"Erster Logbucheintrag von SubCorporal Sua'Lamith Ash'Tamah im Dienste der Military Assault Command Operations der Vereinten Föderation der Planeten. Zur Zeit diensthabender Field Technical Officer in dem 4th M.A.C.O. Regiment Green Berets", begann Sua'Lamith mit langsamen, wohl gewählten und umsichtig betonten Worten, vorgetragen in vorsichtiger Stimmlage. Es folgte ein langer Moment des Schweigens, bevor sie zögernd fortfuhr. "Man hat mir gesagt, dass es den Traditionen der Föderation entspräche, ein Logbuch zu führen. Manche führen sogar mehrere. Eines in der Funktion ihres Dienstes, in dem sie wichtige Missionen und Informationen festhalten, um sie mit Anderen zu teilen - besonders mit ihren vorgesetzten Offizieren - und ein weiteres, um persönliche Erlebnisse aufzuzeichnen.
Ich muss zugeben, dass sich mir der Sinn des Ganzen nicht völlig erschließt. Es wäre völlig ausreichend, das Erlebte unverzüglich an Andere weiter zu geben, um es somit am Leben zu erhalten, wie es auf Da'Dana'Han seit Jahrtausenden praktiziert wird. Denn zusätzlich dazu, dass hier Dinge als Audiodatei gespeichert werden, um sie später abrufen zu können, schreiben sie das Geschehene auch noch nieder, haben sogar ausgesprochen strenge Regeln dafür, wie ein Bericht über das Erlebte aussehen muss, wie lang er zu sein hat und in welchem Zeitraum er angefertigt und eingereicht werden muss. Denn würden sie das nicht tun, würden sie vergessen. Wie wir es immer schon gewusst haben. Wer aufschreibt, der vergisst, wie man sich erinnert."
Die Fhoi Myhore erhob sich von ihrem Bett, auf dem sie bisher gesessen hatte und trat ans Fenster heran, das auf die Sterne und Auriga II hinaus ging. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah schweigend hinaus. Schwieg so lange bis sie beinahe vergessen hatte, dass das Logbuch noch immer lief und erwartete, dass sie ihre Gedanken in Sätze verpackte, damit die Nachwelt diese würde hören können. Welch eine absurde Vorstellung. "Es ist ein seltsamer Ort, an dem ich nun lebe", setzt sie erneut an, das Thema wechselnd. Zumindest in Ansätzen. "Die Angehörigen der Sternenfahrer sind zusammen gekommen aus vielen Völkern und führen einen regen Austausch an Waren, Gedanken und Kulturen miteinander. Ebenso wie einen regen Austausch von Nachkommenschaft. Es gibt viele Söhne und Töchter hier, deren Erzeuger nicht derselben Spezien angehören, doch die Kinder sind meistens gesund, kräftig, fruchtbar und zahlreich. Erstaunlicherweise wachsen sie zumeist bei der Mutter und demjenigen auf, der sie gezeugt hat. Man nennt den Mann 'Vater' oder - in der Anrede der Kinder - 'Papa', 'Dad' oder 'Daddy'. Es gibt noch weitere Konzepte der Anrede in verschiedenen Sprachen, doch das sind die, die mir bisher am häufigsten zu Ohren gekommen sind. Ich empfinde es als unnötig, sie alle hier aufzulisten. Der eigentlich erstaunliche Aspekt ist die Beteiligung eines Mannes an der Erziehung der Kinder. In meiner Heimat wäre es undenkbar, dass sich einer der hochverehrten Fomorii um seine Nachkommenschaft persönlich kümmert und warum sollte er das auch tun, wenn seine Mannes- und Geisteskraft für so viel Wichtigeres eingesetzt werden muss? Es wird ein Teil meiner Studien während meines Aufenthaltes an diesem Ort sein, genauer herauszufinden, welchen Nutzen ein Kind wohl daraus ziehen könnte, dass ein Mann so aktiv an seiner Erziehung beteiligt wird."
Ein langsames Nicken begleitete Sua'Lamiths letzte Worte, bevor sie sich nun von dem Anblick, den das Fenster ihr bot, löste, um ruhige Kreise durch ihr Quartier zu ziehen. Derweil sprach sie weiter. "Auch sonst gibt es viele verwirrende Sitten hier. Gerade was ihre Sprache betrifft, pflegen die Sternenfahrer eine Fülle seltsamer Ausdrücke und Redewendungen zu gebrauchen, die einem universalen Code zu entsprechen scheinen. Sie verstehen sich untereinander mühelos in dieser bildhaften Sprache, deren Symbolik sich mir noch nicht recht erschließt. Sie sagen Dinge wie 'Saft auf die Mühle bringen' und meinen damit, einen Antrieb mit Energie zu versorgen. Ich bemühe mich darum, so viel von ihren Sprachgewohnheiten zu lernen und zu verinnerlichen wie mir möglich ist, um ihre Denkweise besser zu verstehen, doch zur Zeit macht es den Eindruck, als sei der Reichtum der Redewendungen unerschöpflich. In regelmäßigen Abständen werde ich wohl weiter darüber berichten."
Noch während sie sprach, löste sie mit geübtem Griff die Spangen, die ihr seidiges, goldblondes Haar bisher zusammen gehalten hatten, sodass es ihr nun offen den Rücken hinab fiel und die spitz zulaufenden Ohren, die für ihre Art kennzeichnend waren, bedeckte. Auch die Uniformjacke öffnete sie und streifte diese ab. "Zu guter Letzt", setzt sie wieder an. "möchte ich meine grundsätzlichen Beobachtungen zu den Lebewesen meiner Umgebung damit abschließen, dass ich deutlich feststellen muss, dass sie sehr viel Wert auf Fröhlichkeit und Lachen legen. Sie lächeln fast immerzu. 'Lächeln' bedeutet, die Mundwinkel zu heben, wobei die Zähne manchmal gezeigt werden, manchmal aber auch nicht. Der Ausdruck in ihren Augen verändert sich dabei häufig, wird sanfter und freundlicher. Wenn das passiert, dann sprechen sie von einem 'ehrlichen Lächeln', wenn nicht, dann von einem 'falschen' oder 'aufgesetzten Lächeln'. Das soll bedeuten, dass eine Emotion hinter dem Lächeln stehen sollte, das sie kulturell aus Freundlichkeit oder Zuneigung heraus austauschen. Auch das Lachen ist ihnen wichtig, das eine ausgedehnte, intensivere Art des Lächelns zu sein scheint und von Tönen begleitet wird. Das tun sie besonders oft, wenn sie eine Aussage oder Situation als erheiternd empfinden.
Im Gegensatz dazu scheint ihnen die Kunst der Trauer weitaus weniger wichtig, ja, eher unangenehm zu sein. Tod und Tränen lösen in ihnen Unbehagen aus. Musik ist nicht für solche Gelegenheiten reserviert. Im Gegenteil, man hört sie immerzu und von jedem und sie wird besonders zu freudigen Anlässen genutzt. Ob sie auch im Kontext von Trauerfeiern hier vorkommt, gilt es noch in Erfahrung zu bringen."
Erneut hielt sie inne, kurz nachdenklich. Gab es noch mehr zu sagen in diesem Moment? "Für diesen ersten Eintrag soll es nun genug sein", beschließt sie. "Zu einer anderen Gelegenheit werde ich von Missionen, Bekanntschaften, vielleicht auch von meiner Heimat und Geschichte berichten. Doch dies sind Aufnahmen für einen anderen Tag. Logbuch Ende."