Schloss von Versailles/Paris/Frankreich/Terra:
Der prachtvolle Spiegelsaal des Palastes von Versailles war sonnendurchflutet und wirkte in seiner Schönheit beinahe unwirklich. Eine der letzten Schatzkammern aus alter Zeit, ein Stück terranische Geschichte, das dem Wüten dreier Weltkriege in stoischer Würde standgehalten hatte. Ein Privileg war es, diese Hallen der alten Könige durchstreifen und in ihrem Schatten verweilen zu dürfen - selbst für die Präsidentin der Föderation.
Selten wählte T'Aleydis diesen Ort für offizielle Anlässe, schien es ihr doch angemessen, der altehrwürdigen Stätte ihre Ruhe zu lassen, doch für den heutigen Tag hatte sie beschlossen, das Juwel der Hauptstadt Terras voller Stolz dem hohen Gast aus fernen Welten zu präsentieren. Denn die Trauerkönigin hatte sie nach dreimonatigem Aufenthalt auf L'Lal'Loria zu einem offiziellen Staatsbesuch in die Föderation begleitet und damit zum ersten Mal ihre Welt verlassen, um das Bündnis mit den Sternenfahrern zu ehren. Ein historischer Ort für einen historischen Moment. Ein Palast für eine Königin, die an die ausschweifenden Herrlichkeiten Da'Dana'Hans gewöhnt war - und es war T'Aleydis ein Anliegen, eben dieser Königin zu zeigen, dass Dekadenz kein reines Privileg ihrer Heimat war.
Zu diesem Zweck waren am heutigen Tag die Regierungsvertreter aller Mitgliedswelten, die höchsten Militärs sowie die wichtigsten Medien- und Pressesprecher in den Palast von Versailles geladen worden, um Zeugen der ersten offiziellen Stellungnahme der Präsidentin seit ihrer Rückkehr zu werden. Obwohl um die zweihundert Leute im prachtvollen Spiegelsaal anwesend waren und die gesamte Zeit über ein sonores, regelmäßiges Summen von flüsternden Stimmen zu vernehmen gewesen war, herrschte abrupt absolute Stille, als die großen Flügeltüren im hinteren Bereich des Saales geöffnet wurden und T'Aleydis, gefolgt von vier Leibwachen ihres Secret Service, auf das eigens errichtete Podest zuschritt. Die Hymne der UFP erklang und der gesamte Saal erhob sich, während die Präsidentin ans Rednerpult trat. Mit geschlossenen Augen genoss sie die letzten Takte der Hymne, hochaufgerichtet in weißer Paradeuniform, bevor sie nach dem Verklingen der Musik ihren Blick über die Anwesenden schweifen ließ, die, ihr zu Ehren, nach wie vor im Stehen verharrten. Es gab kaum ein Gesicht hier, das sie nicht kennen würde - manche von ihnen schon seit vielen Jahren. Es war gut, wieder zu Hause zu sein. Mit einem Lächeln breitete sie nun die Arme aus, forderte in dieser stummen Geste die Versammelten dazu auf, Platz zu nehmen und begann zu sprechen.
"Sehr verehrte Abgeordnete des Senats,
sehr verehrte Delegierte der Mitgliedswelten,
sehr verehrte Abgesandte des föderativen Militärs,
sehr verehrte Botschafterinnen und Botschafter unserer treuen Verbündeten,
sehr verehrte Damen und Herren,
vor etwas mehr als drei Monaten begann meine Reise in die fernen Welten unserer Verbündeten von L'Lal'Loria, um Verhandlungen zum Abschluss zu bringen, an denen unser Oberster Botschafter, Admiral Amanosuke Tokusawa und sein Team, bereits seit langer Zeit gearbeitet hatten. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten für Ihren harten und unermüdlichen Einsatz danken und Ihnen heute die Ergebnisse dieser erfolgreichen Verhandlungen verkünden. Doch bevor ich dies tue, bitte ich Sie alle, die Sie hier anwesend sind sowie alle Föderationsbürgerinnen und Föderationsbürger, die uns von allen Mitgliedswelten aus zusehen, mit mir zusammen einen ganz besonderen Gast zu begrüßen: Seit 56 l'lal'lorianischen Regenzeiten ist sie die Herrscherin Da'Dana'Hans und die Königin der Fhoi Myhore. Dies entspricht etwa 42 Jahren unserer Zeit. Eine beeindruckende Zahl, der sie mit Weisheit, Erfahrung, Offenheit für Neues und einer unnachahmlichen Würde gerecht wird. Sie gehörte zu den Ersten, die die Föderation auf l'lal'lorianischem Boden willkommen hieß und ist seitdem eine unermüdliche Verfechterin des Bündnisses zwischen unseren beiden Völkern. Es ist mir eine hohe Ehre, sie heute hier in den altehrwürdigen Mauern von Versailles begrüßen zu dürfen. Ich bitte Sie, sich zu erheben für Ihre Majestät, Keishara Aram'Din, die Trauerkönigin Da'Dana'Hans!"
Erneut flogen die mächtigen Flügeltüren auf und der Saal erhob sich wie ein Mann, als die Trauerkönigin den Spiegelsaal betrat, gefolgt von sechs ihrer Fhoi Myhore-Wachen sowie vier Hofdamen. An ihrer Seite schritt eine der Trauersängerinnen, Lythienne Alyndra, die offenbar die besondere Gunst der Königin genoss. Dies war außergewöhnlich, stand dieser Platz doch sonst der Grauen Wanderin zu, die jedoch auf L'Lal'Loria zurückgeblieben war. Die Trauerkönigin selbst war in ein wundervoll ausladendes Kleid aus schwerem schwarzen Stoff gehüllt, in dessen Mitte eine edle, rote Bordüre verlief, bestickt mit schwarzen Mustern und funkelnden Edelsteinen. Ihr beinahe bodenlanges, dunkles Haar war zu feinen Rastazöpfe geflochten worden und sie trug einen kostbaren, silbernen Kopfschmuck, von dem ein zarter Schleier bis zur Mitte ihres Kleides hinabfiel. Alles an ihr sprach von der Schönheit der Fhoi Myhore, der Mystik Da'Dana'Hans und der Herrscherin, die sie bereits so lange verkörperte.
Hochaufgerichtet kam sie auf die Präsidentin der Föderation zu, die leicht die Hände ausstreckte, als die Trauerkönigin auf das Podest gestiegen war. "Euer Majestät... es ist uns eine Ehre. Willkommen in der Föderation!" Manchmal waren die einfachsten Worte die stärksten und so beließ es T'Aleydis in diesem Augenblick dabei und als die Trauerkönigin ihr ebenso ihre Hände reichte, flammten die Blitzlichter der Reporter auf, um diesen historischen Moment für alle Zeiten festzuhalten. Das Bündnis zwischen L'Lal'Loria und Sternenfahrern. Zwischen der Welt der Traurigkeit und der Föderation. Besiegelt und in ein Bild gebannt durch den Handschlag dieser beiden aller höchsten Damen, die der Freundschaft zwischen ihren Völkern ein Gesicht gaben.
Einen langen Moment hielten sie die freundschaftliche Geste aufrecht, dann löste sich T'Aleydis schließlich und bot der Trauerkönigin mit einer einladenden Handbewegung ihren Platz am Podium an, während sie selbst zur Seite trat. Die Königin folgte der Einladung und während sie noch das Wort erhob, spannten sich ihre weiten, schwarzen Flügel in all ihrer beeindruckenden Schönheit auf. "Volk der Sternenfahrer! Viele Myaden der Zeit haben die Völker L'Lal'Lorias auf die Erfüllung der Prophezeiung gewartet, in dessen Zentrum von jeher das Zeichen der Föderation gestanden hat. Es ist daher mit Stolz, dass ich nach all den Jahren unseres Bündnisses in den Zeiten meiner Herrschaft als erste Trauerkönigin auf dem Boden der Sternenfahrer wandeln darf und ich danke allen Sternenfahrern - und ganz besonders Eurer Präsidentin - für das herzliche Willkommen, das mir seit meiner Ankunft zuteil wurde." Leicht und würdevoll neigte sie den Kopf einen Moment lang gen T'Aleydis, dann wandte sie sich erneut dem Publikum zu. "Seit nunmehr 12 Regenzeiten - und beinahe zehn Jahren föderativer Zeitrechnung - halten unsere beiden Welten ein fruchtbares Bündnis aufrecht. Wir haben Kriege miteinander gefochten, Freundschaften geschlossen, zahlreiche Saat wurde zwischen unsere Völkern gesät und nun gibt es Kinder beider Welten, wie es die Prophezeiung dereinst verkündete. Darum ergab es sich nun, dass in der vergangenen Regenzeit finale Verhandlungen geführt wurden, um unser Bündnis in eine neue Zeit zu führen. Auf L'Lal'Loria wurden die Ergebnisse bereits durch meine Person offiziell verkündet. Heute bin ich hier, um Zeugin zu werden, wie Präsidentin mac Mata auch den Sternenfahrern die Kunde unseres Neubeginns bringt." Und mit diesen Worten war sie es nun, die zur Seite trat und der Präsidentin erneut ihren Platz einräumte, den diesen auch durchaus einnahm, während sie zugleich, gemeinsam mit dem Publikum, erneut den Worten der Trauerkönigin durch Applaus Rechnung zollte.
"Vielen Dank, Euer Majestät. Tatsächlich muss ich gestehen, mich sehr auf diesen Moment gefreut zu haben, denn..." Sie lächelt mit solcher Freude auf, dass es ansteckend wirkte und breitete die Arme aus. "... was haben wir erreicht! Noch immer bin ich erfüllt von Demut, Dankbarkeit und Zufriedenheit, wenn ich daran denke, wie sehr Eure herrliche Welt uns, unsere Werten und unsere Kulturen in die Arme geschlossen hat. Die Verhandlungen drehten sich um den Status der Kinder, die zwischen Föderationsbürgerinnen und -bürgern sowie Fhoi Myhore oder Fomorii in den Jahren des Bündnisses gezeugt wurden und darum, wie für sie und auch für ihre Eltern ein Weg der Zugehörigkeit zu beiden Welten gefunden werden kann. Zu diesem Zweck gestattete die Regierung L'Lal'Lorias, namentlich der Älteste Peredur, der Rat der Sieben und Ihre Majestät, die Trauerkönigin, trotz uralter Tradierung der sieben Trauerfamilien die Gründung einer achten Trauerfamilie!"
Applaus folgte dieser Offenbarung, jedoch war deutlich spürbar im Raum, dass es weiterer Erklärungen bedurfte, denn allgemein war man auf L'Lal'Loria freilich viel vertrauter mit den Trauerfamilien und so machte sich T'Aleydis nun daran, die Neugründung in ihren Einzelheiten zu erläutern. Eine ihrer Secret Service-Agenten brachte ihr zu diesem Zweck das zu zeichnende, offizielle Dokument, welches T'Aleydis aufnahm und in die Höhe hielt, sodass der Saal seine Existenz würdigen konnte. Dann legte sie es vor sich hin und begann.
"Die 8. Trauerfamilie wird hiermit durch die Autoritäten L'Lal'Lorias, vertreten durch den Ältesten Peredur, den Rat der Sieben und die Trauerkönigin, sowie die Autoritäten der Föderation, vertreten durch Präsidentin T'Aleydis i'Elill mac Mata, ins Leben gerufen. Diese soll den Namen Ash'Roshann - die Familie des Neubeginns - tragen. Nachfolgend wird aufgeführt, wer unter welchen Voraussetzungen Teil der 8. Trauerfamilie Ash'Roshann werden darf und welche Gesetze speziell für diese gelten:
1. Bekommt eine Fhoi Myhore ein Kind mit einem Partner aus den Reihen der Sternenfahrer/der Vereinten Föderation der Planeten und gibt die Identität des Vaters nicht bekannt, wozu sie durch keine Gerichtsbarkeit gezwungen werden kann, so verbleibt dieses Kind in der Trauerfamilie der Mutter.
2. Bekommt eine Fhoi Myhore ein Kind mit einem Partner aus den Reihen der Sternenfahrer/der Vereinten Föderation der Planeten und gibt die Identität des Vaters bekannt, lässt diesen somit registrieren, so wird dieses Kind der 8. Trauerfamilie zugeordnet. Es steht der Mutter frei, ebenso in diese Trauerfamilie überzutreten. Ebenso darf der Vater nach freiem Willen der 8. Trauerfamilie beitreten und erhält damit zusätzlich zur föderativen auch die l'lal'lorianische Staatsbürgerschaft.
3. Hat eine Fhoi Myhore bereits Kinder, die keinen föderativen Vater haben und wechselt aufgrund einer neuen Geburt in die 8. Trauerfamilie, so werden alle bisherigen Kinder ebenfalls der 8. Trauerfamilie zugeordnet. Im Alter von 20 Regenzeiten/16 föderativen Jahren, können diese Kinder jedoch selbstständig entscheiden, ob sie weiterhin der 8. Trauerfamilie angehören oder wieder der einstigen Trauerfamilie ihrer Mutter zugeteilt werden wollen.
4. Bekommt eine Frau aus den Reihen der Sternenfahrer ein Kind von einem Fomorii, so wird dieses Kind der 8. Trauerfamilie zugeordnet. Der Mutter steht es frei, ebenso der 8. Trauerfamilie beizutreten.
5. Kinder, die in Verbindung mit den Fhoi Myhore bzw. den Fomorii aus den Reihen der 8. Trauerfamilie hervorgehen, werden ebenfalls der 8. Trauerfamilie zugeordnet.
6. Sollte eines der Kinder, die in die 8. Trauerfamilie geboren werden, mit der Transformation zum Fomorii gesegnet werden, so wird es entsprechend der Trauerfamile der Fomorii zugeordnet.
7. Innerhalb der 8. Trauerfamilie sind Eheschließungen nach föderativem Gesetz gestattet. Die geschlossenen Ehen werden durch Fhoi Myhore und Fomorii anerkannt.
8. Mitgliedern der 8. Trauerfamilie ist es gestattet, das Lesen und Schreiben der Schrift der Sternenfahrer/der Vereinten Föderation der Planeten zu erlernen, ebenso der Besuch föderativer Schulen, Universitäten und dergleichen. Die Schriftkunst L'Lal'Lorias bleibt indess der Trauerfamilie der Ash'Jareah vorbehalten. Das Erlernen des Lesens und Schreibens der Schrift L'Lal'Lorias ist den Mitgliedern der 8. Trauerfamilie demnach untersagt.
9. Mitgliedern der 8. Trauerfamilie ist es gestattet, auch außerhalb der Trauer aktiven und passiven Zugang zu Musik und Tanz zu haben, wie es den föderative Gesetzen entspricht. Der Zugang zu den Klöstern der Trauersängerinnen bleibt ihnen derweil untersagt, da sie nicht dem Verbot von Musik außerhalb der Trauer unterliegen.
10. Jegliche sexuellen Handlungen mit Minderjährigen sowie jegliche inzestuöse Beziehungen sind der 8. Trauerfamilie untersagt!
11. Mitglieder der 8. Trauerfamilie besitzen sowohl die föderative als auch die l'lal'lorianische Staatsbürgerschaft und unterliegen der Gesetzgebung der jeweiligen Fraktion, in welcher sie offiziell leben. Bei schwerwiegenden Gesetzesverstößen gegen eine der besagten Fraktionen gelten die Auslieferungsbestimmungen."
Als T'Aleydis endete und den Blick von dem Dokument hob, sah sie in ein Meer staunender Augen. Jeder, der auch nur ein wenig über die strengen und uralten Gesetze der Welt der Traurigkeit wusste, realisierte nach dieser Lesung, welch ungeheure Zugeständnisse die Föderation für die nächste Generation errungen hatte. Bisher war es nur sehr mühsam möglich gewesen, die l'lal'lorianische Staatsbürgerschaft zu erhalten, ein Zugang zu anerkannten Ehen, Schrift, Musik und Tanz schien über Jahre unmöglich. Und so brandete erneut Applaus auf und er wollte nicht enden. Die Zeugen erhoben sich von ihren Plätzen, während zunächst die Trauerkönigin ihr Zeichen auf das bereits vom Ältesten unterzeichnete Dokument setzte und schließlich die Präsidentin der Föderation unterschrieb, um die Vereinbarung damit ein für allemal zu besiegeln und sie blieben stehen, als erneut die Hymne der Föderation aufklang, während die Präsidentin und die Trauerkönigin noch für einen Augenblick Seite an Seite im herrlichen Spiegelsaal von Versailles verharrten und über die Menge hinweg beinahe symbolisch in eine vereinte Zukunft zu blicken schienen. Erst zu den letzten Klängen der Hymne wandten sie sich gemeinsam um und verließen den Saal, dabei in einer deutlich zeremoniell erprobten Order von ihrem jeweiligen Gefolge eskortiert.