Ashitaka versicherte Khi'LeisaH, dass es ihm rein gar nichts ausmache, würde sie noch einmal mitkommen. Im Gegenteil. Er hatte gerne Gesellschaft. Und warum auch nicht. In Bezug auf die Eingeweihten war es immerhin eine öffentliche Veranstaltung. So machten sich die beiden in Ashitakas Auto wieder auf den Rückweg in die Stadt hinein. Inzwischen war es Abend geworden und Khi konnte in der dämmrigen Stimmung die vielen Lichter der Stadt anschauen, die sich besonders schön im Fluss brachen. Zurück in Manhattan lenkte Ashitaka seinen Wagen ausgesprochen zielstrebig weiter. Er kannte die Gegend inzwischen wie seine Westentasche und als der Gedanke in ihm aufkam, ließ er ihn lächeln. Er liebte New York. Es gab Momente, die geprägt waren von Arbeit, Stress und Streit, aber die gab es in jedem Leben, wie ihm sehr wohl bewusst war und es schmälerte seine Freude daran, hier sein zu können, keineswegs. Er war auf dem Weg, seinen Traum zu verwirklichen - und auf diesen Traum fuhren sie geradewegs zu: Die Juilliard.
"Schau", erklang Ashitakas Stimme da leise im Innenraum des Wagens, wo bisher eine Weile Stille geherrscht hatte, während er seine kleine Freundin die Chance gegeben hatte, sich gänzlich vom Rennabenteuer zu erholen und die Stadt anzuschauen. Eine seiner Hände löste sich vom Lenkrad und deutete vor sich durch die Windschutzscheibe. So Khi seiner Geste mit dem Blick folgte, tat sich ein recht gewaltiges Szenario vor ihr auf. Drei Wolkenkratzer erhoben sich majestätisch in den Himmel hinein und an diese angebaut befand sich ein weiteres Gebäude, sehr viel flacher und niedriger, jedoch weitläufig und nach vorne hin spitz zulaufend, sodass die ganze Konstruktion Ähnlichkeiten mit einem altmodischen Seeschiff zu haben schien. Die Beleuchtung des Abends tat ihr übriges, um es entsprechend beeindruckend aussehen zu lassen. Ashitakas Lächeln vertiefte sich. "Die Juilliard", sagte er leise und in seiner Stimme klang die latente Ehrfurcht mit, die er nach wie vor empfand, wenn er sich klar machte, dass er es bis hierher geschafft hatte. Ehrfurcht, aber gleichsam auch ein Ton, der wie ein liebevolles Streicheln klang. Es war offensichtlich, dass er eine tiefe Verbundenheit zu diesem Gebäude und allem, was es verkörperte und was sich darin befand, fühlte. "Die beste Schule für Tanz, Schauspiel und Musik auf diesem Planeten und vielleicht auch noch besser als die besten auf anderen Planeten. Ich hab das Ranking gerade nicht im Kopf, aber hier passiert schon einiges. Es ist ziemlich hart, hier aufgenommen zu werden und eine Ehre, wenn du hier lernen darfst." Er lächelte geschmeidig auf, wissend, dass die Aufnahmeprüfung für ihn tatsächlich ein Leichtes gewesen war und man ihn trotz seiner Jugend bereits sehr früh aufgenommen und ihn gar nicht erst auf eine Warteliste gesetzt hatte.
Doch Ashitakas Ziel war gar nicht die Schule, dorthin wollte er heute nicht mehr. Er lenkte den Wagen daran vorbei und fuhr weiter. "Wenn du Interesse hast, führ ich dich mal rum", bot er an, während sie in eine Seitenstraße etwa einen Block entfernt einbogen. "Aber heute Abend nicht mehr. Heute Abend steht das Sally's an", grinste er und wie auf's Stichwort hielt er an, parkte mit ein paar präzisen Zügen rückwärts ein und deutete dann auf den Laden, von dem sie unweit zum Stehen gekommen waren. Das Sally's war von außen nicht besonders spektakulär. In elegant-stilisierten Lettern prangte in weißer Schrift der Name über der rot gestrichenen Eingangstür, die sich beständig öffnete und schloss, während junge Leute, allein oder in Grüppchen, schwatzend und lachend hinein strömten oder das Etablissement wieder verließen. Die Geschäftigkeit hier ließ sich nicht leugnen. Ashitaka sprang auf dem Honda, umrundete diesen und öffnete Khi, wie auch vorhin bereits, galant die Beifahrertür, damit sie aussteigen konnte, bevor er mit ihr die Straße überquerte und auf den Eingang zuhielt. Bereits jetzt hörte man aus dem Inneren Musik heraus klingen. Doch es war nicht das, was Khi'LeisaH sich vielleicht unter Barmusik oder ähnlichem vorstellen würde. Nein, tatsächlich waren die Fetzen, die sie hören konnte, die klaren Klänge live gespielter Instrumente, die gerade eher nach klassischer Musik klangen. Ashitaka schmunzelte, während er die Tür nach innen hinein öffnete und Khi vorgehen ließ. "Keine Sorge, es ist keine echte Konzerthalle", versicherte er ihr bereits jetzt.
Drinnen angekommen ging es durch einen keinen, mit weichem, roten Teppich ausgelegten Flur, in dem man ablegen konnte bis zu einer Holztür und durch diese hindurch befand man sich nun schlussendlich im richtigen Innenbereich des Lokals. Sie befanden sich sofort auf einer Art Empore, die sich kreisförmig und breit gebaut durch den ganzen Raum spannte und auf der die Tische standen, an die man sich setzen konnte, während in regelmäßigen Abständen Treppen von dieser abgingen, die nach unten führten. Ashitaka führte Khi bis zum Geländer der Empore und so sie hinab schaute, erhaschte sie die Quelle der Musik, die hier ganz deutlich und mit wunderschöner Akustik zu hören war, da der Raum sich nach oben hin weit öffnete. Wie in einem Orchestergraben fand sich unter ihnen die gut sichtbare Bühne und gleich davor eine Tanzfläche, auf der sich ein paar Leute zur Musik wiegten. Die Bühne war besetzt mit einem Pianisten, zwei Violinistinnen, einem Cellisten und fünf Flötisten. Ashitaka neigte sich zu Khi. "Zufall, dass sie gerade spielen", meinte er. "Es wird nicht immer Klassik gespielt hier, im Gegenteil. Es gibt verschiedenste Musik, verschiedenste Tänze, je nachdem, wer vorgebucht hat oder wer spontan Lust hat. Rika und ich haben hier auch schon spontan gespielt. Das Sally's wird meistens von Schülern der Juilliard aufgesucht und die probieren sich gerne aus und führen gerne vor, was sie können", grinste er, dann löste er sich wieder von ihr und sah sich suchend um. "Ah", rief er dann aus und hob die Hand in eine Richtung. "Da ist sie ja. Komm", forderte er das Mädchen bei sich auf und so sie sich umwandte und ihm folgte, gingen sie auf den Tisch zu, an dem Mariko bereits saß und in einer Tasse rührte. Als die beiden näher kamen, stand sie auf. Eine grazile junge Japanerin war es, die Khi entgegen sah und sie aus dunklen Augen interessiert und durchaus nicht unfreundlich musterte. Die Gesichtszüge waren fein modelliert, die dunklen, schmalen Augen standen ein wenig weiter auseinander, die Lippen waren voll und weich, was im Ganzen gesehen den Eindruck eines herzförmigen Gesichts nur verstärkte. Ihr langes Haar war in leuchtendem Rotton gefärbt und sie trug schwarze Stoffhose, weiße Bluse mit ein paar Rüschen an Ärmel und Ausschnitt sowie eine passende Wildlederweste und dazugehörige Stiefel. Sie lächelte mit geschlossenen Lippen auf, als die beiden schließlich bei ihr ankamen. "Da seid ihr ja... ich dachte schon, du hättest deine Karre zu Schrott gefahren auf Nellies Strecke und müsstest jetzt herlaufen", bemerkte sie und Ashitaka schnaubte auf. "Meine... Karre?!" Schmollend sah er sie an und Mariko grinste nur noch breiter. Das hatte sie nämlich gewusst! Sowas von gewusst! Triumphierend blickte sie gen Khi und streckte ihr die Hand entgegen. "Hey, schön dich kennen zu lernen. Ich höre, du kommst aus den Weiten der Galaxis zu uns... ich bin Mariko. Oder Rika. Wie du willst."