gewicht auf sie viel, stöhnte sie laut auf. Sie wusste nicht was geschehen war, doch sie spürte das sich der Griff um ihre Handgelenke lockerte und so nutzte sie die Verwirrung, die irgendjemand gestiftet hatte, sammelte ihre Kräfte und riss sich los, nur um dann den schlaffen Körper wegzustoßen und auf die Füße zu springen.
Leicht wankend spuckte sie das Blut auf den Boden, dass sich in ihrem Mund gesammelt hatte und zog gleichzeitig ihren Dolch. Die beiden anderen Klingonen waren noch immer so überrumpelt, dass sie keine Zeit hatten sich zu bewaffnen. Se`LestiaH stand recht gut und so holte sie aus und trat dem ersten mit der flachen Sohle ihres Stiefels gegen die Nase. Neben dem Schrei war auch ein sehr fieses krachen zu hören, ehe der Kerl zu Boden ging „Tja..ich habe auch keine Ahnung was hier vorgeht…aber ich finde es gut!“ rief sie jetzt wütend und machte sich bereit, da sich der letzte Klingone jetzt aufrichtete und seine Waffe zog.
Sie hatte keine Zeit, sich nach ihrem Retter in der Not umzuschauen, doch es interessierte sie brennend, wer ihr da zur Hilfe geeilt war.
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Isleen sah entspannt dabei zu, wie ihr Ziel getroffen wurde und der Fremde zusammensackte. Eine innere Befriedigung breitete sich in ihr aus, während sie sich nun lässig gegen den Baumstamm lehnte und der weiteren Szene zusah. Es war so angenehm, Leute aus der Ferne zu töten. Das Gefühl von Macht, das sich dabei in ihr einstellte, war von fast überwältigender Süße und als die klingonische Kriegerin nun frei war und sich selbst wehren konnte, war ihr Part getan. Ihr war reichlich bekannt, dass die Klingonen sich selbst zu verteidigen wussten und das auch durchaus am liebsten so handhabten, weswegen sie nichts weiter tat und Se'LestiaH die Sache überließ. Der Kampf nahm seinen Lauf und sie sah schon nur noch mit halbem Interesse hin, dachte eher darüber nach, wohin sie wohl als Nächstes gehen wollen würde, um ihre seltene Freiheit noch ein wenig zu genießen, als das Szenario doch erneut ihre Aufmerksamkeit forderte.
Irgendwie hatte es der mit der gebrochenen Nase geschafft, Se'LestiaH von hinten zu erwischen und ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen, während sie noch dabei gewesen war, seinen Kumpanen zu verprügeln und offenbar geglaubt hatte, dass dieser bereits überwältigt wäre. Normalerweise würde Isleen dies nicht weiter tangieren, was jedoch ihren Blick auf sich zog war die Tatsache, dass der mit der gebrochenen Nase die junge Kriegerin offenbar aus purer Not und um diese Sache zu beenden, zum Flussufer zerrte und mit aller Kraft ihren Kopf unter die Oberfläche drückte. Isleen hob die Brauen. Sah dabei zu, wie die junge Frau strampelte, kämpfte, sich zu befreien versuchte, aber dann kam der zweite Krieger dazu und hielt sie ebenfalls fest, sodass sie kaum noch eine Chance hatte, sich aus dieser Sache herauszuwinden. Und auch hier gefielen Isleen ein paar Dinge nicht. Zum einen waren zwei gegen einen doch eher unfair. Zum anderen - und das war wesentlich relevanter - nahmen sich diese Männer gegenüber einer Frau zu viel heraus. Es war das eine, einer Frau das Feld bestellen zu wollen, das war normal. Aber das zwei Männer sich das Recht herausnahmen, sie zu töten, dazu noch auf unfaire Art und Weise - nein, das ging ihr zu weit.
Und so zog die junge Fhoi Myhore zwei weitere ihrer verboten scharfen Wurfdolche. Sieben von ihnen hatte sie insgesamt, sechs noch zur Hand, also sah sie keinerlei Schwierigkeiten darin, diese Situation schnellstmöglich zu beenden, auch wenn sie aus diesem Winkel heraus keinen direkt tödlichen Wurf würde schaffen können. Zweimal surrte es erneut in der Luft, als ihre Waffen die beiden Krieger trafen, diesmal im Genick und auch wenn sie nicht sofort tot waren, so war die Wucht und die Tatsache, dass ihnen zwei Klingen im Hals steckten, doch definitiv ausschlaggebend genug, um nach vorne geworfen zu werden und Se'LestiaH loszulassen.
Isleen hörte die beiden röcheln, sah sie taumeln und sprang nun doch leichtfüßig und elegant von ihrem Baum, um langsam durch das Buschwerk hindurch hervorzukommen und am Flussufer sichtbar zu werden. Und so Se'LestiaH noch bei Bewusstsein war, konnte sie nun einen Blick auf die seltsam helle Gestalt Isleens erhaschen. Die blasse Haut, das beinahe weißblonde Haar, kontrastiert jedoch von ihren Augen, die wie Bernsteine schimmerten sowie die Kleidung aus hochwertigem, weichem braunen Leder, in dem man sich gut bewegen konnte und das sie im Wald beinahe unsichtbar machte. Langsam, beinahe schlendernd kam sie näher und warf einen Blick voller Verachtung auf die Männer, die noch immer in einen zähen Todeskampf verwickelt waren und es sah nicht so aus, als habe Isleen auch nur die geringste Absicht, diesen Kampf abzukürzen. Die Männer starrten sie an, einer von ihnen versuchte zu sprechen, doch es kam nichts als ein blutiges Gurgeln hervor und Isleen starrte ihm nur einen Moment lang mitleidlos und nichtssagend in die Augen, bevor sich ihre kühle Aufmerksamkeit Se'LestiaH zuwandte. Sie ging an den Sterbenden vorbei zu ihr ans Flussufer, musterte sie als wolle sie feststellen, wie ernst ihr Zustand wohl war und streckte ihr schließlich, nach kurzem Zögern, probehalber die Hand entgegen, um ihr aufzuhelfen.
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Se`LestiaH rechnete nicht damit, dass sich dieser Kerl doch noch mal zur wehr setzte. Noch während er sie zum Fluss zog und unter Wasser drückte, konnte sie dumpf seine schnaufenden Worte hören. „Warum zierst du dich jetzt so? Bei der Vorstellung neulich nachts mit dem Prinzen warst du auch nicht so prüde!“ Inzwischen hatte sie keine Kraft mehr und war kurz davor, sich dem zu ergeben was sie gleich erwarten würde. Die Luft wurde immer knapper und plötzlich war der Druck verschwunden, der sie unter Wasser hielt. Mit letzter Kraft hob sie den Kopf an und schleppte sich hustend zum rettenden Ufer, wo sie sich auf den Rücken rollte und einfach liegen blieb. Verschwommen nahm sie wahr, dass sich noch jemand in der Nähe befand und als sie die Umrisse der Gestalt sehen konnte,, kam ihr der Gedanke das sie nicht mehr in der realen Welt verweilte, was totaler Blödsinn war, denn sie atmete schwer und schnell. Nur langsam wurde ihr Blick klar und die Umrisse deutlicher. Sie hatte Isleen noch nie gesehen und konnte sie so auch nicht zuordnen. Sie wusste nur, dass sie ihr Leben gerettet hatte und dafür unendlich dankbar war.
Sie brauchte einige quälende Minuten bis sie überhaupt in der Lage war, sich wieder zu bewegen und als die blasse Hand in ihr Sichtfeld kam, hob sie den Arm und griff danach, um sich nach oben auf die Füße zu ziehen. Das Ganze war mehr als mühsam für sie und kaum das sie einen relativ festen stand hatte, spürte sie wie sich in ihrem Kopf alles drehte und plötzlich drei Isleen´s vor ihr standen.
„Danke…ich…“ Sie hörte ihre eigenen Worte recht blechern und plötzlich spürte sie ein heftiges Unwohlsein. Sie löste ihre Hand von Isleen´s und stützte sich an ihrer Schulter ab, nur um sich dann neben ihr zu erbrechen. Es schien endlos zu sein und nicht aufhören zu wollen und als nichts mehr außer Flüssigkeit hervorkam, ging sie in die Hocke und stützte sich am Boden ab, während sie einen leisen Fluch ausstieß. Irgendwann hörte es endlich auf und nichts mehr drehte sich, so dass sie sich langsam aufrichten konnte. Sie wischte sich ihre nassen Haare aus dem Gesicht und drehte sich erneut zu Isleen. „Verzeiht…das ließ sich gerade wohl nicht vermeiden“ Leichenblass schaute sie ihr Gegenüber an. „Ich danke Euch. Ich fürchte alleine hätte ich es nicht geschafft“
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Isleen sah bereits, als die Kriegerin aufstand, dass es ihr alles andere als wohl war. Sie musste einiges an Flusswasser eingeatmet und geschluckt haben und natürlich wollte dieses Wasser gerne wieder hinaus. Oder vielmehr ihr Körper wollte es aus sich heraus haben. Und da es wenige Dinge gab, die Isleen noch nicht gesehen hatte und noch wenigere, die sie wahrhaft abschreckten oder ekelten, griff sie nach Se'LestiaH, als diese sich abstützte, gab ihr noch ein wenig mehr Halt und wartete schlicht, bis Übelkeit und Erbrechen abklangen. Und als es vorbei und Se'LestiaH trotzdem noch immer so bleich war, führte sie sie langsam ein paar Schritte weiter bis zu einem Schattenplatz unter den ersten Bäumen. "Nein, das hättet Ihr wohl nicht", stimmte sie dabei recht sachlich zu. "Setzt Euch einen Moment." Sie zog ihre eigene Flasche hervor und reichte sie ihr an. "Das hier ist eine Mischung aus Wasser, l'lal'lorianischem Kräutertee und etwas Honig... ich mische es jeden Morgen für meine Tochter und mich. Ich denke, es wird Euch gut tun. Sela Arrush." Sie sprach leise und ein wenig hölzern, kannte sie doch die junge Kriegerin nicht weiter und gehörte eigentlich nicht zu den Leuten, die gerne Unbekannte ansprach, aber so hatte es sich nun mal ergeben.
Ohne ein weiteres, direktes Wort überließ sie Se'LestiaH ihre Flasche und wandte sich ab, um zurück zu den Leichen zu gehen. Sie zog ihre Dolche aus den tödlichen Wunden hervor, wusch am Fluss das Blut von den Klingen und steckte sie umsichtig wieder in ihren Waffengurt. Isleen hütete diese Waffen wie ihren Augapfel. Nicht nur, weil sie ihr nützlich waren und sie eine seit Jahren gepflegte Leidenschaft für diese Art der Verteidigung hatte, sondern auch, weil diese Dolche ein Geschenk von Adina gewesen waren. Und so war sie einen Moment beschäftigt, ihr Eigentum wieder an sich zu bringen und akribisch zu säubern, bevor sie erneut zu Se'LestiaH zurückkehrte und sich - nach kurzem Zögern - langsam neben ihr niederließ. Eigentlich war die Situation immerhin erledigt und sie könnte die junge Frau einfach sich selbst überlassen und weiterziehen. Aber all die Interaktionen mit Adina, Khi'LeisaH sowie anderen Freunden und Familienmitgliedern in den letzten Monaten hatten dafür gesorgt, dass sie ein wenig offener und weniger sozialunverträglich war als in früheren Jahren. Kurz schwieg sie jedoch etwas ratlos, als sie nun ohne weiteren Zweck neben der Klingonin saß und warf ihr schließlich einen kurzen Seitenblick zu. "Geht es Euch besser?"