Beiträge von Che'LeNn Stroud

    Che'LeNn hatte nach dem Feuersegen und Kats anschließendem Weggang in die Stadt erstaunlich wenig Ruhe gefunden, bedachte man, dass sie in dieser Nacht kaum Schlaf bekommen hatte. Eigentlich brauchte sie viel oder zumindest sehr regelmäßigen Schlaf, um mit den Anforderungen und Reizen des täglichen Lebens umgehen zu können, aber an diesem Morgen wollte er sich einfach nicht einstellen. Sie fühlte sich stattdessen unruhig und rastlos und nachdem sie sich eine Weile im Bett hin und her gewälzt hatte, gab sie schließlich auf und stand nach etwa einer halben Stunde wieder auf, um ein wenig ziellos durch die Räume des ihr bekannten und gerade doch eher fremden Hauses zu streifen, das in seiner Leere erdrückend zu sein schien. Einmal bereits war sie mit Kat zwei Wochen lang hier gewesen und ja, dieses Haus war ihr im Grunde genommen durchaus vertraut, aber ein Ortswechsel musste sich dennoch erst ein wenig einspielen bei ihr. Gerade erst waren sie von Paris gekommen, ein Erlebnis, das ihr noch ein wenig in den Knochen saß aufgrund der Größe dieser enormen Stadt, des fremden Hotels und aller Eindrücke, die dort auf sie eingeströmt waren. Sich nun auf Schottland, Pitty und dieses Haus umzustellen gestaltete sich am ersten Morgen ein wenig zäher als sie gedacht hatte.


    Um sich abzulenken und die Mischung aus bleierner Müdigkeit und latenter Unruhe aus ihren Gliedern zu vertreiben, nahm sie eine heiße Dusche, die ihr gut tat, und war daraufhin eine ganze Weile mit ihrem sehr, sehr langen Haar beschäftigt. Es zu kämmen, zu trocknen und so zu flechten, dass es sich im Alltag gut händeln ließ, bedurfte einer langwierigen Routine, die Che in diesem Moment jedoch ausgesprochen gelegen kam. Routine war gut. Routine war beruhigend und dies war etwas, das sie vollführen konnte, ganz egal, wo sie war. Sie schloss die Augen, während ihre Hände wissend und geduldig die Flechtbewegungen ausführten, wie sie es bereits seit Jahren taten. Ihre Gedanken wanderten zurück zu den Tagen ihrer Kindheit, wo das Flechten des Haares zu den morgendlichen Pflichten aller derjenigen gehört hatten, die in ihrem Kloster gelebt hatten. Wie lange es schon her war, dass sie dieses Leben gelebt hatte... so lange. Es war ein gutes Leben gewesen. Routine gehörte zu einem Leben in einem Kloster unbedingt dazu, ebenso wie das Gebet, die Forschung und Lehre und der Kampf. Alles Dinge, die sie wertschätzte bis auf den heutigen Tag. Ihre Eltern hatten sie gemacht, aber die Krieger und Gelehrten in ihrem Kloster hatten sie in vielerlei Hinsicht geformt. Ebenso wie die grausame Schmiede des Empires. Und so viele Leute, lebend wie tot. Ihre Freunde aus dem Kloster, die Kommandantin der Roteisen Sera'Hawke, ihre liebe Sunni'FaH... sie alle waren bereits in der Ewigen Schlacht, wo sie sie einst wiedersehen würde. Aber ihr Bruder Ao'DHan, ihr kleiner Neffe Tiar'Nan und alte Freunde wie Dara und Corum waren noch bei ihr. Und auch all die neuen Freunde, die sie im Laufe des letzten Jahres gefunden hatte... Se'LesitaH, Siobhan - und natürlich Kat. Ihre liebe Kat. Der Gedanke an sie ließ sie ruhiger werden, ließ sie lächeln und sie öffnete die Augen, nun fertig mit dem Flechten, und sah sich von ihrem Platz auf dem Sofa bewusster im Wohnzimmer um. Es war Kats Wohnzimmer. Ihr Haus. Und sie war ihr zweites Herz, also gab es gar keinen Grund sich unruhig und unwohl zu fühlen. Stattdessen könnte sie produktiv sein!


    Diese Kombination aus Gedankengängen besserte ihre Stimmung augenblicklich auf und rasch stand sie auf, um zurück ins Schlafzimmer zu wuseln und ihr ganz eigenes und so hübsches PDC vom Nachttisch aufzunehmen und an ihr Handgelenk anzulegen, wie sie es nun bereits seit längerem gewöhnt war. Die darin enthaltene KI, Thammy, war ihre neuste Freundin. "Qapla, Thammy", grüßte sie diese entsprechend und als das PDC aufleuchtete bei dieser Ansprache und die kleine, blaue Frau auf diesem erschien, lächelte Che selig auf. "Qapla, Che'LeNn", gab Thammy zurück und legte dabei, wie üblich, die Faust vor die Brust und vollführte damit den Kriegergruß, wie Che es daraufhin ebenso tat. "Wir sind heute in Schottland", begann Che zu erzählen und setzte sich am Küchentisch nieder, um ihre Notizbücher bereits aus der Tasche zu nehmen und diese in der passenden Reihenfolge auf dem Tisch zu platzieren. "Schottland, nördliches Drittel der größten europäischen Insel Großbritannien, Terra. Derzeitiger Aufenthaltsort: Stadt Pitlochry, Koordinaten: 56° 42′ N , 3° 44′ W", erwiderte Thammy zustimmend und als Zeichen, dass sie der Kriegerin folgen konnte. Es wäre wohl auch verwunderlich, wenn es anders wäre. "Lu, da sind wir... und ich dachte, wir könnten jetzt noch ein bisschen weiterarbeiten an dem Text, den wir im Hotel in Paris angefangen haben... lu?" Thammy nickte knapp. "Dem stimme ich zu. Die Transkriptionen des altklingonischen Dialekts der Originalschrift in das heutige moderne Klingonisch sind noch nicht abgeschlossen. Teile der Sprachanalyse und Textkritik stehen noch zur Debatte. Ich habe bereits die Sekundärliteratur und sämtliche wissenschaftlichen Kommentare zu FoQ'LaHks Kodex über den Kampf des Kahless am Fluss Skral aufgerufen. Es handelt sich dabei um 3.679 Werke. Nach welchem Ordnungssystem sollen sie katalogisiert werden?" Che lauschte Thammy aufmerksam und öffnete ihr Notizbuch. Dort standen zu diesem besagten Text bereits unzählige Notizen, säuberlich per Hand geschrieben. Eine alte Angewohnheit, auch wenn Thammy alles abspeichern konnte, was sie erarbeiteten. Che aber fühlte sich wohler damit, es auch außerhalb des PDCs festzuhalten, ganz abgesehen davon, dass es zu ihrer eigenen Routine zwingend dazugehörte. "Hmm... zuerst einmal brauchen wir nur die Kommentare zur Sprachanalyse. Die Textkritik kommt danach. Sortiere die Sprachanalyse-Kommentare nach der Reihenfolge der Verse, damit wir parallele Meinungen gleich greifbar haben." Thammy folgte dem, was kaum mehr als zwei Sekunden in Anspruch nahm. "Verstanden. Das sorgt dafür, dass wir ein breites Gesamtbild über die Debatten hinsichtlich der Sprachauslegung unseres Quellentextes innerhalb der letzten Jahrhunderte bekommen. Ich empfehle, dazu zusätzlich altklingonische Grammatiken und wissenschaftliche Ausarbeitungen zu den einzelnen Dialekten zu Rate zu ziehen." Che nickte. "Lu, das müssen wir tun, sonst stochern wir ja im Dunkeln herum, lu? Und außerdem müsstest du noch nach Werken aus derselben Zeit und im selben Dialekt suchen, damit wir Vergleiche haben, Thammy." Und so geschah es. "Lu, Che'LeNn. Somit ist die Katalogisierung der derzeit benötigten Werke zur Hintergrundinformation zum Quellentext abgeschlossen. Es handelt sich letztendlich um 341 Werke zur Sprachanalyse unseres Textes, 21 verfügbare Grammatiken zum Altklingonischen, 13 Ausarbeitung über den vorhandenen Dialekt und 488 passende Zusatzquellen im selben Diakekt, die nach Parallelen untersucht werden können. Somit können wir mit der Textarbeit und Auswertung beginnen."


    Und genau das taten sie. Und doch spürte Che bereits nach etwa einer halben Stunde, dass ihre Kräfte nicht ausreichen würden, um sich sehr lange konzentriert mit ihrem Seelenthema beschäftigen zu können. Nicht heute. Sie war noch immer müde und auch wenn sie ihre Unruhe und damit ihr Unwohlsein ein wenig hinter sich hatte lassen können, so war sie doch nicht aufnahmefähig genug, um wirklich qualitativ hochwertig arbeiten zu können. "Ich glaube, ich muss Schluss machen, Thammy", meinte sie ein wenig gedrückt, nachdem sie gerade erst den zweiten Vers miteinander zu ihrer beider Zufriedenheit ins moderne Klingonisch übertragen hatten. "Ich hab nicht viel geschlafen und hab das Gefühl, ich kann nicht gut arbeiten." Die KI nahm den Faden auf. "Es ist nachgewiesen, dass Schlafmangel zu Konzentrationsschwäche führt, da Synapsenverbindungen im Gehirn nicht ausreichend verstärkt werden. Zudem werden im Schlaf unwichtige Verbindungen abgebaut, um neue Kapazitäten zu schaffen. Dies ist notwendig, um neue Reize aufnehmen zu könnnen." Che seufzte leise. "Lu... und ich hab so oder so schon genug Schwierigkeiten mit Reizen", meinte sie. "Wir machen dann morgen weiter... lu? Nicht böse sein, Thammy." "Ich bin eine KI, Che'LeNn und empfinde keine Emotionen. Ich werde die Daten der heutigen Einheit speichern. Kann ich sonst noch behilflich sein?" Che blinzelte kurz und musste über diese Frage nachdenken. Bereits dabei, die diese zu verneinen, manifestierte sich ein Gedanke in ihrem Kopf. Unsicher sah sie auf die Uhr. Es war nun etwa zwei Stunden her, dass sie sich von Kat verabschiedet hatte. Wo sie wohl war und ob sie sie wohl stören würde, wenn sie sie anrief? Dieser Gedanke machte sie nervös und unweigerlich begann sie leicht auf dem Stuhl zu wippen. "Ich... möchte gerne Kat anrufen, Thammy. Aber vielleicht stör ich sie, wenn ich sie anrufe..." Thammy blieb einen Moment stumm, allerdings nur, weil sie diese 'These' analysierte. "Nach den mir vorliegenden Daten der letzten Anrufe halte ich dies für unwahrscheinlich. In 99,67654456% der Gespräche zwischen dir und Katherine Stroud verliefen diese positiv. Soll ich ihr PDC kontaktieren?" Diese Auswertung half Che tatsächlich, sich wieder ein wenig zu entspannen, das Wippen ließ nach und sie lächelte. "Wenn du das sagst, Thammy, dann stimmt es ganz sicher. Lu... ruf ihre Thammy für mich an."