Beiträge von Sua'Lamith Valdea'Han

    Sua'Lamith prägte sich seine Geschichte ein noch während er sie erzählte, wie es der Art ihres Volkes entsprach und neigte sich dabei leicht vor. Ihrem Blick entsprang deutliche Faszination und Ryan konnte sich sicher sein, dass hier jemand vor ihm saß, der die Geschichte der Srday und seine eigene, die er mit ihnen teilte, tatsächlich brennend interessierte. Ihre sonst so ruhige Miene hatte sich entsprechend geändert. Nun leuchtete es leicht in ihren blauen Augen.

    "Das ist faszinierend... das bedeutet, dass die Srday sich auch problemlos mit einer Fhoi Myhore vereinen könnten. Keine der Fhoi Myhore hatte je telepathische Fähigkeiten. Sie sind den Fomorii vorbehalten. Allerdings auch nicht allen. Es kommt darauf an, welche Fähigkeiten in ihnen bei ihrer Wandlung entstehen. Allerdings ist ihnen allen gemeinsam, dass sie nicht mental beeinflusst werden können. Ich glaube nicht, dass die Srday mit den Fomorii selbst kompatibel wären.

    Sagen Sie, ist es für mich möglich, mit Shane direkt zu sprechen durch Sie? Könnte er Ihren Geist übernehmen? Oder geschieht alles in Zweisamkeit?", forschte sie nach. Ihrem Tonfall war dabei durchaus zu entnehmen, dass es sie reizen würde, mit dem Srday in direkten Kontakt zu treten. "Und was Ihre Mission der Rettung ihres Volkes betrifft... nun, ich denke, ich wäre selbst gerne dabei. Sie haben mich neugierig gemacht auf jenes Volk in den Schatten. Ich mag diese Bezeichnung, wissen Sie? Es klingt nach etwas, das auch der Welt der Traurigkeit entspringen könnte. Ich denke... auf eine gewisse Art ist auch mein Volk eines, das in den Schatten lebt. Sollte es also dazu kommen, dass Sie das Oberkommando von der Wichtigkeit dieser Mission überzeugen können, würde ich mich gerne freiwillig dazu melden. Welch eine Welt ist Lundraja IV?"

    Sua'Lamith hob leicht die Brauen, als er ihr noch einmal verdeutlichte, dass sein Symbiont keine körperliche Präsenz zu haben schien, was es ihr leichter machte zu verstehen, warum man auf den Gedanken einer psychischen Symptomatik bei ihm kommen konnte. "Wie interessant... also tragen Sie eine Art... Schatten in sich? Haben die Srday niemals eine körperliche Gestalt besessen? Und wie haben Sie und Shane einander getroffen?", forschte sie nach und neigte sich in ihrem Interesse ein wenig vor. Das hier versprach eine gute Geschichte zu sein und wie die meisten Fhoi Myhore hatte sie eine Schwäche für gute Geschichten. Das gesprochene Wort war und blieb heilig in ihrer Welt und so ging sie weder auf Khi'LeisaH noch auf den Trauergesang noch einmal ein.


    Allerdings zog sie leicht die Brauen zusammen, als sie seiner Antwort bezüglich der Vaterschaft lauschte. Ah, ja. Noch einer von denen, die sie nicht würde gebrauchen können. Sie hatte dieses Drama bereits mit ihrem Sohn, sie hatte keinerlei Ambitionen auf ein weiteres Kind, dessen Vater sie nicht würde loswerden können. "Wie bedauerlich. Ich denke, ich hätte es genossen, hätten Sie mir das Feld bestellt", erwiderte sie mit jener selbstverständlichen Unbefangenheit, die wohl nur die L'Lal'Lorianer in diesem Thema aufwiesen. "Aber ich habe kein Interesse an einer ausgelebten Vaterschaft. Meiner Erfahrung nach werden die Männer, die sich für Väter halten, meist deutlich zu übergriffig und sind nicht in der Lage, sich an Regeln zu halten, die die Mutter aufstellt. Von daher ziehe ich es vor, Kinder zu haben, deren Erzeuger entweder sehr weit fort sind oder von Grund auf kein Verlangen danach haben, sich um ihre Saat zu kümmern. Aber nun lassen Sie mich Ihre Geschichte hören... Sela Arrush?"

    Sua'Lamith hob irritiert die Brauen bei Ryans Geständnis. "Alle anderen Frauen, die Ihnen je begegnet sind, außer ich selbst und die beiden anderen Damen, haben Sie wie einen Verrückten behandelt?", musste sie noch einmal nachforschen, da ihr dies ausgesprochen seltsam vorkam. "Aus welchem Grund? Wegen ihrer Symbiose? Nun, ich kann dazu nur sagen, dass ich Sie bisher weder im Einsatz noch bei diesem Mittagessen unablässig mit sich selbst bzw. Ihrem Symbionden habe sprechen hören. Sie sind in der Lage, ein vollkommen klares und sinnvolles Gespräch mit mir zu führen. Warum sollte ich Sie also anders wahrnehmen als jeden Anderen?", erwiderte sie verwundert. "Ich kenne General Jones und ihre Tochter. Khi'LeisaH war im letzten Jahr einmal so freundlich, einen Trauergesang für eine lange verstorbene Vertraute von mir zu singen... hier, in den Reihen der Sternenfahrer. Es wäre sehr erhebend für sie gewesen. Entsprechend habe ich Khi'LeisaH in sehr guter Erinnerung. Eine freundliche junge Frau mit einer Stimme, die sie in meiner Welt zur Trauersängerin berufen hätte." Sie nickte leicht und beendete ihre Mahlzeit. Das geleerte Geschirr schob sie nach hinten fort und lauschte dann Ryans Frage, die sie kurz die Augen verengen ließ. Spontan kann dieser wahrnehmen, dass die Stimmung sich ein wenig von der bisherigen Unbefangenheit wegzubewegen schien und ernster wurde.


    "Eine Fhoi Myhore wird in einem Mann, der ihr Feld bestellt, um eine Saat in sie zu pflanzen, in der Regel immer nur einen Erzeuger sehen. So ist es seit ewigen Zeiten auf meiner Welt. Die männlichen Fomorii, die noch in der Lage sind zu säen, ziehen über Da'Dana'Han, den Heimatplaneten der Fhoi Myhore, hinweg und bestellen die Felder von so vielen potenziellen Müttern wie möglich. Es werden sogar Saatfeste veranstaltet, bei denen sich mehrere zeugungsfähige Fomorii-Männer zusammen finden und so viele Fhoi Myhore-Frauen wie möglich um sich versammeln, um ihre Saat in ihnen zu säen. Wenn diese Saat Frucht trägt, sind die Fomorii jedoch längst weitergezogen. Ihre Aufgabe ist erfüllt. Kindererziehung liegt in den Händen der Mütter, Großmütter, Tanten und Onkel. Kein Fhoi Myhore weiß, wer ihn oder sie gezeugt hat. Nur, dass es ein Fomorii war. Entsprechend spielen Väter keine Rolle in unserer Kultur. Es gibt nicht einmal ein Wort dafür in unserer Sprache. Das Konzept ist uns fremd und dass es unter den Sternenfahrern eine so enorme Bedeutung hat, macht es zuweilen schwierig. Tatsächlich ist es eine der größten Spannungsfelder zwischen unserer Kulturen. Und daher kann ich Ihnen auf Ihre Frage nur sagen, dass am Ende jede Fhoi Myhore, die mit einem Sternenfahrer ein Kind zeugt, selber wissen muss, wie sie mit dieser Situation umgeht und ob sie es dem Vater gestatten will, am Leben ihres Kindes beteiligt zu sein oder nicht."


    Sua'Lamith überschlug die Beine, als sie sich zurücklehnte und nahm ihr halbvolles Glas Wein zur Hand. "Darf ich fragen, wie Sie dazu stehen würden, Ryan? Hätten Sie ein Kind... wären Sie erpicht darauf, sein Vater zu sein und sich an seinem Leben zu beteiligen oder könnten Sie es der Mutter überlassen, sich um das Kind zu kümmern?"

    "Ich möchte immer die komplette Erklärung", erwiderte Sua'Lamith in Bezug auf die Rose recht trocken, bevor sie Ryans weiteren Ausführungen über die Srday lauschte.

    "Das Universum und die Natur findet viele Möglichkeiten, diverse Spezies vor dem Ausstreben zu bewahren, nicht wahr? Die Möglichkeiten, die durch die Evolution geschaffen werden, sind faszinierend", stellte sie nachdenklich fest. "Auch in meinem Volk spielt dies eine große Rolle. Auch wir sind Symbiosen eingegangen, wenngleich nicht auf dieselbe Art wie Sie und Ihr Volk. Keine direkte Symbiose zweier Lebensformen in einem gemeinsamen Körper, aber eine Co-Abhängigkeit zweier Spezies zum Zweck der Fortpflanzung." Sie hatte dies schlicht eingeworfen ohne weiter auf die Spielregeln zu achten. Mehr als Kommentar zu dem, was Ryan ihr erzählt hatte. Als dieser allerdings eine Frage stellte, die von den festgesetzten Spielregeln des Ganzen ohnehin abwich, warf Sua'Lamit diese gedanklich einfach über Bord. Es war ein Zeitvertreib gewesen, der sich nun ein wenig totgelaufen hatte. Sei's drum. Und so fuhr sie einfach fort und knüpfte an das an, was sie ohnehin bereits gesagt hatte.

    "Nein, die Fomorii sind nicht selten. Tatsächlich bevölkern sie einen gesamten Planeten im l'lal'lorianischen System, dessen Name Tui'Rean ist. Die Fomorii und die Fhoi Myhore sind zwei Völker, die auf ausgesprochen verwobene Weise miteinander leben und agieren. Durch Jahrmillionen der reinen Fortpflanzung innerhalb der eigenen Völker wurde der Genpool von Fomorii und Fhoi Myhore so geschwächt, dass inzwischen alle männlichen Fhoi Myhore zeugungsunfähig und alle Fomorii-Frauen unfruchtbar sind. Nur noch die Verbindung zwischen einem männlichen Fomorii in der kurzen Zeit seiner Saatfähigkeit - die etwa eine Zeit des Regens beträgt, was unter den Sternenfahrern um die neun Monate wären - und einer weiblichen Fhoi Myhore kann Kinder auf meiner Welt hervorbringen. Ein Kind aus einer solchen Verbindung ist zunächst immer ein Fhoi Myhore. Es gibt aber solche, die im Laufe ihres Lebens eine natürliche genetische Aktivierung erleben und sich damit dafür qualifizieren, zu einem oder einer Fomorii erhoben zu werden, die auf einer höheren Evolutionsstufe stehen als die Fhoi Myhore. Wenn dies geschieht, werden sie durch Bluttransfusionen zu einem Fomorii gemacht und lassen das Leben als Fhoi Myhore hinter sich. Sie sehen also, die Fhoi Myhore sind für ihr Überleben auf die Saat der Fomorii angewiesen, während die Fomorii für das ihre auf die Fhoi Myhore angewiesen sind, die sich zum Dasein als Fomorii eignen. Es ist ein zerbrechlicher Kreislauf. Kinder wurden mit der Zeit immer seltener und kostbarer auf meiner Welt, bevor wir die Sternenfahrer gefunden haben. Sie hingegen erfrischen unseren Genpool und bringen uns neue Frucht und damit neue Hoffnung. Sela Arrush." Auch sie hatte immerhin bereits zwei Kinder aus den Reihen der Sternenfahrer geboren, was sie durchaus zufrieden sein ließ.

    "Wie sieht es in ihrem Volk aus, was Kinder betrifft? Ist es etwas anderes, ein Kind zu haben, wenn man mit einem Symbionden verbunden ist? Ist es dann auch sein Kind? Ist Ihre Persönlichkeit gespalten?", forschte sie ihrerseits nun nach und widmete sich ihrem Essen, bevor es zu sehr abkühlte.

    Sua'Lamith wirkte tatsächlich keineswegs so, als habe sie ein Interesse daran, den jungen Mann zum Teufel zu jagen. Im Gegenteil folgte sie seinen Ausführungen über die Rose und ihre Farben sehr aufmerksam. "Neutralität, Romantik, Glück, Verzweiflung, Gelassenheit, Genervtheit, Entspannung, Nervosität", zählte sie am Ende die genannten Empfindungen auf, die sie sich scheinbar problemlos hatte merken können. "Und doch haben Sie bei mir sowohl Überraschung als auch Neugier festgestellt - anhand der Farben der Rose, behaupten Sie. Das bedeutet also, dass Sie mir entweder etwas verschwiegen haben bei Ihren Erklärungen oder ein Meister darin sind, die ganz genauen Nuancen der Blüte zu lesen... Ryan." In ihren Augen blitzte es kurz auf. Könnte sie schmunzeln, hätte sie es wohl getan. Doch er kann auf Sua'Lamiths Gesicht keinerlei Regung erkennen, die auf ein Heben der Mundwinkel oder gar ein wirkliches Lächeln hindeuten würde. Und doch schien sie eine gewisse, eigene Art von Spaß zu haben, wovon mehr ihre blitzenden Augen sprachen als denn ihr Mund.


    Über das Lesen schwieg sie für den Moment, da sie wusste, dass dieses Thema mehr Raum einnehmen würde, schnitte sie es wirklich an und das würde gegen ihre selbst aufgestellten Spielregen gehen. Zumindest für den Moment hatten sie beide sich mit den Fragen und Antworten zu begnügen, die auf diese etwas abenteuerliche Weise möglich waren. Und so probierte sie von ihrer Mahlzeit, während ihr Gegenüber sie über das aufklärte, was in seiner Kultur besonders wichtig war, wenn es um Träume ging. Wie es Sua'Lamiths Art war, entsprangen dieser Ausführung etwa ein halbes Dutzend neuer Fragen in ihrem Geist. Hmm. Knifflig. Wollte sie sie beantwortet haben, würde sie einen Weg finden müssen, um sie geschickt einzufädeln in ihre eigenen Antworten, um die passende Frage stellen zu können. Zufrieden nahm sie einen Schluck Wein. Derartige Gehirnakrobatik mochte sie ausgesprochen gerne.


    Bei seiner Gegenfrage wurde ihr Blick jedoch ein wenig ernster. Die Thematik verlangte Ernst. Etwas Derartiges beantwortete man nicht leichtfertig. "Ich gehe davon aus, dass Sie den tiefsten Glauben meines Volkes meinen, wenn Sie so fragen", begann sie. "Um meinen persönlichen tiefsten Glauben zu erfahren wird es ein wenig mehr brauchen als ein zufälliges gemeinsames Mittagessen in einer Bar. Was mein Volk betrifft... unser tiefster Glaube ist der, dass unsere Welt sterben und vergehen wird, wenn wir von uns aus den Weg der Trauer verlassen oder gar vergessen. Nur die Erfüllung der Prophezeiung über die Erlöserin aus den Reihen der Sternenfahrer - aus Ihren Reihen - kann und darf dazu führen, dass L'Lal'Loria, die Welt der Traurigkeit, dereinst wieder zu L'Lal'Ladia, der Welt der Freude, wird. Wir glauben also, dass unsere Verbindung mit der Föderation uns ein Heil zurückbringen wird, das viele, viele Tausende von Jahren zurückliegt. Ja, mehr noch, dass sie uns vor dem Ausstreben selbst bewahren wird. Das ist es, was die Fomorii uns - den Fhoi Myhore - lehren und ihr Wort ist wahr. Sela Arrush." Einen Moment schwieg sie beinahe andächtig, während sie einem weiteren Schluck Wein ebenso nachschmeckte wie dem Thema an sich. Doch dann löste sie sich gedanklich davon ab und besann sich auf ihre Spielregeln. "Hmm... nun... Sie hören, die Fomorii und die Fhoi Myhore sind eng miteinander verwoben. Sie lehren und leiten uns. Sind die Srday ebenfalls ein eigenes Volk, gehören Sie selbst zu einen anderen und wenn ja, welcher Art ist die Verbindung zwischen Ihren beiden Völkern?"

    Sua'Lamith lauschte ihm schweigend, lehnte sich nun ihrerseits zurück und schlug für den Moment ein Bein über das andere. Sie wirkte durchaus interessiert, aber auch noch immer ein wenig verhalten fordernd, während sie seine Ausführungen aufnahm. Allerdings konnte sie nicht ganz die Faszination verschleiern, die sich ihrer bemächtigte ob der Farbwechsel der Blume, die sie nach wie vor in der Hand hielt. "Das ist wirklich bemerkenswert", gab sie zu. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Farben, die die Blüte annehmen kann und ihre jeweiligen Bedeutungen sagen könnten... es würde mir gefallen, sie deuten zu können, wenn ich sie einmal jemandem anreiche", stellte sie fest und legte sie dann schließlich zur Seite, ohne so wirklich auf seine Fragen hinsichtlich ihrer vorherrschenden Gefühlswelt einzugehen. Aber ganz falsch konnte er nicht gelegen haben, denn ganz offensichtlich war sie bereit, sich weiterhin mit ihm zu unterhalten.

    "Nun, Mr. Carter, Sie sind an meinen Tisch gekommen, um Dinge von mir zu erfahren, wenn ich es richtig deute. Über die Fomorii, nicht wahr? Ich kam nicht zuerst zu Ihnen, um über die Srday zu sprechen. Also schlage ich ein Spiel vor. Wir stellen uns abwechselnd und immer gegenseitige Fragen. Die nächste Frage, die gestellt wird, muss jedoch in irgendeiner Art und Weise an die vorausgegangene Antwort anknüpfen. Wer weiß, auf welch entlegene Gebiete uns diese Art und Weise des Lernens führen werden. Sela Arrush?"

    Sie hielt inne, da ihnen beiden just in diesem Moment ihre bestellten Gerichte sowie die beiden Weine gebracht wurden und als der Kellner sich wieder entfernt hatte, hob Sua'Lamith ihr Glas an und hielt es Ryan zum Anstoßen entgegen. "Nun denn, auf ein lehrreiches Mittagsmahl, Mr. Carter. Sie sind übrigens der erste Sternenfahrer, der meine nicht vorhandene Fähigkeit des Lesens nicht in Frage gestellt hat", informierte sie ihn nebenbei und ließ das Glas mit ihm klingen. "Und nun werde ich unser Spiel beginnen, denke ich. Ihr Gruß war ausgesprochen ungewöhnlich, sofern es denn einer war. Ist Ihre Kultur eine Kultur der Träume?", forschte sie nach. "Und denken Sie daran, dass Ihre folgende Frage an mich an Ihre eigene Antwort anknüpfen sollte. Ich bin gespannt." Sie nahm einen Schluck Wein, stellte ihn zurück auf den Tisch und ergriff dann ihr Besteck, um mit dem Essen zu beginnen, während sie zugleich auf das wartete, was Ryan sie Neues lehren würde.

    Sua'Lamith sah auf als sie plötzlich derart abrupt in ihren Gedanken und Tätigkeiten durch das Auftönen einer ihr durchaus bekannten Stimme unterbrochen wurde, die zunächst neben ihr und dann ihr gegenüber erklang, als Shadow sich ungefragt an ihrem Tisch niederließ. Sie hob die Brauen und einen langen Moment durfte der junge Mann sich gemustert, ja, gar durchleuchtet fühlen von den stechend saphirblauen Augen der Fhoi Myhore, bevor sich ihr Blick schließlich auf die Blume verlegte, die er ihr entgegenhielt. Auch diese wurde zunächst schlicht in Augenschein genommen. Schließlich gewann jedoch ihre natürliche Neugier die Oberhand und sie ergriff die Pflanze und als der versprochene Farbwechsel der Blüte einsetzte, gab sie einen leisen, aufmerkenden Laut von sich.


    "Mögen die Reihen Ihrer Trauernden lang sein, Mr. Carter", grüßte sie ihn, noch immer die Rose musternd, die sie langsam in ihren schlanken Fingern drehte, um sie von allen Seiten studieren zu können. "Ich bin immer vertieft, wenn ich arbeite... aber wie ich sehe, bringen Sie ein Geschenk mit. Welch ein außergewöhnliches Gewächs... aber ist es auch akkurat? Was sagt diese Farbe aus über meine... Stimmung?" Erst jetzt sah sie erneut zu ihm auf und fing seinen Blick mit gediegener Herausforderung ein. "Sagen Sie mir zunächst das... und wenn Sie und Ihre Rose richtig liegen... nun, dann könnte ich vielleicht vergessen, dass Sie ohne Einladung an meinem Tisch Platz genommen haben und wir mögen all die Dinge besprechen, die Ihnen so sehr auf der Seele zu brennen scheinen. Sela Arrush?"

    Der Tonfall ihrer Stimme war kaum minder herausfordernd als es ihr Blick war, der noch immer auf ihm ruhte und doch konnte er keinen wirklichen Unmut in ihr wahrnehmen. Im Gegenteil schien sie... zu spielen. Vielleicht sogar ein wenig zu locken. Eine kleine, reizvolle Ablenkung nach dem Dienst, nach wie vor vermischt mit ehrlichem Interesse an den Fähigkeiten ihres Geschenks.


    Nebenbei schob sie ihm mit der freien Hand das PADD zurück, dass er ihr über den Tisch entgegen gereicht hatte. "Und was das hier angeht... es wird nicht viel nützen, wissen Sie? Denn ich kann nicht lesen. Sie werden mir schon selbst von Ihrem Volk erzählen müssen - wenn Sie die Gelegenheit bekommen." Erneut hob sie vielsagend die Rose an. "Nun? Was fühle ich?"

    Sua'Lamith betrat gegen Mittag eine der Bars des Forcesbereiches und sah sich kurz um. Wie sie es erwartet hatte, war um diese Zeit hier nicht viel los. Tatsächlich war auch sie nur aus einer schlichten Laune heraus hier. Ihr Dienst war für heute soweit abgeleistet und sie hätte nach Hause gehen können, aber zuweilen... ja, zuweilen braucht sie einmal eine wenig Zeit am Tag für sich, in der weder inkompetente Mitarbeitende im Technikbereich ihr Fragen stellten, die jeder Anfänger zu beantworten wüsste noch zwei bis drei kleine Kinder zu Hause nach ihr weinten und sich - im Falle ihrer schon etwas größeren Tochter - an sie hängten und sich beharrlich weigerten, ihr zwei Minuten Frieden zu gönnen. Wenigstens eine Stunde würde sie hier wohl für sich herausschlagen können.

    Und so ließ sie sich aufatmend an einen Tisch sinken und zog ein PADD hervor, das sie aktivierte und auf dem ad hoc ausgesprochen komplizierte Zeichen zu sehen waren. Sollte ihr jemand über die Schulter sehen, würde er ein sehr verworrenes System geometrischer Figuren erblicken, das zumindest für sie Sinn zu ergeben schien, da sie begann, eben diese Zeichen mit dem Finger hin- und herzuschieben und damit ein Muster zu gestalten. Ob dies jedoch sinnvolles Tagwerk oder irgendeine Art von spielerischem Zeitvertreib war, war absolut nicht zu erkennen.

    Sie war so vertieft in ihr Tun, dass sie nicht einmal den Kellner wahrnahm, der an sie herantrat und durch ein Räuspern auf sich aufmerksam machen musste. Er grüßte sie und einen langen Moment sah sie schweigend zu ihm auf. Der gute Mann musste sich bereits ein wenig unbehaglich fühlen, denn irgendwann fragt er etwas verunsichert nach. "Möchten Sie vielleicht etwas beste..." Er kam allerdings nicht dazu, den Satz zu beenden, da Sua'Lamith einen Finger anhob, um ihn zum Schweigen zu bringen. "Ich gehe die Karte gerade durch", erwiderte sie ruhig und der Kellner wirkte ein wenig verdattert, während Sua'Lamith ganz offensichtlich wieder in einen Zustand von Tagträumerei verfiel, während die zugeschlagene Karte direkt vor ihr lag. "Die... die Karte liegt dort vor Ihnen...", wagte es der junge Mann erneut, sie hinzuweisen, was ihm einen etwas schärferen, seltsam stechenden Blick seiner Kundin einbrachte, der ihn betreten schweigen ließ. Hatte er etwas Falsches gesagt?!

    "Bringen Sie mir bitte das auf Seite 5 beschriebene Lachs-Lasagne-Gericht und..." Sie sinnierte erneut. "... einen der fünf Weißweine auf Ihrer Weinkarte, der dazu passt. Wählen Sie. Aber weise." Sie sah ihn auffordernd an und der arme Kleine kam nicht ganz umhin, sich ausgesprochen herausgefordert zu fühlen. Nebenbei war er nach wie vor darüber verdattert, dass die Dame offenbar die komplette Karte auswendig zu kennen schien. "Ich... werde mein Bestes tun... Ma'am", antwortete er und entfernte sich dankbar vom Tisch, während sich Sua'Lamith wieder ihren komplizierten Zeichen widmete. Zuweilen war es gleichsam irritierend und anregend, wie leicht sich die Sternenfahrer von ihresgleichen verunsichern ließen.

    "Vierter Logbucheintrag von Sub-First Seargent Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets."

    Sua'Lamith ließ sich auf ihrem Teppich nieder, gleich vor dem vergoldeten Planetenmodell der drei Hauptwelten L'Lal'Lorias, die um die zwei Sonnen des Systems kreisten. Ihre Finger strichen über den mittleren der drei Planeten. Ihre Heimat Da'Dana'Han. "Ich habe ein Trauerkonzert der Sternenfahrer gesehen!", fuhr sie enthusiastisch fort, sobald der Computer die entsprechenden Bestätigungs- und Aufnahmegeräusche von sich gegeben hatte. "Es war das Konzert auf Tron'Jenar, von dem ich bereits im vorletzten Eintrag gesprochen habe. Wie angekündigt, werde ich nun, da es vorüber ist, darüber berichten."

    Noch einmal strich sie über das Modell Da'Dana'Hans, bevor sie sich nach hinten zurücksinken ließ und auf dem weichen Teppich zu liegen kam. Träumerisch sah sie hinauf zur Decke ihres Quartiers, ohne diese wirklich zu sehen. Vor ihrem inneren Auge spielten sich die Ereignisse jenes Tages ab. "Der Abend begann damit, dass meine Freundin Amira mich überraschte, indem sie vor meiner Tür erschien und ganz offensichtlich nicht in Dienstkleidung gekleidet war. Das, was sie trug, war sehr schön und sie wirkte sehr jugendlich und... spritzig darin, aber nie zuvor hatte ich gesehen, dass jemand einen kurzen Rock dieser Art zu einem Trauerkonzert getragen hätte. Ich informierte sie also darüber, dass ich leider keine Zeit für eine anderweitige Unternehmung haben würde, da ich fest vorhatte, das Konzert zu besuchen. Daraufhin sagte sie mir, dass die Führungsoffiziere des Shepard Space Centers Freikarten erhalten hätten und sie sich daher entschieden habe, mich doch zu begleiten. Zuvor hatte sie noch gezögert, dies zu tun. Eine Überraschung! Aber eine angenehme, natürlich. Auch ich hatte netterweise eine Freikarte erhalten. Von Field-Marshall DeLassal, der sich noch einmal für die Rettung seiner Frau hatte bedanken wollen durch diese Geste. Wobei mir einfällt, dass ich erklären muss, was eine Freikarte eigentlich ist, denn niemals würde es so etwas auf L'Lal'Loria geben: Geht man bei den Sternenfahrern auf ein Konzert - und sie haben nicht nur Trauerkonzerte, sondern veranstalten sie auch zum Vergnügen - dann muss man Karten oder Tickets erwerben, von denen es nur eine begrenzte Anzahl gibt. Auf diese Weise wird sicher gestellt, dass nicht zu viele der Sternenfahrer zu dem Konzert gehen, das sie gewählt haben und der Platz somit nicht überfüllt ist. Außerdem erhalten die Veranstalter Credits für diese Karten, die dann demjenigen oder derjenigen, die das Konzert veranstalten, als... Sold zu Gute kommen. Ein sehr, sehr seltsames Konzept für jeden aus der Welt der Traurigkeit. Niemals kämen wir dort auf den Gedanken, Fhoi Myhore oder Fomorii, die es zu den Trauergesängen zieht, in ihrer Anzahl zu beschränken, denn die Trauerreihen sollen so lang sein wie es nur möglich ist! Und niemals würden wir selbst die Trauersängerinnen bezahlen, sorgt doch der Orden und damit die Trauerkönigin für sie..."

    Kurz schweifte die Fhoi Myhore gedanklich zu ihrer Heimat ab, kam aber schnell zurück zu dem, was sie eigentlich tat. "Aber vielleicht... wie sagt man?... hole ich zu weit aus. Sela Arrush. Amira kam zu mir in einem kurzen Rock. Das wollte ich erzählen. Ich war dankbar um ihre Begleitung, denn zum einen musste ich nicht ganz allein gehen. Zum anderen war noch jemand für Eyvah dabei, die ich selbstverständlich mitgenommen habe. Es war ihr erstes Trauerkonzert! Fhoi Myhore-Kinder in jedem Alter werden so früh wie möglich mitgenommen zu den Trauergesängen, um sie an jenen heiligen Stunden teilhaben zu lassen. Da ich allerdings bereits gewarnt worden war, dass die Trauergesänge der Sternenfahrer lauter sind als die unseren - und das waren sie in der Tat - hatte ich Ohrstecker für Eyvah entwickelt, die als Lautstärkeregler fungierten und ich muss sagen, es hat gut funktioniert. Sie hat ihr erstes Trauerkonzert mit Bravour hinter sich gebracht und viel zu schauen und zu hören gehabt. Aber nun will ich erzählen, wie es war, als wir unten auf Auriga II ankamen."

    Sua'Lamith setzte sich wieder auf und rief sich das Bild ins Gedächtnis zurück. Was sehr einfach war für eine Fhoi Myhore, die allesamt über die Gabe eines fotografischen Gedächtnisses verfügten. "Eine große Bühne war vor der Festung errichtet worden, erleuchtet mit vielen Effekten, ebenso die Festung im Hintergrund. In einem großen Halbkreis um die Bühne herum fanden sich Steh- und Sitzplätze für die, die eine Karte erworben hatten." Ihrem Tonfall konnte man leicht entnehmen, dass es ihr immer noch komisch vorkam, die Anzahl der Zuschauer eines Trauerkonzertes zu limitieren. "Amira und ich wurden von Field-Marshall DeLassal netterweise eingeladen, auf der Tribüne der Ehrengäste und der Familie Tron'Jenar selbst Platz zu nehmen, wo wir einen wundervollen Ausblick auf das Geschehen haben konnten. Und, oh, dort habe ich das Kind des Mondes kennen gelernt!", fügte sie voller Eifer hinzu. "Das Kind des Mondes ist eine inzwischen junge Dame namens Adina LeHan Ash'Jareah, eine Sagengestalt der größten Prophezeiung L'Lal'Lorias, eine der Auserwählten, nicht zuletzt, da sie auch eine Nachfahrin einer unserer Urväter ist. Schon als Kind wurde sie in die Reihen der Sternenfahrer geschickt, um hier das Kind der Erde zu finden, die Erlöserin unserer Welt. Es ist eine lange, komplizierte Zusammenfügung und es sind die Fomorii, die über die Prophezeiung und ihre Erfüllung wachen, weswegen ich in diesem Logbucheintrag nicht näher darauf eingehen möchte. Aber es war mir eine hohe Ehre, Adina LeHan persönlich kennen zu lernen, wie es jeder Fhoi Myhore eine Ehre wäre. Sogar eine Einladung an mich wurde von ihrer Seite ausgesprochen und ich bin sicher, sie wird diesen Worten Taten folgen lassen, sobald es ihre Zeit erlaubt. Denn das Wort ist wahr. Sela Arrush."

    Zufrieden erhob sich Sua'Lamith, um sich ein Glas Wein einzuschenken. Die Dinge liefen ausgesprochen gut für sie zur Zeit. Sowohl beruflich als auch privat erfüllten sich diverse Wünsche, öffneten sich neue Türen, die neue Erfolge hinter sich verbargen. Sie war immer schon eine der Ehrgeizigsten unter den Fhoi Myhore gewesen, die sie kannte. Bedauerlicherweise hatten sich bei ihr niemals Tendenzen dafür gezeigt, dass sie das Zeug dazu hätte, zu einer Fomorii gewandelt werden zu können. Aber sie hatte es mit anderen Talenten wettgemacht und sich im Militär konstant nach oben gearbeitet und immerhin ein Kind geboren, auch wenn es nur ein Sohn gewesen war. Zumindest auf Da'Dana'Han, denn schließlich hatte sich die Tür zur Welt der Sternenfahrer geöffnet und mit ihr so viele neue Möglichkeiten! Inzwischen hatte sie die lang ersehnte Tochter, knüpfte neue, wichtige Kontakte, arbeitete sich auch im Militär der Sternenfahrer konstant nach oben und lernte mehr und mehr, deren komplizierte Weltansichten zu begreifen. Nicht zuletzt durch Erlebnisse wie jenes, was sie gerade zu beschreiben versuchte. "Das Konzert selbst war... anders. Anders als alles, was ich je gesehen habe. Die Musik war laut, wild und klang sehr unterschiedlich. Es gab viel, viel mehr Auftritte als nur den einer einzelnen Sängerin, wie es bei uns üblich wäre und die Lieder drehten sich um viele verschiedene Themen, niemals nur um die, die gestorben sind während des Angriffs auf Tron'Jenar. Oh, und Männer haben gesungen! Ich habe noch nie gesehen, wie ein Mann auf einer Bühne stand! Und sie waren gut! Das hat mich sehr beeindruckt und ich habe mich gefragt, ob vielleicht auch in den Männern auf L'Lal'Loria solche Talente schlummern könnten! Was, wenn einige unserer Fhoi Myhore-Männer wunderschöne Stimmen haben und großartige Trauersänger wären?! Gewiss ist mir bewusst, dass ich nie herausfinden werde, ob es so ist, da die Gesetze L'Lal'Lorias dahingehend in Stein gemeißelt sind, aber zum ersten Mal hatte ich diesen Gedanken! Was, wenn mein Sohn Na'Yeshan ein guter Sänger wäre? Eine geradezu absurde Vorstellung! Aber... Sela Arrush... die Sänger der Sternenfahrer waren talentiert. Ich möchte sie noch einmal singen hören... den Prinzen von Tron'Jenar, Corum Tak'Keru, den Ersten Offizier des Shepard-Space Centers, Commander Robert Craven - der seltsamerweise wie ein König gekleidet war auf der Bühne, obwohl er keiner ist, ich habe mich erkundigt - und dann der Vater des Field Marshall, Mister Jaques DeLassal, der das Publikum sehr amüsiert hat. Eine Weile lang dachte ich, er sei auf der falschen Veranstaltung, da er so verwirrt schien... aber Amira klärte mich auf, dass er scherze. Es ist noch immer sehr anstrengend für mich, Scherze von Wahrheiten zu unterscheiden und mir ist nach wie vor nicht ganz klar, woran die Sternenfahrer so mühelos erkennen, was ein Scherz ist und was nicht. Sie haben einen Sinn dafür, der uns Fhoi Myhore fehlt. Der wohl bei uns verkümmert ist in Jahrtausenden der Trauer. Ah, Sela Arrush. So sei es nun. Immerhin habe ich Amira, die mir immer wieder dabei hilft, Scherze zu identifizieren. Und wer weiß... vielleicht kann ich es irgendwann auch allein. Vielleicht kommt mein Sinn dafür zurück. Ich wäre sehr stolz!"

    Sua'Lamith gönnte sich eine kurze Sprechpause, um einen erneuten Schluck Wein zu nehmen und damit ihre Kehle zu befeuchten. Dieser letzte Teil hatte sie in Schwung gebracht und sie brauchte einen kurzen Moment, um sich wieder ein wenig zu sammeln, da es noch etwas gab, worüber sie sprechen wollte. "Aber so sehr ich es auch genossen habe - all diese neuen Lieder, neuen Stimmen und dieses außergewöhnlichste aller Trauerkonzerte und so sehr ich es in meinem Herzen bewahren werde - so hat mich dieser Abend doch auch ein wenig zurück nach Hause gebracht. Zum Ende des Konzertes hin veränderte sich die Atmosphäre deutlich. Es wurde besinnlicher. Trauersängerinnen erhoben ihre Stimmen, die überall um die Zuschauer herum verteilt waren. Sie trugen Fackeln und ich wusste sofort, dass L'Lal'Loria gekommen war, um ebenso ein Teil der Trauer Tron'Jenars zu sein. Es folgte das, was ich als Trauergesang kenne und es folgte von der größten, wichtigsten und begnadetsten Trauersängerin meiner Welt. Der Grauen Wanderin, der Tauerkönigin erste Trauerkünderin selbst. Niemals hätte ich damit gerechnet, dass sie so weit von L'Lal'Loria fortreisen würde, um ihre Stimme erklingen zu lassen. Aber auch sie tut, was die Fomorii und die Trauerkönigin wünschen. Einmal zuvor habe ich sie auf Da'Dana'Han zu Ehren im Bürgerkrieg gefallener Soldaten singen hören und damals wie heute rührte es die Trauer in meinem Inneren zu Tränen. Ich bin dankbar dafür. Denn häufig, egal, wie wohl ich mich fühle unter den Sternenfahrern, spüre ich doch deutlich, dass ich nicht hierher komme. Und manchmal kann die Heimat eine besondere Art der Anziehungskraft ausüben in der Fremde. Die Graue Wanderin hören zu dürfen inmitten der Sternenfahrer war ein Geschenk und hilft mir, Freunden wir Amira die Herrlichkeiten L'Lal'Lorias deutlicher nahe bringen zu können, jetzt, da sie selbst einen Eindruck bekommen konnte. Noch immer wünsche ich mir, sie einmal nach Da'Dana'Han zu bringen... und sie schien mir angetan zu sein von dem, was sie gesehen und gehört hat."

    Sua'Lamith sah einen Moment lang schweigend hinaus in die Sterne. Es hatte viele Gründe für sie gegeben, Da'Dana'Han verlassen zu wollen, als sich die Gelegenheit geboten hatte und sie hatte nie bereut, es getan zu haben. Doch Moment wie dieser ließen auch sie einen Stich der Nostalgie verspüren. "Ich möchte diesen Eintrag nun schließen mit den Worten, dass mir das fremde Trauerkonzert Freude und Tränen bereitet hat und dass ich es als Privileg empfinde, diese Erfahrung gemacht haben zu dürfen. Bunt sind sie, die Sternenfahrer. Vielfältig und interessant. Ich bin sicher, meine Zeit bei ihnen wird spannend bleiben. Gibt es Neues zu berichten, werde ich es das Logbuch wissen lassen. Sela Arrush. Logbuch Ende."

    Als Sua'Lamith an diesem Abend nach der Besprechung zu ihrem Quartier zurückging, schwebte sie ein wenig nach der Art der Fhoi Myhore. Ihr Gang war so leicht und fließend, dass man, wenn man sie beobachtete, tatsächlich das Gefühl haben konnte, dass ihre Füße den Grund kaum zu berühren schienen. Der Unterschied zu einem normalen Gang war dabei offensichtlich genug, um dafür zu sorgen, dass sich diverse Köpfe nach ihr umwandten, während sie den Gang entlang ging. Es schien, als sei der latente Schleier der Melancholie, der sie und ihre Spezies dauerhaft umgab, ein wenig gelichtet worden an diesem Abend und egal, wie latent es auch war, war es doch spürbar.

    Als sie die Tür zu ihren Räumlichkeiten schließlich entriegelte und eintrat, konnte sie bereits aus der Ferne das Quietschen und helle Gurgeln ihrer kleinen Tochter hören, die sich mit ihrem Kindermädchen in Sua'Lamiths Schlafzimmer aufzuhalten schien. Sie näherte sich den Geräuschen und blieb im Türrahmen stehen, an den sie sich schließlich anlehnte, um die Szene still zu betrachten. Die kleine Eyvah und ihr l'lal'lorianisches Kindermädchen Elaria lagen gemeinsam auf dem weichen, dunkelgrünen Fellteppich vor dem Bett und sahen an die Decke, an der sich Hunderte von projizierten Sternen tummelten, die glitzerten und schimmerten und die entsprechenden Geräusche dazu abgaben, um das Glitzern für ein so kleines Mädchen wie Eyvah noch schöner zu machen. "Irgendwann wirst du auch durch die Sterne reisen, kleine Eyvah...", hörte sie die noch sehr junge Fhoi Myhore sagen, als die Kleine die Händchen gen Decke ausstreckte. "Sela Arrush", ertönte in diesem Moment Sua'Lamiths Stimme von der Tür aus, was Elaira dazu brachte, sich rasch aus der liegenden Position aufzurichten. "Das wird sie... und sie wird die Wunder L'Lal'Lorias sehen", nickte Sua'Lamith, überbrückte dann die kurze Entfernung zu den beiden und ließ sich auf die Knie sinken, um ihr Kind vom Boden aufzupflücken. "Nicht wahr, Aira nin? Und du wirst deine Großmutter und deinen Bruder kennen lernen, wenn die Zeit kommt..." Sie hob Eyvah nach oben, während sie sprach und der kleine Rotschopf mit den spitzen Öhrchen und den blauen Augen ihrer Mutter, jauchzte auf vor Aufregung, ihre Mama zu sehen und baumelte aufgeregt mit den Beinchen, während Sua'Lamith sie so in der Luft hielt. Die Fhoi Myhore nickte, während sie sie so betrachtete. "Sela Arrush... das wirst du", nimmt sie ihr Jauchzen spielerisch wie eine Zustimmung auf und nimmt das Kind dann fester in die Arme, während sie sich geschmeidig erhebt. "Du kannst gehen, Elaria... ich verlasse das Quartier heute nicht mehr. Sollte es einen Notfall geben, der meine Anwesenheit verlangt, rufe ich dich. Ich würde dich gemocht haben." Das Mädchen stand rasch auf und beugt leicht den Kopf als Zeichen des Respekts. Auch wenn Sua'Lamith keine Königliche war, so war sie doch auch keine unbekannte Persönlichkeit in den Reihen der Fhoi Myhore und hatte sich besonders im Krieg gegen die Mag'Tuireadh oft bewiesen. Dies verlangte den entsprechenden Respekt.


    Nachdem Elaria fort war und Sua'Lamith ihre Tochter zur Nacht fertig gemacht und sich selbst umgezogen hatte, legte sie sich mit dem Kind zusammen nieder und barg sie in ihrem Arm, damit sie schneller einschlafen würde. Und da sie wusste, dass der Klang ihrer Stimme dabei helfen konnte und Eyvah noch jung genug war, um den Unterschied zwischen einer erzählten Geschichte und anderem Inhalt nicht wirklich zu erfassen, beschloss Sua'Lamith kurzerhand, ihrem Logbuch neue Nahrung zu geben.

    "Dritter Logbucheintrag von Sub-First Seargent Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets", begann sie wie üblich und der Computer gab das entsprechende Geräusch von sich, das ihr zeigte, dass die Aufnahme begann. "Es ist nun genau sieben Wochen und vier Tage her, dass der Kontakt mit der U.S.S. Namida-A, dem Flaggschiff der ersten Flotte, abbrach. Es schien, als sei das Schiff aus dem Nichts und ins Nichts hinein verschwunden. Ein Angriff der Elachi auf einen Flottenverband ging dem voraus und die Namida machte sich auf den Weg, um sich diesem anzunehmen... und kam nicht mehr zurück. Nachweislich war sie allerdings auch nicht zerstört worden. Diverse Suchaktionen wurden gestartet und blieben erfolglos. Drei Wochen lang. Man war kurz davor, Schiff und Crew aufzugeben und für verloren zu erklären."

    Sua'Lamith presste die Lippen zusammen, sobald sie jenen sachlichen Tatsachenbericht abgegeben hatten. "Ich war empört!", brach es dann aus ihr heraus. "In meiner Heimat wäre es undenkbar, ein verloren gegangenes Schiff nach so kurzer Zeit aufzugeben. Allerdings bin ich inzwischen lange genug in der Föderation, um zu erkennen, woher dieser Unterschied rührt. Denn obwohl die Sternenfahrer sich umeinander sorgen - teilweise aufgrund dieser... Liebe sogar noch deutlich mehr, als es innerhalb der Völker L'Lal'Lorias üblich ist - ist es für sie doch kulturell nicht in dem Ausmaß wichtig, einen Toten definitiv vor sich zu haben wie es das für uns ist. Hier ist es nur für die Angehörigen wirklich wichtig, habe ich mir sagen lassen. Da es ihnen wohl eine emotionale Hilfe im Trauerprozess ist, einen Leichnam zu sehen und bestatten zu können. Aber Trauer ist hier eine Nische im Verborgenen und dazu hauptsächlich... ein Gefühl. Auf L'Lal'Loria ist Trauer die allgegenwärtige Präsenz und es ist weder eine Privatangelegenheit noch ist sie derart hochemotional. Trauer auf L'Lal'Loria ist eine Sache von Stand. Lange Trauerreihen für einen Toten bedeuten hohe Ehre und Erinnerung für ihn und seine oder ihre Familie. Nicht umsonst versucht man, die besten und geehrtesten Trauersängerinnen zu bekommen, die man erreichen kann beim Tod eines Angehörigen. Nicht umsonst versucht man, ein Leben zu leben, das möglichst viele Geschichten in sich trägt, möglichst viel Ruhm, möglichst viel Bekanntheit, denn umso besser werden einst die Lieder sein, die man in den Trauerhallen singt und umso länger werden die Reihen derjenigen sein, die kommen werden, um sie zu hören. L'Lal'Loria trauert um der Trauer willen. Darum ist es schwer, sehr schwer sogar, für jemanden Lieder singen zu lassen, dessen Tod nicht einwandfrei feststeht - denn die Lieder nach unserem Tod sind unsere höchste Ehre. Für jemanden zu singen, der eines Tages plötzlich wiederkommen könnte und die Trauer damit zu negieren, die ihm bereits erwiesen wurde, wäre eine undenkbare Schande und wäre so oder so sein oder ihr Todesurteil. Darum allein würden wir niemals ein Schiff und die Besatzung aufgeben ohne völlig sicher zu sein, dass sie tot sind. Wir müssten sie finden... nicht zwingend, um sie zu retten. Aber um wahrhaftig und auf die richtige Art trauern zu können."

    Sua'Lamith hielt inne. Sie hatte all das dem Computer anvertraut, da sie irgendwann vorhatte, der Föderation ihre Aufzeichnungen zur Verfügung zu stellen. Vielleicht würde es ihnen helfen zu lernen und zu begreifen, wie das Leben hier aus der Sicht einer Fhoi Myhore aussah. "Als man also äußerste, dass man bereit sei, die Namida-A und ihre Crew offiziell als vermisst zu erklären und es dabei zu belassen, wurde ich in meinem Unverständnis wütend über eine solch frevelhafte Entscheidung. Allerdings nicht nur, weil ich kulturell anders aufgestellt bin, sondern weil ich eine offenkundige Lösung sah. Zu meinem Glück war auch Field Marshall DeLassal nicht überzeugt davon, das Schiff einfach seinem Schicksal zu überlassen, da seine Ehefrau, Fleet-Admiral DeLassal, als Kommandantin an Bord war. Ich gebe zu, auch ich hatte ein persönliches Interesse daran, die Crew wiederzufinden. Amira Wescott, die Zeugin der Wasser meiner Tochter Eyvah und meine Alasse - ein Begriff, der sich wohl am besten mit 'Vertraute' übersetzen ließe - hier unter den Sternenfahrern, war ebenso verschwunden und ich keineswegs gewillt, dies einfach so hinzunehmen. Und so garantierte ich dem Field Marshall, dass ich das Schiff wiederfinden würde, meldete mich freiwillig für diesen Einsatz und ein letzter Versuch wurde gestartet, um die verschollene Namida-A zu finden und zu bergen."

    Die Fhoi Myhore sah auf das schlafende Kind in ihrem Arm. Wie sie es sich gedacht hatte, hatte die etwas andere Gute-Nacht-Geschichte ihre Wirkung getan. Sie zog die Decke über sie beide. Auch sie selbst schlief gerne früh, aber sie war noch nicht fertig mit ihrem Eintrag. Nachdem sie sich bequemer hingelegt hatte, fuhr sie fort. "Wie versprochen fand ich die Namida", meinte sie. "Es war nicht schwer. Das Schiff ist mit l'lal'lorianischer Technik ausgestattet und ich wusste, dass es demnach einen Trauercode haben würde. Beim Trauercode handelt es sich um ein verstecktes Signal, das das Schiff impulsartig über Subraumfrequenzen absondert. Wie eine einzigartige Duftnote ist damit jedes von ihnen zu unterscheiden und sowohl im Normal- als auch im Sumbraum zu lokalisieren. Warum dies für uns wichtig ist, habe ich bereits erklärt. Die einzige Herausforderung bestand darin, ein Programm für die Computer der Föderation zu schreiben, das den Trauercode würde identifizieren können. Nachdem mir das gelungen war, war der Rest mehr eine Formsache und so fanden wir die Crew als Gefangene der Solanae im Subraum. Ein Experiment war an ihnen vollzogen worden mithilfe einer sehr differenzierten Technologie, die sie in eine neurale Gruppensimulation versetzte und zeitgleich individuelle psychologische Profile erstellte, um die Aktionen und Reaktionen der Teilnehmenden auszuwerten und zu beeinflussen. Lange habe ich nichts mehr gesehen, das mich technisch so sehr angesprochen hat. Eine Möglichkeit zur Erforschung dieser Technologie werde ich mir nicht entgehen lassen, weswegen das, was heute geschehen ist, ausgesprochen erfreuliche Aussichten in sich trägt."

    Sie drehte sich zur Seite und griff nach dem Gegenstand, den sie vorhin behutsam auf ihrem Nachttisch abgelegt hatte, betrachtete ihn und strich sachte mit den Daumen darüber hinweg. Ein blaues Ribbon mit einem goldenen Stern und dem Zeichen der Sternenfahrer... "Fleet-Admiral DeLassal wünscht, ein Schiff der Solanae zu kapern, um es zur eigenen Forschung zu nutzen...", sprach sie weiter, ein wenig abgelenkt von dem, was sie betrachtete. "Lieutenant Wescott und ich wurden als Techniker dafür eingeteilt, bei dieser Mission dabei zu sein. Durch Subraumvakuolen werden wir in der Lage sein, dies möglich zu machen... und dann werde ich um Erlaubnis ersuchen, eigene Forschungsprojekte im Kontext dieses Schiffes voranbringen zu können." Ein Kreuz, ein goldener Kranz und ein Kreis aus roten Mustern, die kunstvoll ineinander flossen... "Heute wurde mir ein Orden verliehen dafür, die Namida-A wiedergefunden zu haben", berichtete sie endlich und Stolz klang in ihrer Stimme auf. "Der UFP Star of Merit für herausragende Leistungen im Bereich Wissenschaft und Technik innerhalb der Sternenflotte. Obwohl es also keineswegs schwierig war für mich, das verlorene Schiff zu lokalisieren, scheint es doch eine enorme Leistung innerhalb der Föderation zu sein und es ist das erste Mal, dass ich auf diese Art hier vor Ort gewürdigt wurde. Es hat mich sehr überrascht und sehr erfreut. Ich werde ihn immer in Ehren halten und seine Schönheit bewundern." Sachte legte sie den Orden zurück auf den Nachttisch und löschte das Licht. "Logbuch Ende."

    "Zweiter Logbucheintrag von Sub-Gunnery Seargent Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets", leitete die Fhoi Myhore ihren nächsten Eintrag ein. Bequem lehnte sie sich auf dem Schaukelstuhl zurück, der ihre neuste und durchaus reichlich genutzte Errungenschaft war. Angelehnt an dicke Kissen und gekleidet in ein Hauskleid aus fließend silbrigem, weichem Stoff fühlte sie sich wohl und entspannt. Sie lenkte ihren Blick gen Fenster, um die Sterne zu betrachten, während sie sprach. "Es ist eine lange Zeit vergangen, seitdem ich dieses Logbuch zuletzt genutzt habe. Viele Dinge sind seitdem geschehen und doch hatte ich nie wirklich Zeit, mich dem Logbuch mit der Ruhe und Muße zu widmen, die es verdient. Und, ich muss gestehen, wenn ich sie hatte, habe ich mich lieber anderen Aktivitäten zugewandt. Doch heute Abend wird es Zeit, zumindest die wichtigsten Ereignisse noch einmal festzuhalten. Denn das gesprochene Wort ist heilig. Das gesprochene Wort bleibt ewig. Sela Arrush." Einen langen Moment schwieg sie, um sich zu sammeln. "Es sind vier Ereignisse, die ich besonders kundtun möchte in diesem wahrscheinlich recht langen Eintrag. Zwei davon sind fundamental für mich als Person. Die beiden anderen betreffen mehr meine Welt und ihre Koexistenz mit den Sternenfahrern der Föderation. Beginnen wir."

    Sua'Lamith griff nach einem Becher, den sie neben sich stehen hatte und hob ihn an die Lippen, trank einen Schluck und drehte das Gefäß danach langsam in den Händen. "Die wichtigste und größte Neuigkeit, die ich diesem Logbuch hinzuzufügen habe, ist zweifelsohne, dass ich eine Saat empfangen und aus dieser Saat eine Frucht geboren habe. Eine Tochter, die den Namen Eyvah'Eylish Ash'Tamah trägt. Geboren in der Föderation der Sternenfahrer am 27.12.2409 ist sie eine Bürgerin derselben und zugleich ein Kind L'Lal'Lorias. Sie ist eine der Früchte, auf die meine Welt gehofft hat, als sie die Sternenfahrer in den großen Hallen der Trauer willkommen hieß und ich bin stolz, meiner Welt nicht nur im militärischen Dienste und in der kulturellen Erforschung der Sternenfahrer von Nutzen zu sein, sondern jene größte und wichtigste aller Aufgaben gleichsam erfüllt zu haben. Eyvahs Dasein macht vollkommen, wozu ich meine Heimatwelt verlassen habe. Ihre Geburt und die Geburten andere Kinder wie sie, zeigt, dass die Prophezeiung, die L'Lal'Loria mit den Sternenfahrern verbindet, der Wahrheit entspricht und sich mit jedem weiteren Tag mehr und mehr erfüllt. Ein Teil davon sein zu dürfen, ist eine hohe Ehre für mich."

    Sua'Lamith verstummte für den Augenblick und sah in die Wiege, die neben ihr stand und in der ihre Tochter friedlich schlummerte. Sie war bereits jetzt größer als andere Kinder ihres Alters, aber das überraschte Sua'Lamith kaum. Es war bekannt, dass die Zeit auf L'Lal'Loria schneller verging als hier, was in Analogie dazu geführt hatte, dass auch der genetische Code der von dort stammenden Wesen eine schnellere Entwicklung aufwies. "Ihre Abstammung, was den Mann betrifft, der mir seine Saat gegeben hat, warf hier vor Ort allerdings Probleme auf, die ich nicht voraus gesehen habe", fuhr sie fort. "Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Tal Shiar, dem romulanischen Gegner der Föderation, wurde mir von vorgesetzter Stelle mit Besorgnis begegnet. Besorgnis um mich und um die Sicherheit meiner Tochter, sollte dieser Umstand bekannt werden. Es ist ein ausgesprochen merkwürdiger und unangenehmer Gedanke, dass der Akt der Zeugung während der Feldbestellung und der Mann, der die Saat sät, einen solch hohen Einfluss haben soll und mir ist bis heute nicht ganz klar, warum dies so ist. Ich könnte es wohl verstehen, hätte ich Kontakt zu jenem Mann oder würde gar eine freundliche Beziehung mit ihm aufrecht erhalten und wäre demnach in der Lage, ihm Informationen über die Föderation und ihren militärischen Apparat zu liefern. Nichts davon ist allerdings der Fall. Er ist mir gänzlich unbekannt und verweilt, meines Wissens nach, an einem Ort, den ich nicht mehr aufzusuchen gedenke - ein Hochsicherheitslager für Kriegsgefangene. Man hat versucht, mir zu verdeutlichen, dass es eine... moralische Problematik darstellt, dass sich in meiner Tochter das Blut dieses Mannes mit dem meinen vermischt. Moralisch, da es sich bei ihm um einen Feind der Föderation handelt... und es wurde versucht, es mit den Fhoi Myhore und den Mag Tuireadh zu vergleichen. Doch dieser Vergleich hinkt, wie man hier vor Ort sagt, was bedeutet, dass zwei Dinge zwar auf den ersten Blick vergleichbar erscheinen, aber bei näherer Betrachtung doch zu viele Differenzen voneinander aufweisen, um sie tatsächlich vergleichen zu können. Eine Paarung mit den Mag Tuireadh ist nicht allein deshalb verwerflich - um nicht zu sagen, unmöglich - weil sie unsere Feinde sind, sondern weil sie ihre eigene DNA zu sehr kompromittiert haben. Durch die animalische DNA, die in ihnen reift, wäre es eine tatsächliche genetische Verunreinigung des Genpools der übrigen Trauerfamilien. Das ist bei meiner Tochter allerdings keineswegs der Fall. Der Romulaner, der Eyvah gezeugt hat, ist vollkommen kompatibel mit meinem genetischen Code und bereichert demnach sogar das Genom unserer Spezies."

    Erneut hielt sie inne. Diesmal allerdings, weil das kleine Mädchen, über das sie die gesamte Zeit über gesprochen hatte, leise Töne erklingen ließ und langsam die blauen Augen öffnete. Sie streckte die Händchen aus, verzog das Gesicht und gab leise, weinerliche Laute von sich bis Sua'Lamith sie aufnahm und an ihrer Brust barg, um sie zu füttern. Dabei sprach sie weiter, da sie wusste, dass der Ton ihrer Stimme so oder so beruhigend auf die Kleine wirkte, ganz gleich, was der Inhalt ihrer Worte war. "Doch es wäre vermessen und fehlerhaft zu behaupten, dass ich hauptsächlich mit Aversionen gegen mich zu kämpfen hätte. Tatsächlich sind die Sternenfahrer ausgesprochen gastfreundliche Wesen, die sich bemühen, mich als Fremde in ihre Welten, Ansichten und Traditionen zu integrieren. Ich gebe zu, dass besonders das Konzept von Humor und Ironie noch immer das am schwierigsten zu greifende Element ihrer Kultur darstellt und dass ihr nie endender Schatz an Sprichwörtern, Spitznamen und Reimen mich nach wie vor vor enorme Herausforderungen auf kommunikativer Ebene stellt, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich inzwischen als Teil der Defence Forces. Nicht zuletzt durch gute Kollegialität und vor allem durch eine Freundschaft, die sich für mich in den letzten Monaten entwickelt hat." Langsam und ruhig schaukelte Sua'Lamith in ihrem Stuhl vor und zurück. Das Baby in ihren Armen trank friedlich. "In Lieutenant Amira Wescott, der Leitenden Ingenieurin des Shepard Space Centers, fand ich durch unseren gemeinsamen... Enthusiasmus bezüglich Technik und ihrer Weiterentwicklung eine Freundin, wie ich sie nicht zu finden dachte an diesem Ort. Technikaffin sind hier natürlich noch viele andere Mitarbeitende, aber in keinem von ihnen habe ich bisher so viel Potential und Ehrgeiz entdeckt wie in Amira Wescott. Zwar ist auch ihr Wissen noch immer auf die Standardtechnik der Sternenfahrer begrenzt, da sie in diesem geschult wurde, aber sie ist bisher die einzige Sternenfahrerin, die ich für eine geeignete Kandidatin halten würde, um auf Da'Dana'Han ihre Studien fortzusetzen. Dies ergibt sich für mich aus drei Dingen, die sich in ihr vereinen: Enormes Talent im Bereich Technik, ein eidetisches Gedächtnis, wie es die Fhoi Myhore von Natur aus besitzen, sodass es ihr leichter fallen würde, die l'lal'lorianischen Gesetze bezüglich des Schreibverbotes umzusetzen und ein grundlegendes, starkes Interesse bezüglich unserer Lebensweise und unserer Traditionen. Ein besonderer Beweis des Letzteren ergibt sich für mich vor allem daraus, dass sie zugestimmt hat, Eyvahs Zeugin der Wasser zu sein. Es wäre mir entsprechend ein Bedürfnis, eines Tages mit ihr nach Da'Dana'Han zu reisen, um ihr meine Heimatwelt zu zeigen und sie dort für Studium und Austauschdienst zu empfehlen, was durch meinen Rang vor Ort das entsprechende Gewicht haben würde. Zu meinen Andeutungen dahingehend hat sie sich bereits positiv geäußert und ich hoffe sehr, dass ich diesen Plan eines Tages mit ihr gemeinsam in die Tat umsetzen kann. Ich bin sicher, sie würde enorm davon profitieren und zu einer der besten, wenn nicht gar der besten Ingenieurin der Sternenfahrer werden."


    Die Fhoi Myhore erhob sich nun behutsam von ihrem Stuhl und legte das schlafende Kind zurück in die Wiege, wickelte es gründlich in sein Felldeckchen ein und trat ans Fenster heran. Das helle Haar ergoss sich wie ein goldener Schleier über Schulter und Rücken, als sie mit der gänzlich natürlichen Anmut ihrer Spezies voran ging. Sie richtete den Blick aus leuchtend blauen Augen auf den Planeten unter sich aus. Auriga II.

    "Dies waren die beiden persönlichen Dinge, die ich zu berichten hatte. Fahren wir fort mit zwei Umständen, die mich besonders im kulturellen Bereich beschäftigt haben", nahm sie den Faden wieder auf, während ihr Blick weiterhin auf den Planeten gerichtet blieb. "Dies sind zwei Angriffe... zum einen der Angriff der Mag Tuireadh auf die Fhoi Myhore-Kolonie auf Mykal II, der bereits eine Weile zurückliegt und zum anderen ein Angriff auf das klingonische Haus Tron'Jenar auf Auriga II, der Anfang des Jahres geschah und für den das Klingonische Empire verantwortlich war. Zunächst möchte ich von Mykal II sprechen." Sie hob den Blick hoch zu den Sternen. "Wichtig ist zu wissen, dass ich selbst nicht vor Ort war, als der Angriff geschah. Ich hörte erst davon, als es vorbei war und war nicht überrascht zu erfahren, dass sie die gesamte Kolonie dem Erdboden gleich gemacht haben. Über 20 Zeiten des Regens meines Lebens habe ich dem Krieg mit den Mag Tuireadh gewidmet und eine lange Zeit in ihrer Gefangenschaft verbracht Ich kenne ihre Wege. Es erfüllt mich darum allerdings nicht weniger mit Trauer, was dort geschehen ist, denn es war der nächste Anlaufpunkt für mich und all die Fhoi Myhore, die mit mir hier auf dem Shepard Space Center stationiert sind, der an ein Abbild von Heimat erinnerte. Nun sind wir hier ohne diesen Anlaufpunkt, denn trotz der intakten Transwarp-Technologie beträgt die Reisezeit nach L'Lal'Loria immer noch etwas mehr als 20 Tage. Gerade in Bezug auf Eyvah hätte ich es begrüßt zu wissen, dass eine Kolonie der Fhoi Myhore in direkter Nähe zu uns gewesen wäre, denn auch wenn ich wünsche, dass sie als Bürgerin der Föderation aufwächst, so ist es doch nicht minder notwendig und wünschenswert, dass sie auch lernt, eine gute Fhoi Myhore zu sein. Die Kolonie hätte dabei eine große Unterstützung gewährleisten können. Natürlich ist nicht auszuschließen, dass sie wieder aufgebaut und neu besiedelt wird, diesmal mit massiverem Schutz von Seiten L'Lal'Lorias versehen. Mir sind die Pläne der Königlichen dahingehend unbekannt und ich bin nicht vermessen genug, sie in Erfahrung bringen zu wollen. Sie werden tun, was sie für richtig halten und es wird das Beste sein, was getan werden kann. Denn das Wort der Königlichen ist wahr. Sela Arrush." Die Formel aller Formeln auf ihrer Welt. Sela Arrush. Ähnlich dem Amen in einer Kirche belegte es eine Aussage mit Nachdruck und Glauben, der Gewissheit dessen, dass sie in ihren Grundfesten wahr und festgeschrieben war. So wie es ihr Vertrauen in die Fomorii und in ihre Weisheit war, sie, ihre Spezies und ihre Welt auf dem rechten Weg zu lenken. "Vor allem aber bin ich durch den Angriff auf Mykal II zum ersten Mal mit der Frage der richtigen Art der Trauer in meinen gegenwärtigen Lebensumständen konfrontiert worden. Natürlich galt es, als Fhoi Myhore um die zu trauern, die die Mag Tuireadh getötet hatten. Bei den Opferzahlen, die es gab, wäre auf Da'Dana'Han eine Woche lang gesungen worden. Sie hätten prachtvolle Schreine für die Toten errichtet..." Sua'Lamith schloss die Augen. Ein fast träumerischer Ausdruck legte sich auf ihr elfengleiches Gesicht. "... und die herrlichen Stimmen der Trauersängerinnen hätten die Lüfte und hohen Räume der Trauerhallen erfüllt und die Tränen des trauernden Volkes wären zu Wassern von Trauer und Leben verschmolzen in der Schönheit und Erhabenheit des Angedenkens..." Sua'Lamith schluckte und nahm sich ein wenig zusammen. Immerhin ging es hier darum, ein Logbuch auf den neusten Stand zu bringen. Sehnsucht und Nostalgie hatten darin nichts verloren. Sie räusperte sich leise. "Dies war... hier natürlich nicht möglich. Mit Hilfe von Lieutenant Wescott, die das Schreiben übernahm, das mir verboten ist und zu dem man für gewöhnlich zum Mondvolk gehen würde, gelang es mir allerdings, einen Schrein für die Opfer von Mykal II zu errichten und Fleet-Admiral DeLassal war freundlich genug, mir zu gestatten, diesen für eine Weile aufzustellen. Zwar gab es hier keine Trauerlieder, die gesungen wurden, aber es gefällt mir zu glauben, dass es sie auf L'Lal'Loria gab. Was mich zum letzten Punkt des heutigen Eintrags bringt... dem Angriff auf Tron'Jenar."

    Nun leuchteten Sua'Lamiths Augen auf. Glücklicherweise war sie allein, denn vermutlich würde fast jeder Föderative, der diese Reaktion beobachtet hätte, sie für seltsam oder gar bösartig halten dafür, dass sie offenbar Freude empfand über ein so schreckliches Ereignis. "Es ist das erste Mal, dass ich kollektive Trauer und ihre Zelebration innerhalb der Kultur der Sternenfahrer erlebe und obwohl viele Dinge sehr anders gehandhabt werden, als es auf Da'Dana'Han der Fall wäre - was aufgrund der Verschiedenheit unserer Kulturen nur allzu verständlich ist - habe ich doch eine Sache nun vermehrt vernommen: Es wird ein Konzert geben zu Ehren der Toten. Diese Ankündigung hat mich enorm überrascht. Es ist das erste Mal, dass ich bei den Sternenfahrern von Konzerten dieser Art gehört habe. Denn obwohl die Musik sie in allen möglichen Lebenslagen begleitet, so schien es doch nie so, dass ein Konzert ihrer Art der Trauerrituale entsprechen würde. Soweit mir bekannt ist, ist diese Veranstaltung frei zugänglich und da es sich um Lieder zum Totengedenken handelt, widerspricht es den Regeln meiner eigenen Welt nicht, wenn ich diesem beiwohne. Ganz im Gegenteil ist es sogar das kulturell Nächste an dem, was meiner eigenen Kultur entspricht, was ich bisher in Eigenregie von den Sternenfahrern erlebt habe. Ich kann also sagen, dass ich mit gespannter Erwartung auf den Tag dieses Konzertes warte und darauf hoffe, ein Stück Heimat zu finden... auch wenn ich mir darüber bewusst bin, dass die Art der Musik und die Gestaltung des Konzerts höchstwahrscheinlich sehr anders sein werden als es unsere Trauergesänge sind. Aber solche Kompromisse und das Gefallen finden an kleinen Dingen gehört unbedingt mit zu der Geisteshaltung, die man benötigt, will man in der Fremde ein Leben aufbauen. Und das will und werde ich nach wie vor tun. Ich werde nach dem Konzert erneut berichten, was ich erlebt habe. Logbuch Ende."

    Sua'Lamith sah sich um, doch niemand außer der engagierten jungen Frau, deren Frage sie gerade beantwortet hatte, meldete sich. Man wartete allgemein darauf, dass das Seminar weitergehen würde und so nickte die Fhoi Myhore schließlich. "Gut. Wenn das alles ist, dann setzen wir nun die Veranstaltung fort. Ich teile Ihnen nun die Aufteilung für den heutigen Tag mit. Die genannten Namen finden sich bitte sofort bei ihren zugewiesenen Ausbildern ein. Wer mir für den ersten Tag zugeteilt ist, darf gerne auf ihrem oder seinem Platz sitzen bleiben. Der Theorieteil wird hier stattfinden."

    Sie las die Listen vor. "... und schließlich Ensign Amira Wescott zu mir", schloss sie dies schließlich und sah diese kurz an, bevor sie den Blick durch den Raum schweifen ließ. "Gut, meine Damen und Herren. Sie haben Ihre Informationen. Beginnen Sie."

    Allgemeines Stühlerücken und Aufstehen, kurze, leise Unterhaltungen und das Sammeln in Gruppen begann, während die drei Fhoi Myhore auf ihre zugewiesenen Teilnehmer und Teilnehmerinnen warteten. Manche fingen ihre Blicke ein, lächelten ihnen probeweise zu. Auf eine Erwiderung warteten die Offiziere allerdings vergeblich, wobei keiner der drei Ausbilder in irgendeiner Weise feindselig oder übellaunig wirkten. Ein Lächeln wirkte nur offenbar in keinster Art und Weise ansteckend auf sie.

    Nach und nach verließen Liv'Vianne und Tsayu'Din mit ihren Gruppen den Raum, um sich in den Nachbarzimmern häuslich einzurichten und mit ihren Unterweisungen zu beginnen. Sua'Lamith blieb schweigend stehen bis auch der Letzte den Raum verlassen und die Tür sich hinter diesem geschlossen hatte, bevor sie zu ihrer Gruppe aufsah, sich vom Tisch löste und langsam auf und ab wanderte. "Schildtechnologie", leitete sie dann ein. "Ein Thema, das mehr umfasst, als man auf den ersten Blick meint. Die Meisten denken zunächst rein an Schutzschilde, nicht wahr? Aber Schutz wovor? Vor Waffen, Fremdkörpern im All, elektromagnetischer und kosmischer Strahlung? Sela Arrush... es ist bekannt und ausgearbeitet, dass es diese Arten von Schilden gibt und auch innerhalb der Föderation sind diese bereits weit entwickelt worden... doch was ist die eine Problematik, die auch die beste Schildtechnologie der Föderation immer wieder ins Wanken bringen kann?" Abwartend sieht sie sich bei der Frage in der Runde um.

    Sua'Lamith sah auf die junge Ensign, die sich erhob und ihre Frage stellte. Langsam nickte sie. "Ensign Amira Wescott", sagte sie und sie sagte es in einem Tonfall, als sei ihr absolut bewusst, wen sie hier vor sich hatte. Offenbar kannte sie ihr Gesicht oder aber die Information, dass sie die Leitende Technikerin des Shepard Space Centers sei, hatte ausgereicht, um Sua'Lamith klar zu machen, wer sie war. Beides war möglich und nicht genau aus den ruhigen Gesichtszügen der Fhoi Myhore zu ermitteln.

    "Nun..." Sie wägte ihre Worte achtsam ab, bevor sie fortfuhr. "Bisher wurde uns weder von den Befehlshabenden hier noch von den Fomorii der Auftrag zugeteilt, noch weitere Schulungen zu geben. Ich denke, zunächst sollten wir sehen, wie diese Fortbildung, die jetzt abgehalten wird, angenommen wird und wie viel weiterführende Schulung noch notwendig sein wird. Sollten Sie jedoch generell interessiert daran sein, sich im Kontext l'lal'lorianischer Technik weiterzubilden, so stehe ich Ihnen gerne in einem privaten Austausch zur Verfügung und wir können Ihre Optionen individuell besprechen. Für alle anderen Interessierten gilt dieses Angebot selbstverständlich auch. Falls es Ihnen bisher noch nicht bekannt ist, gibt es im Föderationsgebiet eine Kolonie der Fhoi Myhore auf Mykal II, wo es eventuell bereits möglich wäre sich weiterhin schulen zu lassen, wobei ich abklären müsste, in welchem Maße dort bereits die Mittel zur Verfügung stehen, um dezidiert Techniker aus- und fortzubilden. Einiges befindet sich noch im Aufbau. Des Weiteren gibt es allerdings natürlich immer die Möglichkeit sich auf Da'Dana'Han selbst zu begeben, um in die Tiefe hinein zu studieren und sich zu spezialisieren. Auch dorthin gibt es einen Austausch von Offizieren und Zivilisten von Seiten der Sternenfahrer aus, ebenso wie wir drei umgekehrt hergekommen sind. Allerdings warne ich Sie, was diese Möglichkeit angeht, vor, denn es ist auf Da'Dana'Han für die allermeisten Bewohner verboten zu schreiben, was auch für das Studium und die Fortbildungen dort gilt und was, im Kontext Ihrer Kultur, sicherlich zu Schwierigkeiten führen könnte. Doch wie ich bereits sagte, diese Optionen können wir gesondert und in eventuellen Einzelgesprächen genauer klären. Beantwortet das Ihre Frage für den Moment, Ensign?", forschte sie gen Amira Wescott nach und fing ihren Blick ein.

    Sua'Lamith lauschte der eher zögerlichen und zuweilen falschen und hastig verbesserten Antwort der anwesenden Offiziere auf ihren Gruß und nahm es gleichmütig hin. Das kannte sie kaum anders. Nur sehr langsam kam man sich, was Sitten und Gebräuche anging, näher. Da sie es war, die nun im Gebiet der Sternenfahrer lebte, war es nur natürlich, dass sie sich schneller anpasste. Anpassen musste, um die Gegebenheiten so gut wie möglich zu adaptieren. Grüße und Ähnliches fielen ihr von daher eher weniger schwer, wenngleich sie doch, wenn sich ihr die Möglichkeit bot, die eigenen, vertrauten Worte sprach. So eben auch heute.

    "Nun denn, wir wollen beginnen. Dieser Lehrgang..." Unterbrochen wurde das Angedachte durch das erneute Öffnen der Tür und die Ankunft zweier Nachzügler. In aller Ruhe und nicht ohne eine gewisse Grazie dabei wandte Sua'Lamith den Kopf zur Seite und sah die beiden an. Nicht tadelnd, vielmehr interessiert. Ah. Natürlich kannte sie die Gesichter, wenngleich ihr die Personen an sich nicht bekannt waren, aber sie pflegte sich über ihre Stationierungen und das dortige Personal zu informieren, sodass zwei Führungsoffiziere, von denen einer der Erste Offizier der Station war, nicht schwer zu identifizieren waren. "Mögen die Reihen Ihrer Trauernden lang sein", grüßte sie auch hier ruhig und ließ die beiden Platz nehmen, bevor sie ihre Ausführungen wieder aufnahm.

    "Dieser Lehrgang soll sie mit der Technik der neu gebauten Schiffsklassen, der Sindoval Klasse, der Cyryamo-Klasse sowie der Namida-Klasse, vertraut machen. Wie Ihnen bereits bekannt sein dürfte, sind diese Schiffe in Kooperation zwischen Vereinter Föderation der Planeten und der Hohen Welt der Traurigkeit L'Lal'Loria entstanden, um das Bündnisse zwischen unseren beiden großen Mächten zu ehren. Bereits sehr schnell nach dem Erstkontakt zwischen Föderation und L'Lal'Loria war meinem Volk bewusst, dass wir über ein technisches und medizinisches Verständnis verfügen, dass das Ihre weit übersteigt." Man könnte diese Aussage als Beleidigung verstehen, wäre sie nicht so völlig nüchtern vorgebracht worden. Keine versteckte Schadenfreude, keine Arroganz lag in der Stimme der Fhoi Myhore. Nichts als eine Feststellung von Tatsachen, eine einfache Erwähnung der Wahrheit, worauf sie offenbar weder positive noch negative Ressonanz erwartete, denn sie fuhr unvermittelt fort.

    "Aus diesen Gründen gibt es gewisse Modifizierungen auf den neuen Schiffen, die Ihnen bisher unbekannt sind, jedoch ihren Nutzen nur entfalten können, wenn Sie und das Personal, das Sie schulen werden, mit diesen umzugehen wissen. Darum wurden wir drei..." Mit einer grazilen Handbewegung deutete sie auf Liv'Vianne und Tsayu'Din, die schweigend neben ihr standen, die Anwesenden jedoch sehr aufmerksam betrachteten. "... unseres Zeichens alle ausgebildete Techniker im Dienste des Militärs der Welt der Traurigkeit und hier an Bord in verschiedenen Kontexten als Austauschoffiziere tätig, instruiert, Ihnen die wesentlichen Neuheiten zu erläutern und Sie anhand von Simulationen darin zu schulen. Selbstverständlich werden wir uns darum nach bestem WIssen und Gewissen bemühen. Sie werden dafür in drei Gruppen eingeteilt, die sich in den nächsten Tagen intensiv mit den Spezialbereichen Waffen und Zielberechnung bei Sub-Lieutenant Liv'Vianne Ash'Eyven ..." Sie nickte gen dieser. "Navigation, interne wie externe Kommunikation und Lebenserhaltung bei Sub-Ensign Tsayu'Din Ash'Mayam..." Ein Wink ging auch an diesen. "... und Schildtechnik bei mir, Sub-Gunnery-Seargent Sua'Lamith Ash'Tamar, beschäftigen. Ein Tag für jeden Bereich. Am Vormittag wird es einen Theorieteil, am Nachmittag Simulationstraining geben. Wir haben außerdem das Einverständnis von Fleet-Admiral DeLassal am vierten und letzten Tag der Fortbildung die U.S.S. Namida-A nutzen zu dürfen, um das Gelernte in Theorie und Praxis am eigentlichen Objekt ausprobieren zu können. Dies ist der Plan. Nun stehen wir bereit für alle Fragen, die Sie zu diesem Zeitpunkt bereits haben mögen. Anschließend wird die Gruppeneinteilung erfolgen und wir können beginnen." Abwartend sah sie in die Runde, wobei die strahlend blauen Augen in Seelen zu leuchten schienen, die sie, aller Voraussicht nach, gar nicht weiter zu erkunden wünschte. Doch die Blicke der Fhoi Myhore waren ebenso intensiv wie freudlos und glichen sich damit ihren ganzen Gestalten an. Schönheit, mit der sie übergossen zu sein schienen, fand kein einziges Mal einen Widerhall in einem Lächeln, während die drei Dozenten ihre Schützlinge musterten und auf Reaktionen warteten.

    Sua'Lamith verließ ihr Quartier und steuerte den Turbolift an, betrat diesen und befahl, sie auf Deck 44 zu bringen. Soweit nach oben kam sie sonst auf Shepard fast nie, da sie als Forclerin in den unteren Sektionen lebte und dort alles hatte, was für sie notwendig war. Aber heute war sie, mit einigen anderen Technikern von L'Lal'Loria, dazu angehalten, den Offizieren der Sternenfahrer ihre heimatliche Technik näher zu bringen. Oder zumindest einen Hauch davon. Der Hohe Herr Peredur und der Rat der Sieben waren großzügig genug gewesen, den Sternenfahrern etwas davon in den neuen Schiffsklassen zu vermitteln, aber es war nicht im Mindestens das, was sie von ihrer Heimat gewohnt war und würde es wohl auch nie werden.

    Mit den Schulterblättern lehnte sie sich an die Kabinenwand des Lifts an, während dieser lautlos nach oben glitt. Sie verspürte eine gewisse Neugier anlässlich dieses Tages, wissend, dass die Interaktion zwischen Sternenfahrern und L'Lal'Lorianern, seien es nun Fhoi Myhore oder Fomorii, nicht immer ganz reibungslos verlief. Sie selbst hatte erst neulich diese Erfahrung wieder machen müssen. Von daher würde es interessant sein zu beobachten, wie dieser Lehrgang vonstatten ging und wie gut sich die Dozierenden und Lernenden aufeinander würden einlassen können.

    Diesem Gedanken hing sie noch immer nach, als die Tür des Liftes sich öffnete und sie auf das angestrebte Deck heraustrat, um kurz inne zu halten und sich zu orientieren. Der nächste Gang links würde sie zum Konferenzraum führen. Richtig. Sie ging ohne Eile weiter, war früh genug unterwegs. Bereits aus der Ferne konnte sie an der Tür zum KR zwei weitere Fhoi Myhore erkennen, die sie selbstverständlich kannte. Sie waren Kollegen im Bereich der Technik, auch wenn diese beiden als Austauschoffiziere für die Sternenflotte arbeiteten und nicht für die MACO. Als sie herantrat, neigten die beiden leicht die Köpfe. Sie grüßten einander mit den Worten, die üblich waren für L'Lal'Lorianer, doch den Offizieren der Föderation, die an der Fortbildung teilnahmen und sich von daher vereinzelt nun ebenfalls dem Konferenzraum näherten, musste dieser erste Austausch zwischen den Bekannten freudlos erscheinen. Und genau das wäre wohl auch der absolut korrekte Ausdruck dafür, denn es schwang keine Freude darin mit, einander an diesem Morgen zu sehen. Allerdings auch keinerlei Ablehnung. Es war, wie es war und aktive Freude sah man im Grunde nie, wenn man die Bewohner L'Lal'Lorias studierte. Nicht umsonst war sie bekannt als die 'Welt der Traurigkeit.'

    "Sua'Lamith... gedeiht die Saat?", fragte Liv'Vianne, die zweite Frau in der Runde, deren seidiges Haar so tiefschwarz war, dass blaue Lichtreflexe darin schimmerten. Es erinnerte an die Schönheit eines klaren Nachthimmels, was durch die silbernen Spangen, die es zusammen hielten, und durch die großen, hellgrauen Augen der Frau nur noch verstärkt wurde. Sua'Lamith nickte auf die Frage und Liv'Vianne tat es ihr als Antwort gleich. "Die Fomorii werden zufrieden mit dir sein", meinte sie und Sua'Lamith gab einen zustimmenden Laut von sich. "Sela Arrush", verbalisierte sie dies auch. "Die Föderation ist es nicht." Verwirrung zeichnete sich in Liv'Viannes Gesicht ab, ebenso wie in dem des einzigen Mannes in der Runde, der bisher außer den Begrüßungsworten nichts gesprochen hatte. Er setzte an dazu, dies zu ändern, doch Sua'Lamith hob leicht die Hand und erstickte damit jede Äußerung im Keim. "Zu einer anderen Zeit", sagt sie nur, denn der Konferenzraum begann sich zu füllen. "Ihr habt die Planung für heute erhalten?", geht sie sicher und als beide zustimmen, deutet sie auf die offene Tür. "Dann lasst uns beginnen."

    Die drei Fhoi Myhore betraten gemeinsam den Konferenzraum und zogen allein damit, willentlich oder unwillentlich, alle Aufmerksamkeit auf sich. Es war wohl möglich, die Ausstrahlung einer oder eines Fhoi Myhore größtenteils zu ignorieren, doch traf man sie zu Mehreren wurde es schwieriger. Eine Aura von trauriger Schönheit umwebte sie so intensiv, dass einem sowohl das Eine als auch das Andere den Atem stocken lassen konnte. Kannte man Elfen eigentlich nur aus Geschichten, Legenden und Märchen, sah man sich ihnen hier optisch leibhaftig gegenüber - nur hätte man sie sich wohl fröhlicher vorgestellt. Diese hier sah man indes niemals lachen oder auch nur lächeln, was ihren strahlenden Augen und fein modellierten Gesichtszügen sicher noch mehr Reiz verliehen hätte.

    Die drei stellten sich vor die Versammelten und es war Sua'Lamith, die, der Absprache entsprechend, das Wort ergriff. "Werte Offiziere der Sternenfahrer... ich begrüße Sie zum Beginn der technischen Fortbildung an diesem Morgen. Mögen die Reihen Ihrer Trauernden lang sein", begann sie, dem l'lal'lorianischen Standard entsprechend und wartete einen Moment lang ab, wobei sie in die Runde sah.

    "Erster Logbucheintrag von SubCorporal Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets", begann Sua'Lamith mit langsamen, wohl gewählten und umsichtig betonten Worten, vorgetragen in vorsichtiger Stimmlage. Es folgte ein langer Moment des Schweigens, bevor sie zögernd fortfuhr. "Man hat mir gesagt, dass es den Traditionen der Föderation entspräche, ein Logbuch zu führen. Manche führen sogar mehrere. Eines in der Funktion ihres Dienstes, in dem sie wichtige Missionen und Informationen festhalten, um sie mit Anderen zu teilen - besonders mit ihren vorgesetzten Offizieren - und ein weiteres, um persönliche Erlebnisse aufzuzeichnen.

    Ich muss zugeben, dass sich mir der Sinn des Ganzen nicht völlig erschließt. Es wäre völlig ausreichend, das Erlebte unverzüglich an Andere weiter zu geben, um es somit am Leben zu erhalten, wie es auf Da'Dana'Han seit Jahrtausenden praktiziert wird. Denn zusätzlich dazu, dass hier Dinge als Audiodatei gespeichert werden, um sie später abrufen zu können, schreiben sie das Geschehene auch noch nieder, haben sogar ausgesprochen strenge Regeln dafür, wie ein Bericht über das Erlebte aussehen muss, wie lang er zu sein hat und in welchem Zeitraum er angefertigt und eingereicht werden muss. Denn würden sie das nicht tun, würden sie vergessen. Wie wir es immer schon gewusst haben. Wer aufschreibt, der vergisst, wie man sich erinnert."

    Die Fhoi Myhore erhob sich von ihrem Bett, auf dem sie bisher gesessen hatte und trat ans Fenster heran, das auf die Sterne und Auriga II hinaus ging. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah schweigend hinaus. Schwieg so lange bis sie beinahe vergessen hatte, dass das Logbuch noch immer lief und erwartete, dass sie ihre Gedanken in Sätze verpackte, damit die Nachwelt diese würde hören können. Welch eine absurde Vorstellung. "Es ist ein seltsamer Ort, an dem ich nun lebe", setzt sie erneut an, das Thema wechselnd. Zumindest in Ansätzen. "Die Angehörigen der Sternenfahrer sind zusammen gekommen aus vielen Völkern und führen einen regen Austausch an Waren, Gedanken und Kulturen miteinander. Ebenso wie einen regen Austausch von Nachkommenschaft. Es gibt viele Söhne und Töchter hier, deren Erzeuger nicht derselben Spezien angehören, doch die Kinder sind meistens gesund, kräftig, fruchtbar und zahlreich. Erstaunlicherweise wachsen sie zumeist bei der Mutter und demjenigen auf, der sie gezeugt hat. Man nennt den Mann 'Vater' oder - in der Anrede der Kinder - 'Papa', 'Dad' oder 'Daddy'. Es gibt noch weitere Konzepte der Anrede in verschiedenen Sprachen, doch das sind die, die mir bisher am häufigsten zu Ohren gekommen sind. Ich empfinde es als unnötig, sie alle hier aufzulisten. Der eigentlich erstaunliche Aspekt ist die Beteiligung eines Mannes an der Erziehung der Kinder. In meiner Heimat wäre es undenkbar, dass sich einer der hochverehrten Fomorii um seine Nachkommenschaft persönlich kümmert und warum sollte er das auch tun, wenn seine Mannes- und Geisteskraft für so viel Wichtigeres eingesetzt werden muss? Es wird ein Teil meiner Studien während meines Aufenthaltes an diesem Ort sein, genauer herauszufinden, welchen Nutzen ein Kind wohl daraus ziehen könnte, dass ein Mann so aktiv an seiner Erziehung beteiligt wird."

    Ein langsames Nicken begleitete Sua'Lamiths letzte Worte, bevor sie sich nun von dem Anblick, den das Fenster ihr bot, löste, um ruhige Kreise durch ihr Quartier zu ziehen. Derweil sprach sie weiter. "Auch sonst gibt es viele verwirrende Sitten hier. Gerade was ihre Sprache betrifft, pflegen die Sternenfahrer eine Fülle seltsamer Ausdrücke und Redewendungen zu gebrauchen, die einem universalen Code zu entsprechen scheinen. Sie verstehen sich untereinander mühelos in dieser bildhaften Sprache, deren Symbolik sich mir noch nicht recht erschließt. Sie sagen Dinge wie 'Saft auf die Mühle bringen' und meinen damit, einen Antrieb mit Energie zu versorgen. Ich bemühe mich darum, so viel von ihren Sprachgewohnheiten zu lernen und zu verinnerlichen wie mir möglich ist, um ihre Denkweise besser zu verstehen, doch zur Zeit macht es den Eindruck, als sei der Reichtum der Redewendungen unerschöpflich. In regelmäßigen Abständen werde ich wohl weiter darüber berichten."

    Noch während sie sprach, löste sie mit geübtem Griff die Spangen, die ihr seidiges, goldblondes Haar bisher zusammen gehalten hatten, sodass es ihr nun offen den Rücken hinab fiel und die spitz zulaufenden Ohren, die für ihre Art kennzeichnend waren, bedeckte. Auch die Uniformjacke öffnete sie und streifte diese ab. "Zu guter Letzt", setzt sie wieder an. "möchte ich meine grundsätzlichen Beobachtungen zu den Lebewesen meiner Umgebung damit abschließen, dass ich deutlich feststellen muss, dass sie sehr viel Wert auf Fröhlichkeit und Lachen legen. Sie lächeln fast immerzu. 'Lächeln' bedeutet, die Mundwinkel zu heben, wobei die Zähne manchmal gezeigt werden, manchmal aber auch nicht. Der Ausdruck in ihren Augen verändert sich dabei häufig, wird sanfter und freundlicher. Wenn das passiert, dann sprechen sie von einem 'ehrlichen Lächeln', wenn nicht, dann von einem 'falschen' oder 'aufgesetzten Lächeln'. Das soll bedeuten, dass eine Emotion hinter dem Lächeln stehen sollte, das sie kulturell aus Freundlichkeit oder Zuneigung heraus austauschen. Auch das Lachen ist ihnen wichtig, das eine ausgedehnte, intensivere Art des Lächelns zu sein scheint und von Tönen begleitet wird. Das tun sie besonders oft, wenn sie eine Aussage oder Situation als erheiternd empfinden.

    Im Gegensatz dazu scheint ihnen die Kunst der Trauer weitaus weniger wichtig, ja, eher unangenehm zu sein. Tod und Tränen lösen in ihnen Unbehagen aus. Musik ist nicht für solche Gelegenheiten reserviert. Im Gegenteil, man hört sie immerzu und von jedem und sie wird besonders zu freudigen Anlässen genutzt. Ob sie auch im Kontext von Trauerfeiern hier vorkommt, gilt es noch in Erfahrung zu bringen."

    Erneut hielt sie inne, kurz nachdenklich. Gab es noch mehr zu sagen in diesem Moment? "Für diesen ersten Eintrag soll es nun genug sein", beschließt sie. "Zu einer anderen Gelegenheit werde ich von Missionen, Bekanntschaften, vielleicht auch von meiner Heimat und Geschichte berichten. Doch dies sind Aufnahmen für einen anderen Tag. Logbuch Ende."